Mittwoch, 22. Dezember 2010

Weihnachtsfeiern


'A cold coming we had of it,
Just the worst time of the year
For a journey, and such a journey:
The ways deep and the weather sharp,
The very dead of winter.'
And the camels galled, sore-footed,
refractory,
Lying down in the melting snow.
There were times we regretted
The summer palaces on slopes, the
terraces,
And the silken girls bringing sherbet.

Then the camel men cursing and
grumbling
And running away, and wanting their
liquor and women,
And the night-fires going out, and the
lack of shelters,
And the cities hostile and the towns
unfriendly
And the villages dirty and charging high
prices:
A hard time we had of it.
At the end we preferred to travel all
night,
Sleeping in snatches,
With the voices singing in our ears,
saying
That this was all folly.

Then at dawn we came down to a
temperate valley,
Wet, below the snow line, smelling of
vegetation;
With a running stream and a water-mill
beating the darkness,
And three trees on the low sky,
And an old white horse galloped in
away in the meadow.
Then we came to a tavern with
vine-leaves over the lintel,
Six hands at an open door dicing for
pieces of silver,
And feet kicking the empty wine-skins.
But there was no imformation, and so
we continued
And arrived at evening, not a moment
too soon
Finding the place; it was (you may say)
satisfactory.

All this was a long time ago, I
remember,
And I would do it again, but set down
This set down
This: were we led all that way for
Birth or Death? There was a Birth,
certainly,
We had evidence and no doubt. I had
seen birth and death,
But had thought they were different;
this Birth was
Hard and bitter agony for us, like
Death, our death.
We returned to our places, these
Kingdoms,
But no longer at ease here, in the old
dispensation,
With an alien people clutching their
gods.
I should be glad of another death.


Es ist ein schönes Gedicht, dieses Journey of the Magi von T.S. Eliot. Er hatte es geschrieben, nachdem er ein Christ geworden war und zur Church of England gefunden hatte. Dafür sollten wir, Christen oder Nicht-Christen, dankbar sei, wenn eine Konversion so etwas abwirft. Die ersten Zeilen dieses Textes, der (wie so vieles in der modernen Lyrik) als eine Art dramatic monologue daherkommt, sind nicht von Eliot. Die stammen aus einer Predigt von Lancelot Andrewes aus dem Jahre 1622. Eliot hat über ihn geschrieben, er hielt ihn für einen der besten englischen Prediger. Andere halten John Donne dafür. Ich weiß noch, wie der Hamburger Professor Rudolf Haas uns in der Vorlesung über das 17. Jahrhundert die Lektüre der Predigten von John Donne ans Herz legte. Ich war wahrscheinlich der einzige von seinen Hörern im Audimax, der in jenem Semester abends (wenn ich nicht in der Oper war) noch einmal ins Seminar gegangen ist und die Predigten von John Donne gelesen hat. Das war enthusiastisch und naiv, aber nur mit Enthusiasmus und Naivität kann man eine Liebe zur Literatur haben. Und John Donne hat in seinen Predigten wirklich große Momente.

Lancelot Andrewes auch. Denn diese ersten Zeilen seiner Weihnachtserzählung sind ja beinahe modern, und das war es wohl auch, was Eliot daran gereizt hat: Last we consider the time of their coming, the season of the year. It was no summer progress. A cold coming they had of it at this time of the year, just the worst time of the year to take a journey, and specially a long journey. The ways deep, the weather sharp, the days short, the sun farthest off, in solsitio brumali, the very dead of winter. Venimus, we are come, if that be one, venimus, we are now come, come at this time, that sure is another.

Ich habe das Gedicht vor Jahren in einem Seminar über englische Lyrik kurz vor Weihnachten behandelt, das machen quer durch die Welt viele Lehrer und Dozenten so. Bei Englischlehrern und Hochschullehrern löst Weihnachten immer den Pawlovschen Reflex T.S. Eliot aus. Aber ich war mit dieser philologischen Weihnachtspflichtübung ein bisschen unzufrieden, und kontrastierte das Gedicht mit einem anderen Gedicht, das The Adoration of the Magi hieß. Das ist von ➱Andrew Hudgins, den ich in diesem Blog schon einmal vorgestellt habe. Er ist in Deutschland kaum bekannt, aber ich halte ihn für einen der interessantesten amerikanischen Dichter der Gegenwart. Nicht zuletzt, weil er einer der ganz wenigen christlichen Dichter der Gegenwart ist. Und ich möchte hier auch gerne noch einmal etwas länger über ihn schreiben. Vielleicht im nächsten April, wenn ich mich wieder dem National Poetry Month der Amerikaner anschließe und einen Monat lang nur Gedichte serviere.

Und falls ich Sie nun auf Andrew Hudgins neugierig gemacht habe - und wenn Sie gleich das Gedicht gelesen haben, werden Sie sicher neugierig sein - habe ich noch einen Literaturtip für Sie. Und der heißt The Glass Hammer: A Southern Childhood. Eine Autobiographie in Gedichten, das ist einfach großartig. Auf den ersten Blick einfach, aber dann fängt unser Gehirn an zu arbeiten. Das sind Gedichte, die man nicht so schnell wieder los wird, sie beissen sich in unserer Erinnerung fest. The Adoration of the Magi stammt nicht aus The Glass Hammer, aber sie könnte auch dort stehen.

A boy - okay, it's me - wears a fringed
blue tablecloth and fidgets as Joseph
in his church Christmas play. He watches
ten-year-old magi with false beards
hold out gold, frankincense, and myrrh.
Dear God, he's desperate to pee.
Six angels with coat-hanger wings
dance by. Their tinfoil halos tilt
and slide down on their foreheads. One,
too large, has fallen past a girl's
small nose and hangs about her neck.
She pulls it up, keeps dancing. He smirks.
And each time Mary lifts her child
its doll-eyes click open and then
clack shut when she lays Jesus down.
What's wrong with me? he thinks, despairing.
Why won't my soul expand with reverence?
He hopes no one can tell by looking at him.
The pressure in his loins makes him dizzy.
He sways. The Youth Choir warbles, Hark
the herald angels sing. The curtain drops.
And that grim boy bolts off, stage left,
one hand pressed hard into his crotch.

Eine Alltagssituation. Das könnte in diesen Tagen in jeder Kita passieren. Und doch, die Magie der Weihnachtsgeschichte entfaltet sich auch hier, transzendiert das Alltägliche. Und selbst wenn wir beim Lesen lächeln müssen, wir ertappen uns dabei, dass die Frage What's wrong with me? Why won't my soul expand with reverence? auch unsere Frage ist.

Als ich diese Gedichte damals im Seminar behandelte, waren die deutsch-deutschen Grenzbäume gerade gefallen, und wir hatten die ersten Studenten aus den neuen Bundesländern an der Uni. Die meisten kamen aus Mecklenburg-Vorpommern, semmelblonde Flachsköpfe, riesig nett, aber mit großen Defiziten im Englischen. Sie hatten keinen so guten Englischlehrer wie ihn ihr Landsmann Uwe Johnson gehabt hatte. Die sprachlichen Defizite erklären dann auch den Satz, den ein Student produzierte, als er die beiden Gedichte miteinander vergleichen sollte. That man Eliot, he is great, sagte er. Und fuhr fort: But that man Hudgins, he is real. Ich habe diesen schönen Satz Andrew Hudgins vor Monaten per E-Mail übermittelt, und er hat herzlich darüber gelacht.

Aber so naiv und unfreiwillig komisch der Satz ist, instinktiv hatte der Student etwas Wahres gesagt. Eliots Gedicht ist mit seinen Bildungszitaten und seiner Symbolik darauf angelegt, etwas Großes, Bedeutendes zu sein. Hudgins ist da mehr down to earth, auf den ersten Blick unscheinbar, alltäglich. Keine Lancelot Andrewes Zitate, keine Vorausdeutung auf die Kreuzigung (three trees on the low sky), keine Six hands at an open door dicing for pieces of silver Symbolik. Und doch sind die Weisen aus dem Morgenland da, um Jesus Christus anzubeten, auch wenn sie zehn Jahre alt sind und falsche Bärte tragen. Die Weihnachtsgeschichte wird immer wieder lebendig, auch wenn die Weihnachtskrippe von Lego oder Playmobil ist. Und auch unsere Zweifel sind immer wieder da, What's wrong with me? Why won't my soul expand with reverence? 


Mein blonder Student aus Meck-Pomm ist inzwischen Lehrer geworden. Vielleicht behandelt er in diesem Tagen Andrew Hudgins The Adoration of the Magi im Unterricht. Hudgins Gedichtband The Never-Ending (aus dem das Gedicht stammt) ist ein Zitat von Sokrates vorangestellt: If anyone asks you "what that is, of which the inherence makes the body hot", you will reply not heat (this is what I call the safe and stupid answer) but fire, a far superior answer. Das Feuer, sichtbar lodernd oder verborgen glimmend, das ist es, was die Dichtung ausmacht. So wie in den letzten Zeilen von Gerard Manley Hopkins' The Windhover: To Christ our Lord:

AND the fire that breaks from thee then, a billion
Times told lovelier, more dangerous, O my chevalier!
No wonder of it: shéer plód makes plough down sillion
Shine, and blue-bleak embers, ah my dear,
Fall, gall themselves, and gash gold-vermillion
.


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