Mittwoch, 8. Juni 2011

Frank Lloyd Wright


So richtig modern sieht das ja noch nicht aus, was sich der Meister der architektonischen Moderne als eigenes Haus und Studio da in Oak Park bei Chicago gebaut hat. Es sieht allerdings von jeder Seite anders aus. Dies ist noch keins von seinen Prairie Houses, die ihn berühmt machen werden. Oak Park ist eine ruhige, gutbürgerliche Gegend, ist noch kein Teil von Chicago. Viele aus der Stadt sind nach dem Brand von Chicago hierher gezogen. Auch Ernest Hemingway kommt aus Oak Park, in seiner Jugend tobten hier noch die Eichhörnchen über den Rasen. Ursprünglich gab es hier gar keine, aber Hemingways Onkel George hat die grauen Arkansas Eichhörnchen hier angesiedelt.

Oak Park ist noch sehr ländlich, die Prärie ist näher als Chicago. Hemingways Vater macht als Arzt noch Hausbesuche mit Pferd und Wagen, und sein Schwiegervater, in dessen Haus (links) Dr Hemingway mit seiner Frau nach seiner Hochzeit gezogen war, fährt jeden Morgen mit der Eisenbahn nach Chicago. Heute gibt es keine Hemingways mehr in Oak Park, aber die Eichhörnchen sind immer noch da. Sie sind geradezu eine Pest geworden. Viele ▷Häuser, die Frank Lloyd Wright in Oak Park gebaut hat, sind glücklicherweise auch noch da. Im Gegensatz zu den Eichhörnchen sind die allerdings keine Pest.

Das Geburtshaus von Ernest Hemingway hat noch nichts von der neuen Architektur an sich, die sich die Baumeister der Chicago School of Architecture jetzt ausdenken. Das hier ist architektonisch von allem etwas. Eine kleine Loggia wie aus der Südstaaten-Architektur geklaut (Herman Melville hat mit Arrowhead so etwas in klein und nennt es Piazza, dort sind die Piazza Tales entstanden). Dazu noch ein kleines Türmchen aus dem Gothic Revival, der Rest ist ▷Carpenter Gothic. Aus irgendeinem Grund nennen die Amerikaner das Queen Anne Style, klicken Sie doch mal dieses schöne ▷Beispiel aus Minnesota an.

Das Haus von Frank Lloyd Wright hat noch nicht die klaren Linien, für die er später berühmt wird, also zum Beispiel so etwas wie das ▷Robie Haus in Chicago. Sein Haus (das ständig umgebaut wird) hat wie das Hemingway Haus auch noch von allem etwas, vor allem viel aus England. Ebenso wie das Walter H. Gale Haus (links), die erste eigene Arbeit von Wright. Das könnte genauso gut in England stehen. Philip Webbs Red House (das Haus von William Morris) ist ähnlich, W.R. Lethaby baut ähnlich, von Charles Voysey ganz zu schweigen. Dies ist noch nicht der Frank Lloyd Wright, der das ▷Guggenheim Museum gebaut hat. Dieser Frank Lloyd Wright steckt noch tief im 19. Jahrhundert. Besonders in der englischen Arts and Crafts Bewegung. Das ist ja so ein umbrella term, unter dem sich die verschiedensten Kunstrichtungen finden lassen, von rückwärts gewandter Mittelalterverehrung bis zu dem coolen Design eines ▷Christopher Dresser, das seiner Zeit weit voraus ist.

Wenn Wright sein Studio in Oak Park bezieht, hat er gerade bei Adler und ▷Sullivan aufgehört. Die Zeit bei ihnen ist sicherlich für Wright prägend gewesen. Jetzt hat er ein Übergangsstudio im 12. Stock der gerade fertig gestellten Steinway Hall. In diesem Studio ist kurzfristig auch der italienische Architekt Adamo Boari tätig gewesen, der hier die ▷Nationaloper von Mexico City entworfen hat. Natürlich nicht in dem Stil, in dem Wright bauen würde, sondern in einem Stil, den Frank Lloyd Wright Renaissance Abgrund nennt. Der heißblütige Italiener (so Wright) hat für Wrights Entwürfe auch einen schönen Namen: Enthaltsamkeitsarchitektur. Wrights Freunde, eine kleine Gruppe von Architekturrebellen, die The Eighteen heißen, fragen ihn immer wieder, wie er es hinkriegt, seine Kunden zur modernen Architektur zu überreden. Hypnotisierst du sie? ist die scherzhafte Standardfrage.

Denn ein Haus wie das weiße da oben muss man um 1902 einem Bauherrn ja erstmal schmackhaft machen. Und es ist eigentlich auch nicht wirklich originell, wenn man man es mit dem Haus vergleicht, dass Charles Voysey in London (links) gebaut hat. Mehr als ein Jahrzehnt früher. Die großen Auskragungen des Daches und die Fenster, die bis an die Zimmerdecke hochgezogen sind, die so typisch für Frank Lloyd Wright zu sein scheinen, kann man längst bei Voysey (und anderen englischen Architekten) beobachten. Wenn Simon und Garfunkel in So long Frank Lloyd Wright gesungen haben Architects may come and Architects may go and Never change your point of view dann klingt das ja nett, aber Wright hat seine Ansichten über Architektur immer wieder geändert.

Das Arts and Crafts Movement ist von seinen Anfängen an in Amerika sorgfältig registriert worden, besonders in der Innenarchitektur kann man die Einflüsse sehen. Ruskins Buch The Two Paths hatte in Amerika zwischen 1859 und 1892 neunzehn Auflagen. Ab 1873 kann man in Boston William Morris Tapeten kaufen, 1897 gibt es in Boston eine American Arts and Crafts Exhibition. Und ▷Gustav Stickley wird seine Möbelproduktion aufnehmen und seine einflussreiche Zeitschrift The Craftsman auf den Markt bringen.

Frank Lloyd Wright sah den Architekten in einer neuen Rolle, als savior of the culture of modern American society; his services the mainspring of any future cultural life in America -- savior now as for all civilizations heretofore. Denn gerade in dem seelenlosen Machine Age musste seiner Meinung nach die Architektur eine neue Rolle einnehmen: Architecture being inevitably basis of an indigenous culture, American architects must become emancipators of senselessly conforming human beings imposed upon by mediocrity and imposing mediocrity upon others in this sanitary but soulless machine-age.

So schön und so richtig das alles ist, was er in A Testament sagt, was ist aus der Vision in der Realität geworden? Hat die Architektur jemals in der Praxis ihre schönen statements einlösen können? Tom Wolfe hat in seinem wunderbaren Buch ▷From Bauhaus to Our House nichts Gutes über die Päpste der modernen Architektur zu sagen. Und Prince Charles mit seinen Ansichten über die moderne Architektur wollen wir jetzt lieber nicht erwähnen. Wright hat für eine gutbetuchte Elite gebaut. So long, Frank Lloyd Wright. Für den Rest von Amerika bleibt aber nur eine seelenlose, konforme Architektur über die Malvina Reynolds ihr Lied ▷Little Boxes gesungen hat:

Little boxes on the hillside,
Little boxes made of ticky tacky,
Little boxes on the hillside,
Little boxes all the same.
There's a green one and a pink one
And a blue one and a yellow one,
And they're all made out of ticky tacky
And they all look just the same.

And the people in the houses
All went to the university,
Where they were put in boxes
And they came out all the same,
And there's doctors and lawyers,
And business executives,
And they're all made out of ticky tacky
And they all look just the same.

And they all play on the golf course
And drink their martinis dry,
And they all have pretty children
And the children go to school,
And the children go to summer camp
And then to the university,
Where they are put in boxes
And they come out all the same.

And the boys go into business
And marry and raise a family
In boxes made of ticky tacky
And they all look just the same.
There's a green one and a pink one
And a blue one and a yellow one,
And they're all made out of ticky tacky
And they all look just the same.


1 Kommentar:

  1. Danke für den (wie immer) lesenwerten Beitrag! Als Anmerkung will ich auf den Film Koyaanisqatsi hinweisen - eine kritische und und sehr sinnliche (und damit vielleicht auch widersprüchliche oder doppelbödige) Auseinandersetzung mit der Moderne und vor allem auch der modernen Architektur. Sehr eindringlich, obwohl bald 30 Jahre alt. Nils (architekturmarginal.blogspot.com)

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