Donnerstag, 1. April 2010

April


April come she will, sangen Simon und Garfunkel. Aber die Liebe in diesem Lied hält nicht ewig (die künstlerische Verbindung von Paul Simon und Art Garfunkel auch nicht), wenig später heißt es schon August, die she must. Dichter besingen gerne den April. Am nettesten Ogden Nash in Always Marry an April Girl:

Praise the spells and bless the charms,
I found April in my arms.
April golden, April cloudy,
gracious, cruel, tender, rowdy;
April soft in flowered languor,
April cold in sudden anger,
ever changing, ever true -
I love April, I love you.

Man ja kann heute die ersten Zeilen von T.S. Eliots The Waste Land nicht zitieren, ohne dass ein Literaturwissenschaftler sagt: das hat er von Chaucer (so steht es auch auf der Wikipedia Seite der Canterbury Tales) Wirklich? Was hat April is the cruellest month, breeding/lilacs out of the dead land... mit Whan that Aprille with his shoures soote gemeinsam? Bei Chaucer machen sich in seinen Canterbury Tales in dem Monat mit den sweet showers neunundzwanzig Pilger auf den Weg nach Canterbury. Zum Grab des Heiligen Thomas. Der war auch einmal Lord Chancellor von England. Saß aber nicht auf dem woolsack, weil der erst Jahrhunderte später erfunden wurde. Bei Chaucer ist der Frühling wie er sein soll, sogar die Regenschauer sind sweet, ebenso wie der Atem des Zephyrs, es gibt die Sonne und den Gesang von kleinen Vögeln. Das hat nichts von der depressiven Grundstimmung des cruellest month bei T.S. Eliot. Die lilacs, die aus dem toten Land sprießen, kommen bei Chaucer nicht vor. Es gab das Wort auch noch gar nicht, das kommt erst im 17. Jahrhundert. Und die Bezeichnung von lilac als Farbe nochmal 150 Jahre später. Engländer lieben dieses blasse Lila als Farbe offensichtlich. Wird gerne von Gentlemen als Farbe der Krawatte genommen, auch für Oberhemden. Manche Schneider der Savile Row füttern die Jacketts mit blaßlila Seide. Mein Freund Keith hat ein Rolls Royce Corniche Cabrio in blaßlila. Ist geschmacklich noch eine Stufe über einem Pink Cadillac, sieht aber ein klein bisschen pervers aus. Jetzt im April bricht auch die Zeit der Cabrios an. Cabrios lassen mich völlig kalt. Wenn man Jahre in einem Infanteriebataillon verbracht hat, in dem am ersten April das Verdeck von den Jeeps entfernt wurde, ist man auf kein Cabrio der Welt mehr neidisch.

Schon lange vor T.S. Eliot hat ein anderer amerikanischer Dichter lilacs mit dem April verknüpft, Walt Whitman in seinem großen Gedicht auf Abraham Lincoln, When Lilacs last in the Dooryard Bloomed. Denn in dem Monat, in dem der Flieder blüht, ist Abraham Lincoln ermordet worden. Whitman hat auch noch das Gedicht Warble me now for joy of lilac-time geschrieben, das etwas fröhlicher ist als die Elegie auf den Tod von Lincoln. Und die im geheimen vor sich hin dichtende Dame in Amherst, die immer weiß trägt, hat auch Fliedergedichte wie The lilac is an ancient shrub oder Upon a lilac sea geschrieben. Aber nicht nur Whitman und Emily Dickinson schreiben über lilacsLilacs ist das bekannteste Gedicht von Amy Lowell. Die amerikanischen Dichter scheinen überhaupt eine Vorliebe für diese Pflanze und diese Farbe zu haben. 1996 hat die Academy of American Poets den Monat April als National Poetry Month ausgerufen, überall in Amerika werden jetzt Gedichte vorgelesen.

Dichter singen im Monat, in dem die Titanic unterging, über die Natur, über die Vögel und den Regen. Häufig nehmen sie dafür auch den Monat Mai (wenn sie nicht wie Edmund Spenser in The Shepherd's Calendar 1579 für jeden Monat ein Gedicht haben), der Mai ist irgendwie noch fröhlicher als der wetterwendische April. Von allen Frühlings- und Naturgedichten gefällt mir Thomas Hardys Weathers am besten. Hardy, den das Lesepublikum immer nur als Romanautor sieht, hat sich zeitlebens eher als Dichter gefühlt. Und seine Collected Poems haben einen Umfang von 864 Seiten. Beinahe tausend Gedichte, das schaffen nicht viele Schriftsteller, die nebenbei noch mal eben so vierzehn Romane schreiben. Wenn in seinen Wessex Novels auch viel Wetter vorkommt und Wetter und Landschaft ebenso wichtig wie die Romanfiguren sind, am Hübschesten (und Hüpfendsten) ist das Wetter im ersten Teil von Weathers.

This is the weather the cuckoo likes
   and so do I;
When showers betumble the chestnut spikes,
   and nestlings fly:
And the little brown nightingale bills his best,
And they sit outside "The Travellers' Rest",
And maids come forth sprig muslin drest,
And citizens dream of the south and west,
   And so do I.

Ohne die Phantasie gibt es keine Wirklichkeit, notiert Wilhelm Lehmann am 12. April 1928 in seinem Bukolischen Tagebuch. Und ohne die Dichter gibt es keine Schönheit. Nehmen wir uns die amerikanischen Dichter zum Vorbild und lesen wir im National Poetry Month nur noch Gedichte!

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