Mittwoch, 6. März 2013

La Traviata


Verdis Oper La Traviata ist heute vor 160 Jahren zum ersten Mal aufgeführt worden. Und gleich beim Publikum durchgefallen. Ich mag das Melodram auch nicht so besonders. Aber natürlich habe ich die Oper einmal in einem Opernhaus gesehen und besitze mehrere Aufnahmen. La Traviata ist auch schon häufiger hier in diesem ➱Blog erwähnt worden, so ist es ja nicht. Wer La Traviata sagt, muss auch Maria Callas sagen, das geht offensichtlich nicht anders.

Und natürlich muss diese sagenumwobene Aufführung in Lissabon vom 27. März 1958 erwähnt werden, mit Callas als Violetta Valéry und Alfredo Kraus als Alfredo Vermont. Lange Zeit gab es die überhaupt nicht auf Vinyl, bis irgendwann ein Band ➱auftauchte. Inzwischen gibt es nicht nur bessere Fassungen, es gibt sogar ein Theaterstück, das The Lisbon Traviata heißt. Ich habe seit zwanzig Jahren eine italienische Raubkopie, die mich mal zwei Mark fünzig gekostet hat. Kein Wort zur mangelhaften Aufnahmetechnik und dem hustenden Publikum. Und das Orchester, das mal laut, mal leise aus dem Lautsprecher schwappt, können Sie auch vergessen. Aber die Callas zusammen mit Alfredo Kraus: göttlich.

Sie hatte diese Rolle im gleichen Jahr in London im ➱Covent Garden gesungen, da hatte sie Caesare Valletti an ihrer Seite. Die Callas soll sehr gut gewesen sein. Über Caesare Valletti möchte ich lieber nichts sagen. Ich mag ihn nicht, ich glaube, ich habe ihn hier im Blog mal als Schmalspurtenor bezeichnet. Ich habe mich nie darüber gewundert, dass Rudolf Bing ihn 1960 an der Met gefeuert hat.

Ich weiß nicht, wie die Callas an der Seite von Ferruccio Tagliavini gewesen wäre, bei der Aufnahme von Lucia di Lammermoor waren die beiden ein Traumpaar. Doch so sehr ich für Ferruccio Tagliavini schwärme (der hier in ➱Tagliavini und ➱L'amico Fritz schon vorkam), der Alfredo ist nicht seine Rolle. Die Rolle ist aber für Alfredo Kraus, den anderen Tenore di grazia neben Tagliavini, wie geschaffen. Vielleicht komme ich ja noch einmal dazu, über diesen spanischen Gentleman zu schreiben. Meine italienische Raubpressung gibt es inzwischen auch ganz legal bei der Firma EMI. Ist aber teurer als die zweifünfzig, die ich 1992 dafür bezahlt habe.

Ich stand im obersten Rang und als Wunderlich dann sang - ich bin selten gerührt — , da war ich tief betroffen. Was man mit einer Stimme singen und ausdrücken kann! Und daß Ausdruck und Stimme zusammenkommen, das geschieht ja nicht sehr oft in der Oper, hat August Everding über die Münchener Aufführung von La Traviata 1965 gesagt. Und dieser Opernmitschnitt des Bayerischen Rundfunks (1993 bei Orfeo erschienen) wäre meine Empfehlung, bevor Sie sich die Aufnahme mit Anna Netrebko und Rolando Villazon kaufen. Die Münchener Traviata hat zwar alle Schwächen, die ein Live-Mitschnitt hat, aber sie hat auch Feuer und Leidenschaft. Teresa Stratas war 1983 in dem ➱Zeffirelli Film sicherlich gut, aber hier ist sie noch ergreifender. Man hat das Gefühl, sie singt um ihr Leben.

Ich sollte auch nicht vergessen, Hermann Prey zu erwähnen, für den die Rolle des Giorgio Vermont ein Debüt in München war. Und über Fritz Wunderlich, der als Nichtitaliener mit den größten Tenören der Welt habe konkurrieren können, der italienische Opern wie ein Italiener gesungen habe, brauche ich wohl nichts zu sagen. Das Zitat ist nicht von mir, das ist von Giuseppe Di Stefano. Und wenn Sie nur in dieses ➱Un di felice, eterea hinein hören, kann man das leicht nachvollziehen. Fritz Wunderlich hat ➱hier einen eigenen Post und ist im Blog immer ➱wieder erwähnt worden.

Als Dirigenten hatte man den dreiunddreißigjährigen Giuseppe Patanè nach München geholt, der von sich sagen konnte Ich kam in der zweiten Reihe der Loge 18 des Teatro San Carlo zur Welt. Er wird auch im Opernhaus sterben, 1989 brach er während der Aufführung von Rossinis Il barbiere di Siviglia an der Bayerischen Staatsoper in München mit einem Herzinfarkt zusammen. In dieser Aufführung von 1965 (beinahe auf den Tag genau sieben Jahre nach dem Live-Mitschnitt aus Lissabon) zeigt er, was er kann, er handhabt Verdis Drehorgel mit großer Präzision. Die Oper kennt er, er hatte gerade sein Examen am Konservatorium von Neapel gemacht, als er mit neunzehn Jahren im Teatro Mercadante La Traviata Verdis La Traviata dirigieren durfte. Mit keinem Geringeren als Beniamino Gigli als Alfredo.

Es gibt bei YouTube seit einem Monat einen ➱Mitschnitt von der Münchener Aufführung (allerdings ohne bewegte Bilder). Es gibt auch genügend Mitschnitte im Internet, von dem ➱Film von Giuseppe Patroni Griffi 2000 für das ZDF bis zur Zürcher ➱Aufführung im Hauptbahnhof. Aber wenn das Schicksal der vom Wege abgekommenen (was die Übersetzung von traviata ist) Marie Duplessis schon außerhalb des Opernhauses besungen werden muss, dann finde ich dies hier netter: ein kleiner ➱Flashmob mit dem Trinklied Libiamo ne' lieti calici in einem holländischen Kaufhaus in Amsterdam. Das ist mir lieber, als wenn dieser ➱Holländer sich an das brindisi heranmacht. Doch, was immer man auf die Bühne bringt: Violetta Valéry mag sterben, aber Verdi ist nicht totzukriegen.








Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen