Mittwoch, 4. Mai 2011

Derby


Vor 231 Jahren wurde in England das erste Derby ausgetragen. Da haben zwei adlige Gentlemen eine Münze geworfen, nach dem Sieger sollte das Rennen heißen. Wir wissen alle, dass Edward Smith-Stanley, der 12. Earl of Derby, gewonnen hat. Von Pferderennen und dem Wetten auf den Sieger sind die Engländer ja noch immer begeistert (wenn keine Pferde da sind, tun es auch rennende Hunde). Und das Derby (das die Engländer ˈdɑrbɪ aussprechen, nur die Amerikaner und die Deutschen sagen dörrbi) in Epsom gibt es immer noch. Das Pferderennen in Ascot gilt allerdings als ein größerer gesellschaftlicher Höhepunkt. Obgleich der Triumph seines Pferdes beim Derby der Höhepunkt für Lord Rosebery war. 1869 hatte man ihn in Oxford rausgeschmissen, weil er sich mehr für Pferde als für sein Studium interessierte. Damals schwor er sich, mit einem seiner Pferde das Derby zu gewinnen, eine reiche Erbin zu heiraten und englischer Premierminister zu werden. Das sind gute Vorsätze eines ehemaligen Oxfordstudenten. Er heiratete Hannah de Rothschild (die reichste Frau Englands), wurde Premierminister und gewann das Derby dreimal. Mehr kann ein Engländer im Leben nicht erreichen.

Bei beiden Veranstaltungen können Sie natürlich den morning coat tragen, aber es sollte jetzt ein grauer Zylinder sein, den man dazu trägt. Wenn die Königin in ihrer Kutsche vorbeifährt, wird der natürlich abgenommen. Die Königin Victoria ist in Ascot einmal ausgebuht worden. Das war 1839 auf dem Höhepunkt der Flora Hastings Affäre. Die junge Königin hatte ihre Hofdame verdächtigt, schwanger zu sein. Dabei war die mit Leberkrebs todkrank. Dahinter steckte eine Intrige von Victorias besten Freundinnen, der Baronin Lehzen (die Victoria aus Coburg mitgebracht hatte) und der Marquise von Tavistock (die den afternoon tea erfunden hat). Selbst als die arme Lady Flora Hastings im Sterben lag, hat sich Victoria kaltherzig gezeigt. Da wird man dann auch schon mal in Ascot ausgebuht.

Aber auch beim Derby in Epsom hat es einen Skandal gegeben. 1913 warf sich die Suffragette Emily Davison auf der Rennbahn unter das Pferd des Königs. Mehrere Pfarrer fanden das so unsportlich, dass sie ihr ein kirchliches Begräbnis verweigerten. Dem Jockey war nichts passiert, aber das Ereignis hat ihn gezeichnet. Beim Tod der Suffragette Emmeline Pankhurst legte er einen Kranz auf das Grab to do honour to the memory of Mrs Pankhurst and Miss Emily Davison.

Die Queen Mom liebte das Derby. Ist da auch niemals ausgebuht worden. Süffelte immer einen Pink Gin, egal ob ihr Pferd gewann oder nicht. Wenn man das tut, wird man auch hundert Jahre alt. Sie las auch immer die Krimis, die ihr ehemaliger Jockey ➱Dick Francis ihr verehrte. Als ich über Dick Francis schrieb, habe ich ja schon bekannt, dass ich keine Pferde mag. Die mögen mich einfach nicht.

Mein Vater mochte Pferde, vor dem Krieg ist er gerne geritten. Steht sogar in seinem Wehrpass: Reiter. Als ich klein war, hat er mich zu allen möglichen Pferdeschauen mitgeschleppt. Dank des Pferdeliebhabers Walther J. Jacobs (von Jacobs Kaffee) gab es in Bremen in der Vahr auch eine Galopprennbahn. Die gab es natürlich schon länger, der Bremer Rennverein datiert von 1857, aber nach dem Krieg wäre das ohne das Mäzenatentum von Jacobs mit dem Galopprennsport wohl nichts geworden. Heute heißen da noch Pferderennen und Preise nach Walther J. Jacobs. Nach seinem Sohn heißt eine ganze Universität Jacobs University in Bremen-Grohn. Musste natürlich ein englischer Name sein, weil man ja so international ist. Vorher war das eine ganz piefige Bundeswehrkaserne, davor eine Wehrmachtskaserne. Helmut Schmidt hat da die schönste Zeit seines Krieges verbracht. Und letztens hat mir ein pensionierter Oberst erzählt, dass er in Bremen-Grohn 1957 seinen Dienst begonnen habe: Die mochten uns da in Vegesack überhaupt nicht, die haben uns immer angepöbelt. Eines nachts, als ich auf dem Weg in die Kaserne war, haben mich drei große Kerle angegriffen und hin- und hergeschüttelt. Und einer hat gebrüllt: Ihr seid doch die teuersten Arbeitslosen der Bundesrepublik Deutschland. Ja, die Gegend ist da in Grohn nicht so fein. Aber jetzt wird sie natürlich von der Jacobs University geadelt.

Die Vahr ist ja ebenso wie Grohn ein Stadtteil, den die Bremer sonst eher meiden, gilt auch nicht als fein. Da hilft es auch nicht, dass das höchste Hochhaus der Gegend von Alvar Aalto entworfen wurde und unter Denkmalschutz steht. Aber die Vahr ist wegen der Pferderennbahn berühmt geworden. Auch sozusagen von Jacobs geadelt. Sind beim Kaffeehandel doch immer Verdienstspannen drin gewesen. Ich weiß gar nicht, warum man von den hanseatischen Kaufleuten immer von den Pfeffersäcken redet, Kaffeesäcke sollten die heißen. Ansonsten gibt es über die Vahr nicht so viel zu sagen. Außer dass hier der Borgward Traumwagen 1955 sein Ende an einem Baum fand. Am Lenkrad der Oberingenieur Fritz Hattesohl, neben ihm der Konstrukteur Erich Übelacker. Den beiden ist nichts passiert, aber das einzige Exemplar dieses bizarren Autos (Kennzeichen AE 21-0310), das in jedem Science Fiction Film eine Zierde gewesen wäre, war Schrott.

In neuerer Zeit ist die Vahr natürlich wegen des Romans Neue Vahr Süd (in dem Herr Lehmann vorkommt) berühmt geworden. Das darf nicht verschwiegen werden. Den Kultroman hat Hermine Huntgeburth, eine der besten Regisseurinnen, die wir in Deutschland haben, im letzten Jahr verfilmt. Kommen auch Pferde drin vor. Allerdings nicht auf der Vahrer Rennbahn sondern auf dem Sielwall. Und es sind keine Rennpferde, sondern Polizeipferde während der Sielwall Krawalle von 1980. Da hat man den Sielwall für den Film, wie die Presse berichtete, im Retrostil auf die 80er Jahre umgebaut. Brauchte man nicht viel zu machen, sieht da in der Gegend sowieso aus wie 1980.

Das einzig Gute, was uns (meiner Meinung nach) der Galopprennsport gebracht hat, ist eine kleine Perle der Kleinkunst von Wilhelm Bendow, in der die unsterbliche Zeile wo laufen sie denn? vorkommt. Loriot hat diesen Klassiker einmal illustriert. Klicken Sie doch hier einmal rein, mehr braucht man über Pferderennen wirklich nicht zu wissen. Die Sache mit der Perle der Kleinkunst habe ich mir nicht ausgedacht, das steht so auf meiner Wilhelm Bendow CD, die immer noch lieferbar ist.

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