Mittwoch, 14. Dezember 2011

Prince Consort


Heute vor 150 Jahren starb Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der Prinzgemahl der Königin Victoria. Sein Tod stürzte die Königin in tiefe Trauer, die schon leicht pathologische Formen annahm. Und damit meine ich nicht, dass sie beinahe bis zum Ende ihres Lebens schwarz getragen hat. Alberts Schlafzimmer blieb bis zu ihrem Lebensende unverändert. Die Bettwäsche wurde regelmäßig gewechselt, und es wurden an jedem Morgen frische Handtücher und warmes Wasser in das Zimmer gebracht. Bevor uns das nun als etwas sehr Spleeniges von Victoria erscheint, sollte man sagen, dass ein solches Benehmen in der englischen Oberklasse nicht unüblich war.

In der working class, wo man nicht so viele Zimmer im Haus hat, ist es eher unüblich. Aber auch auf die wirkt sich Victorias Trauer aus. Der Kult der schwarzen Trauerkleidung mit tausenderlei Regeln (lesen Sie doch einmal hier die Benimmregeln aus Harper's Bazar aus dem Jahre 1886), macht nur die Familie Courtauld reich, die sich mit dem Verkauf von schwarzem Krepp dumm und dösig verdienen. Arme Arbeiterfamilien macht der viktorianische Totenkult nur noch ärmer. Am Ende des Jahrhunderts wird es sogar eine Parlamentskommission geben, die die Auswüchse dieses Trauerkults zu bekämpfen sucht.

Albert von Sachsen-Coburg (und Gotha) hat lange gebraucht, bis er offiziell den Titel eines Prince Consort erhielt. Eigentlich brauchte er keinen Titel, er war Englands heimlicher König. ...it is obvious that while she has the title he is really discharging the functions of the Sovereign. He is King to all intents and purposes, schrieb Charles Greville. Albert hat der Monarchie zu einer erstaunlichen Machtstellung verholfen; er war ein geschickter Politiker, der im Hintergrund die Fäden zu ziehen verstand. Denn seien wir ehrlich, mit dem Ansehen des Königshauses stand es nicht zum Besten: unter George IV war das Königshaus zu einer Lachnummer geworden. Unter dem Seemann, der für einige Jahre als William IV auf dem Thron war, war die Monarchie auch nicht zu neuem Glanz gekommen. Und Victoria war in ihren ersten Regierungsjahren wirklich nicht beliebt in England. Die bedchamber crisis hatte ihre schlechtesten Charaktereigenschaften gezeigt.

Aber nun kommt Albert. Und alles wird anders. Die Ehe bringt Stabilität in das Leben der jungen Königin, die niemand jemals auf den Job als Königin vorbereitet hatte (außer vielleicht dem Viscount Melbourne). Und sie wird neunmal Mutter. Gott, wie sie die Schwangerschaften hasste! Aber daran gemessen, was bei Adeligen sonst so los ist, ist es eine glückliche Ehe. Die Thronfolge ist gesichert. Und wir bekommen auch noch etwas davon ab, da die Tochter Vicky die Mutter von unserem Willem II wird. Albert bringt viel Neues nach England. Zum Beispiel - darauf muss in diesen Tagen hingewiesen werden - den Tannenbaum.

Und er bringt zusammen mit Henry Cole die Weltausstellung ins Laufen, der Crystal Palace wird gebaut. Und am Ende wird daraus das Victoria & Albert Museum. Das ja jetzt von einem Deutschen geleitet wird. Wie tausende von Lesern, die den Post Homestory gelesen haben, natürlich wissen. Ein Deutscher gründet das Museum - und heute hat es einen deutschen Direktor. Eine Schlagzeile, die kaum eine englische Zeitung ausließ, als Martin Roth da Direktor wurde. Und ich weise gerne auch noch einmal auf die V&A Ausstellung in Bonn hin. Und ich kann es bei dieser Gelegenheit natürlich nicht lassen, dies schöne Bild von Henry Courtney Selous (weiter oben) von der Eröffnung der Weltausstellung zu zeigen. Weil ich dann doch noch den kleinen Gag mit dem Chinesen anbringen kann. Der da vorne, bei der rechten Figurengruppe. War gar kein chinesischer Würdenträger oder Diplomat, war Hafenarbeiter oder Dschunkenkapitän. Hatte sich da einfach reingeschummelt. Ja, das Erhabene und das Lächerliche liegen nicht weit auseinander, da hatte Napoleon schon recht.

Die Engländer tun sich schwer mit Albert. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wie anderthalb Jahrhunderte später. Sie respektieren ihn zwar, aber sie mögen ihn nicht. My praise will be impartial : for he did not fascinate, or command, or attract me through any medium but that of judgment and conscience. There was, I think, a want of freedom, nature, and movement in his demeanour, due partly to a faculty and habit of reflection that never intermitted, partly to an inexorable watchfulness over all he did and said, which produced something that was related to stillness and chillness in a manner which was notwithstanding, invariably modest, frank, and kind, even to one who had no claims upon him for the particular exhibition of such qualities, sagt William Gladstone. Der ehemalige Premierminister hat sich das gut überlegt, bevor er das schrieb, es wird schon stimmen, es gibt eine Vielzahl von ähnlichen Aussagen.

Albert ist ein aufgeklärter Prinzgemahl gewesen, er war ein gebildeter Mann. Das findet man in England seit James I im königlichen Palast nicht so häufig. Er setzt sich sogar für moderate soziale Reformen ein, Almosensozialismus hat man das später ironisch genannt. Sicherlich hat es etwas Dilettantisches an sich, wenn er Modellhäuser für Arbeiterwohnung entwirft - aber der gute Wille ist ihm nicht abzusprechen. Hier hat er sich zusammen mit der jungen Königin für ein Kostümfest verkleidet.

Die Mittelalterbegeisterung, die die Engländer im 19. Jahrhundert wie eine Seuche erfasst (man lese dazu nur Mark Girouards The Return to Camelot), hat auch bei ihm ihre Spuren hinterlassen. Auch die neue Begeisterung für Schottland: Balmoral wird zum Sommersitz der königlichen Familie, und der Designer Albert entwirft neue Tartans für Tapeten und Teppiche. Albert ist ein Förderer der Künste, und er wird dafür sorgen, dass die königlichen Kunstsammlungen endlich einmal geordnet und gepflegt werden. Das ist eine große Leistung, die aber nur von einer kleinen gebildeten Elite ästimiert wird. Engländer interessieren sich nicht so für Kunst, das Schlagwort der Epoche heißt eher Muscular Christianity.

Nach seinem Tod wird ihm Victoria ein prächtiges Mausoleum in Frogmore bauen lassen (in dem auch sie beerdigt werden wird). Es wird ein Albert Memorial geben. Es gibt heute noch einen Prince Albert Tabak für Pfeifenraucher, und natürlich heißt die Albert Hall nach ihm. Ein Kollege von mir hat mir einmal erzählt, dass er sich in London über den niedrigen Fahrpreis des Taxis zur Albert Hall gewundert hat. Der Taxifahrer hat ihm gesagt, dass sei nur so, weil er Älbert Hall gesagt hätte. Hätte er Orlbert Hall gesagt, wäre es der doppelte Fahrpreis gewesen. Soviel zur angewandten Soziolinguistik.

Er ist seinen Kindern ein guter Vater gewesen. Die größten Probleme hat er mit seinem ältesten Sohn Bertie gehabt. Den wollte er zu seinem Ebenbild erziehen, einem gebildeten, künstlerisch interessierten Thronfolger. Wir alle wissen, dass daraus nichts geworden ist. Über Albert den Prinzgemahl, dessen Leistungen immer etwas unterbewertet worden sind - es gab einfach in der Zeit zu viele Great Victorians - schrieb kein Geringerer als Benjamin Disraeli nach seinem Tod: With Prince Albert we have buried our sovereign. This German prince has governed England for 21 years with a wisdom and energy such as none of our kings has ever shown.


Das Beste, was wir an Biographien in deutscher Sprache über Albert haben ist wahrscheinlich Ein deutscher Prinz in England von Hans-Joachim Netzer (C.H. Beck 1988, Taschenbuch dtv 1992). Ganz hervorragend ist der leider vergriffene Katalog von Wilfried Rogasch Victoria & Albert. Vicky & The Kaiser: Ein Kapitel deutsch-englischer Familiengeschichte (Hatje 1997).

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