Montag, 4. April 2011

Oliver Goldsmith


Oliver Goldsmith starb heute vor 237 Jahren. Er ist durch seinen Roman The Vicar of Wakefield berühmt geworden. Das ist, wie Literaturhistoriker sagen, eine sentimental novel. So etwas ist damals en vogue. Henry Mackenzies Roman hatte den Titel The Man of Feeling, da ist alles klar. Viele Herren aus der Oberschicht lassen sich von Gainsborough im Stil der neuen Empfindsamkeit malen. Man trägt jetzt Gefühl. Und zeigt es. Für Engländer eine erstaunliche Sache. Dieser junge Herr auf Gainsboroughs Portrait ist sicherlich a man of feeling. Wir kennen leider seinen Namen nicht - oder vielleicht doch. Im neuesten Gainsborough Katalog von 2002 (der ein ganzes Kapitel zum Thema sensibility hat) bleibt er namenlos. Aber Martin Myrone, der Kurator der Tate Gallery, identifizierte ihn 2004 als einen gewissen ➱Colonel St. George. Hätte ihm das nicht früher einfallen können? Denn immerhin war er wenige Jahre zuvor der Mitherausgeber des Gainsborough Katalogs.

Unser Offizier ist wahrscheinlich in Amerika gewesen, das Schiff im Hintergrund scheint schon auf ihn zu warten. Auf jeden Fall weiß man, dass das 4th Regiment on Foot (dessen Uniform er trägt) im Unabhängigkeitskrieg der Amerikaner gewesen ist. Ist er schwermütig, weil er in den Bruderkrieg nach Amerika geschickt wird? Oder ist er - und das ist wahrscheinlicher - nur ein reicher Dandy aus dem Kleinadel, der sich in dieser Pose gefällt? Wir können nur spekulieren.

Er war nicht dabei, als General James Wolfe in Amerika war, dafür ist er zu jung. Der Tod des General Wolfe in der Schlacht vor Quebec ist in diesem Blog schon ➱einmal erwähnt worden. Und den amerikanischen Maler Benjamin West habe ich ja schon mehrfach hier vorgestellt. Über dessen berühmtes ➱Bild will ich nicht noch einmal reden, lieber über das Bild von James Barry. Das bei dem spektakulären Erfolg von Benjamin Wests theatralischem Bild von den Zeitgenossen kaum beachtet wurde. Dabei ist dies Bild wohl wirklichkeitsgetreuer, weil es nach Augenzeugenberichten gemalt worden ist (obgleich diese Berichte alle voneinander differieren). Und es ist auch schon schönes Zeugnis der grassierenden Empfindsamkeit. Schöne junge Gentlemen in eleganten Uniformen elongiert dargestellt, die das Dahinscheiden eines der ihren beklagen, während die elegant verdrehte Figur rechts auf den glücklichen Ausgang der Schlacht zeigt.

Es gibt wohl keinen anderen General im 18. Jahrhundert (das ja nicht arm an Kriegen und Generälen  ist), der mit seinem Tod auf dem Schlachtfeld so zu einem Helden wurde. Schriftsteller, Historiker, Maler, Kupferstecher und Memoirenschreiber scheinen nur auf diesen Tod gewartet zu haben, der gleichzeitig Englands Sieg über die Franzosen im French and Indian War bedeutet. Der erste, der an diesem nationalen Erinnerungsteppich webt, ist Oliver Goldsmith mit seinem Gedicht Stanzas on the Taking of Quebec, and Death of General Wolfe, wenige Wochen nach dem Bekanntwerden des Todes von Wolfe geschrieben

AMIDST the clamour of exulting joys,
Which triumph forces from the patriot heart,
Grief dares to mingle her soul-piercing voice,
And quells the raptures which from pleasures start.
O WOLFE! to thee a streaming flood of woe,
Sighing we pay, and think e'en conquest dear;
QUEBEC in vain shall teach our breast to glow,
Whilst thy sad fate extorts the heart-wrung tear.
Alive the foe thy dreadful vigour fled,
And saw thee fall with joy-pronouncing eyes:
Yet they shall know thou conquerest, though dead--
Since from thy tomb a thousand heroes rise!

Wir können das gleich wieder vergessen, ist keine bedeutende Lyrik. Nicht so bedeutend wie Grays Elegy Written in a Country Churchyard, wo es prophetisch heißt The paths of glory lead but to the grave. Die Elegy kannte Wolfe genau, auf der Schiffsreise nach Amerika hat er sein Exemplar immer wieder annotiert. Und angeblich soll er seinen Offizieren das Gedicht vor der Schlacht vorgetragen haben. Wenn man Grays Elegy gelesen hat, weiß man, dass einen das ungeheuer aufbaut. Er soll auch gesagt haben: Gentlemen, I would rather have written that poem than take Quebec tomorrow. Ist James Wolfe gerade dabei, seinen eigenen Tod zu inszenieren? Er weiß, dass er sterben wird, er hustet nur noch Blut, die Tuberkulose frisst ihn auf.

Das Bild oben ist von Edward Penny, vier Jahre nach dem Tod von Wolfe gemalt, gleichzeitig mit dem Bild von ➱George Romney, von dem nur diese Studie erhalten ist. Von den Bildern vom Tod von James Wolfe werden natürlich eine Vielzahl von Stichen angefertigt, man könnte den Eindruck gewinnen, dass die englische Kunst jetzt nur noch ein Thema hat. Der (zu Recht) weltberühmte Kulturhistoriker Simon Schama hat sich in seinem Buch Dead Certainties auch des englischen Nationalhelden Wolfe und der Bilder angenommen. Aber so sehr ich Simon Schama schätze, der kunsthistorische Teil dieser Kapitel ist etwas dürftig. Sehr viel besser ist da der Aufsatz des amerikanischen Kunsthistorikers ➱Dennis Montagna, den Schama hätte kennen können (und sollen).

Wenn unser Gentleman mit dem trauernden Wauwi auf Gainsboroughs Bild wirklich der Fähnrich Richard St. George Mansergh ist, der in seiner Jugend ein großer Dandy war, dann ist sein Schicksal eher traurig. In der Schlacht von Germantown 1777 bekommt er eine Kugel in den Kopf, ein Chirurg trepaniert seinen Schädel und verschließt das Loch mit einer Silberplatte. Er kauft sich noch den Rang eines Colonels, verlässt dann aber doch die Armee. Für den Rest seines Lebens wird er ein Seidentuch um den Schädel tragen, wie auf diesem Portrait von Hugh Douglas Hamilton. Er versucht auf seinen Gütern in Irland eine Leinenindustrie zu etablieren, aber wir können schon seinem Gesichtsausdruck entnehmen, dass das nix wird. In der Irish Rebellion von 1798 wird er von marodierenden Bauern erschlagen.

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