Montag, 29. März 2010

Men in Black


Tommy Lee Jones und Will Smith tragen in Men in Black schwarze Anzüge und weiße Oberhemden, offensichtlich die normale Arbeitskleidung zur Bekämpfung für extraterrestrische Wesen. Die Gangster von Quentin Tarrantino tragen auch solche Kleidung, aber die bekämpften sich nur gegenseitig. Früher trug man nur zu Beerdigungen und zu Bauernhochzeiten schwarze Anzüge. Einfarbige, sehr dunkle, ans Schwarz grenzende Anzüge trugen nur Bestattungsunternehmer, die Verkäufer bei C&A und amerikanische Mormonen auf Mitgliedersuche. Seit einigen Jahrzehnten scheint es in der Herrenmode keine andere Farbe als Schwarz mehr zu geben, vielleicht noch ein abgetöntes Anthrazit, oder, geradezu revolutionär, ein brüllendes Mausgrau. Besonders die so genannten Kreativen (was offensichtlich ein anderes Wort für geschmackliche Einfallslosigkeit ist) tragen nur noch Schwarz.

Schwarz ist die Farbe des Todes und der Trauer (obgleich es Kulturen gibt, bei denen die Trauerkleidung weiß ist), Schwarz ist die Kleidung des Klerus, Schwarz ist die Kleidung der Gelehrten und der Juristen im Mittelalter, Schwarz ist die Farbe der Henker und der spanischen Inquisition, Schwarz (mit der modischen Beigabe eines Totenkopfes) wird die Uniform von Husaren Regimentern und später der SS sein. Und die der blackshirts des englischen Faschisten Sir Oswald Mosley, und auch Mussolini wird sich so verkleiden. Und schon Jahrhunderte zuvor trug die Leibgarde von Iwan dem Schrecklichen schwarze Uniformen (und ritt schwarze Pferde). Irgendwie hat Schwarz etwas Fürchterliches an sich. Wollen alle die, die sich heute einen schwarzen Anzug kaufen, daran anknüpfen? Wenn die Dienstkleidung von Graf Dracula schwarz ist, können wir sagen, dass sich Hollywood das ausgedacht hat, weil niemand von uns bisher Graf Dracula begegnet ist. Vielleicht ist ja Bela Lugosi an dieser ganzen Goth Subkultur schuld, aber mit denen (und den Engeln der Hölle) wollen die Träger des modischen Schwarzes ja nichts zu tun haben. Woher kommt diese neue modische Begeisterung für die Nicht-Farbe?

Im 15. Jahrhundert wird Schwarz die Farbe der Kaufleute werden, der jüdischen wie der christlichen, es ist in einem von Pest und Tod geprägtem Jahrhundert die Farbe der neuen Bescheidenheit und der Tugend. Hundert Jahre später wird Philipp von Spanien der Herrenmode diese Farbe beinahe aufzwingen. Wenn der König diese Farbe trägt, wird auch der Hof von bunter Kleidung Abstand nehmen. Warum sich Philipp im Alter nur noch in dieser Farbe zeigt, die bisher der bürgerlichen gente de capa negra vorbehalten war, weiß man nicht genau. Es kann die Farbe der Trauer über die vielen Todesfälle in seiner Familie sein oder seine Verbundenheit mit dem Planeten Saturn. Die Entdeckung der Melancholie von Dürers Melencolia I bis Robert Burtons Anatomy of Melancholy bringt auch das Schwarz mit sich. Kann man sich Hamlet in quietschegrün vorstellen? Aber das Schwarz der Trauer und das Schwarz der bürgerlichen Kaufleute wird im 16. Jahrhundert  überdeckt durch die Schrecken der Inquisition. Philipp liebte es, natürlich schwarz gekleidet, bei einem auto da fé zuzuschauen.

Die zweite Epoche der Hinwendung zum Schwarz in der Herrenmode ist das viktorianische Zeitalter, selbst die Dandys wie Beau Brummell werden jetzt einfarbig. Und man kann sich nicht vorstellen, dass in der Romanwelt von Charles Dickens Romanfiguren bunte Farben tragen, wenn eine Romanwelt schwarz ist, dann ist es die Welt von Dickens. Wurden zu Anfang des Jahrhunderts die frock coats  noch in allen Farben getragen, so ist ab Mitte des Jahrhunderts schwarz de rigueur. Der Baron Louis Auguste Schwiter, den Delacroix 1826 in elegantem Schwarz malt, ist da sicherlich ein Vorreiter. Als der Prinzgemahl Albert 1861 stirbt, befiehlt die Königin ihrem ganzen Volk, Schwarz zu tragen. Sie selbst trägt für den Rest des Lebens nur noch schwarze Witwentracht. Das Einhalten von rigiden Richtlinien für Trauerkleidung wird im viktorianischen Zeitalter zu einem Kult. Es wird jetzt Kaufhäuser für Trauerkleidung geben, Kleinkinder bekommen schwarze Biesen in die Unterwäsche genäht, und die Firma Courtauld hat einen märchenhaften Aufstieg mit ihrem mourning crape. Es wird eines Tages eine Parlamentskommission geben, die die Auswüchse zu reglementieren sucht. Denn was macht es für einen Sinn, wenn sich die schon arme Bevölkerung immer weiter verschuldet, um die teure Trauerkleidung zu kaufen?

Kleidung für die Trauer kann und soll schwarz sein, das hat sich über Jahrhunderte etabliert. Die Kleidungsstücke für offizielle Anlässe sind schwarz, der Morningcoat (obgleich die Engländer den auch in grau kennen), der Stresemann, der Frack, das Dinner Jacket. Aber braucht man Schwarz für den Rest der Kleidung? Wenn Johnny Cash sich als Man in Black inszeniert hat, ist das sicherlich gut für den Verkauf seiner Alben gewesen. Aber gehen uns die so genannten Kreativen mit ihrem Einheitslook (schwarzer Anzug, weißes Hemd und offener Hemdkragen) und die in Prada-Schwarz gekleideten Tussis nicht langsam auf die Nerven? Irgendwie wünscht man sich doch die Peacock Revolution der Sixties und Seventies zurück.

Das Bild oben zeigt Delacroix' Porträt von Baron Schwiter (der selbst ein Maler war), es ist seit 1918 im Besitz der National Gallery in London. Für alle Dandys und Modeinteressierten kann ich, neben dem Klassiker A History of Men's Fashion von Farid Chenoune, John Harveys Buch Men in Black (University of Chicago Press, 1995) uneingeschränkt empfehlen.

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