Montag, 25. Juni 2012

Englische Krimiserien


Während uns der englische Detektivroman in der Zeit des Golden Age of the Detective Novel eine Vielzahl unvergesslicher Privatdetektive bescherte, sind die Helden des Fernsehzeitalters in England fast immer beamtete Detektive. Heute haben wir Barnaby oder Lewis, die uns dank des ZDF am Sonntagabend eine nette Unterhaltung - oder in der Serie Prime Suspect mit Helen Mirren als Detective Chief Inspector Jane Tennison eine nicht so nette Unterhaltung - bescheren. Aber diese Serien haben eine Vielzahl von interessanten Vorgängern, die hierzulande nicht so bekannt sind.

Die erste BBC Serie der fünfziger Jahre, deren Folgen mit 30 Minuten noch sehr kurz waren, hieß Fabian of the Yard, (1954–1955). Sie basierte auf den Memoiren des gerade pensionierten Detective Superintendent Robert Fabian und ähnelte in vielem der einflussreichen amerikanischen Serie Dragnet. Diese amerikanische Serie war übrigens auch die Vorlage für die deutsche Stahlnetz Reihe, die mit dem Regisseur Jürgen Roland und dem Drehbuchautor Wolfgang Menge eine Vielzahl von qualitativ hervorragenden Filmen auf die Mattscheibe brachte. Das Haus an der Stör gehört sicherlich zu den Höhepunkten dieser Serie. Die Ableger von Dragnet hatten vieles gemeinsam, sie kamen als eine Art Dokumentarfilm daher, wozu auch die voice over narration beitrug, und sie basierten auf wahren Kriminalfällen, was vor jeder Sendung betont wurde.

Der nächste große Erfolg der BBC war eine Serie, die Dixon of Dock Green hieß, sie lief zwanzig Jahre lang. Im Mittelpunkt stand der Police Constable George Dixon, den die BBC aus seinem filmischen Grab geholt hatte. Denn in dem Film ➱The Blue Lamp (über den ich immer noch einmal schreiben will), war der gute Bobby George Dixon (gespielt von Jack Warner) von einem Kleinkriminellen (gespielt von ➱Dirk Bogarde) erschossen worden. The Blue Lamp und die daraus entstandene Serie waren eine romantische Verherrlichung der Figur des englischen Bobby, representative of all policemen throughout the country, steady-going, tolerant, unarmed, carrying out a multitude of duties, so die Presseverlautbarung der Filmfirma. Für den Filmkritiker der Times war das alles a bit too much of a good thing, für ihn waren es es nicht policemen as they really are but policemen as an indulgent tradition has chosen to think they are. Wir möchten unsere Fernsehpolizisten gerne nett haben, sie sind ein Teil eines nationalen Wunschdenkens, ob sie nun George Dixon oder Derrick heißen. Jack Warner spielte die Rolle des Sergeant Dixon bis er achtzig war. Viele unserer heutigen TV-Kommissare sind ja auch längst über das Pensionsalter hinaus, aber man lässt sie nicht gehen, weil das Publikum sie lieb gewonnen hat.

Der Mythos des englischen Bobby, der einsam, nur mit einer Polizeipfeife (die man immer noch kaufen kann) bewaffnet, seine Runde ging, war in den fünfziger Jahren noch ungebrochen. Die Verkörperung von Recht und Ordnung, die durch den Film The Blue Lamp und die Serie Dixon of Dock Green zementiert wurde, war noch nicht von Skandalen angekratzt. Obgleich sich die Haltung der Briten zu ihrer Polizei schon ändert. Die erste Untersuchungskommission im Jahre 1960 wird zwar noch von an overwhelming vote of confidence in the police sprechen, aber so ganz heil ist die Welt nicht mehr. Zehn Jahre später wird Scotland Yard auf einen Schlag vierhundert Beamte entlassen.

Die Metropolitan Police verdankt ihre Gründung dem Innenmister Sir Robert Peel, die ersten Polizisten nannte man Peelers. Bis sich Bobby, die Koseform von seinem Vornamen Robert, als Name durchsetzte. Diese Polizisten sind die Nachfolger jener Bow Street Runners, die die Brüder Henry und ➱Sir John Fielding in London etabliert hatten. Getreu der viktorianischen Arbeitsmoral wurden strenge Maßstäbe gesetzt: Every Police constable in the Force may hope to rise by activity, intelligence, and good conduct, to the superior stations. He must make it his study to recommend himself to notice by a diligent discharge of his duties, and strict obedience to the commands of his superiors, recollecting, that he who has been accustomed to submit to discipline, will be considered best qualified to command. Diese Sätze finden sich in den ➱Instructions der Metropolitan Police aus dem Jahre 1829, die danach beinahe wörtlich für alle Polizeikräfte in den von England beherrschten Teilen der Welt übernommen werden. Die Regeln sind streng, ein Police Constable darf zum Beispiel nicht ohne Einwilligung seines Commissioners heiraten.

Die Viktorianer haben den englischen Gentleman erfunden, und so schaffen die idealen Leitlinien von Sir Robert Peel auch eine Art Gentleman in Uniform. Der allerdings im Gegensatz zur zivilen Form des Gentleman keinen Schirm tragen darf: They are forbidden to carry sticks or umbrellas in their hands when on Duty. So ganz ideal scheinen die Kandidaten für die Police Force nicht immer gewesen zu sein, denn es gibt bei Peel häufig Sätze, die mit der Trunksucht zu tun haben. Wie zum Beispiel: On no pretence [sic] shall he enter any public house, except in the immediate execution of his Duty; such a breach of positive order will not excused: the publican himself is subject to a severe fine, for allowing him to remain in his house. No liquor of any sort, shall be taken from a publican, without paying for it at the time.

Wegen ihrer kleinen (oder größeren) Verfehlungen sind die Polizisten natürlich auch dem Spott ausgesetzt, das Magazin Punch bietet quer durch das 19. Jahrhundert immer wieder leicht übergewichtige Bobbys (Bobbies?) als Karikaturen an. Der wunderbare Cartoon da ganz unten ist aus dem 20. Jahrhundert, aber Sie sehen, was ich meine. Dieses Bild stammt natürlich aus dem Film ➱Carry On, Constable (wenn Sie sich mal einen lustigen Abend machen wollen, klicken Sie das an). Die junge Dame da rechts auf dem Bild kennen Sie bestimmt. Vielleicht in einem anderen Outfit, da ist sie ganz mit Gold angemalt und ganz tot (lesen Sie ➱hier mehr).

Die Verspottung der Polizei ist natürlich keine englische Eigenart, wir finden sie in allen Nationen. Ich liebe diese Szene aus einem ➱Sjöwall/Wahlöö Roman, wo ein Dreijähriger die Polizisten mit polis, polis, potatimos verspottet. Was zur Folge hat, dass die einfältigen Streifenpolizisten Kristiansson und Kvant den Täter entkommen lassen, um das Kind und dessen Vater zu verwarnen.

Es hat seit den ersten Tagen der neuen Londoner Polizei nicht daran gefehlt, dass ihre Taten in der Literatur verherrlicht wurden. Auch wenn es noch keine Detektivromane gibt, in denen sie die Helden sind. Aber Charles Dickens, der den Inspektor Charles Frederick Field kannte, hat ihn mit seiner Geschichte ➱On Duty with Inspector Field in die Literatur hineingeschrieben (Field, hier im Bild, wird sich später in den Inspector Bucket von Bleak House verwandeln). Daneben findet sich im 19. Jahrhundert eine Vielzahl von meist ➱sentimentalen Gedichten, die den guten englischen Bobby feiern. Und manche Polizisten dichten auch. Manche sind nur eine lokale Berühmtheit wie der policeman poet Andrew Corolan in Irland oder Matthew Andersson in Ayrshire. Manche werden weiter bekannt wie Ted Walter. Manche werden richtig berühmt, aber dann weiß niemand mehr, dass sie einmal ein Police Constable gewesen sind. Ich denke da an John Arlott.

Der Film The Blue Lamp und die daraus resultierende Serie Dixon of Dock Green sind der Schwanengesang in der Verherrlichung des britischen Bobby, die englischen Polizeiserien der sechziger Jahre werden ein realistischeres Bild der englischen Polizei zeigen. Auf langlebige Serien wie Z-CarsSoftly, Softly und die kurzlebige Serie Gideon's Way werde ich in einem anderen Post irgendwann mal eingehen, das wird sonst heute zu lang. Und wenn mich die Energie zum Schreiben nicht verlässt, gibt es dann noch einen dritten Teil über die Inspektoren Morse, Lewis und Barnaby.

P.S. Das ist eine Ankündigung gewesen, die vom Blogger schon beinahe wahr gemacht wurde. Lesen Sie auch: Endeavour, Kreuzworträtsel, Griechen, Palladio, Keep Calm and Carry On, Inspector Lewis, Inspector Barnaby und die Mode, Inspector Gently und Janker.

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