Montag, 27. Mai 2013

Dashiell Hammett


Viele Leser kannten mich noch nicht, als ich im Februar 2010 den Post ➱Grabsteine schrieb. Weil der kaum gelesen wurde, stelle ich den an Dashiell Hammetts Geburtstag noch einmal hier hin. Und füge dem eine kleine Leseliste hinzu, sozusagen Dashiell Hammett für Anfänger. Nun aber zuerst einmal der Post Grabsteine:

Der Soldat William Christman ist der erste, der 1864 auf einem Friedhof begraben wird, der der nationale Heldenfriedhof Arlington sein wird. Sein Grab schaufelt ein ehemaliger Sklave namens James Parks, der vor dem Krieg hier gearbeitet hat (auch er wird hier begraben). Als James Parks hier noch Sklave war, gehörte das Land Robert E. Lee. Jetzt hat der siegreiche Norden den Park des Südstaatengenerals enteignet. Man braucht im letzten Kriegsjahr Friedhöfe, keine Parks. Hier in Arlington werden Kriegshelden und Präsidenten ihre letzte Ruhe finden. Aber auch viele Unbekannte. Und für jeden Krieg, den die USA geführt haben, gibt es ein Grab des unbekannten Soldaten.

In Arlington ist auch der amerikanische Autor von hard-boiled novels Dashiell Hammett begraben. Er hatte ein Recht darauf, der Sergeant Hammett war Veteran zweier Weltkriege. Auf dem weißen Standardstein steht Samuel D. Hammett, der Name seiner letzten Einheit, seine Lebensdaten und World War I & II. Er hatte es sich gewünscht, hier begraben zu werden. Er wollte kein feierliches Begräbnis, aber er hat doch eins bekommen. Seine Lebensgefährtin, die amerikanische Schriftstellerin Lillian Hellman, verlas eine kurze Würdigung: Dash wrote about violence but he had contempt for it and thus he had contempt for heroics... He believed in man's right to dignity and never in all the years did he play anybody's game but his own - he never lied, he never faked, he never stooped. Das letzte kann man über den Mann nicht sagen, der Hammetts Beerdigung in Arlington verhindern wollte. Der heißt J. Edgar Hoover und ist Chef des FBI. Lillian Hellman ist in den Jahren der Hexenjagd mutig gegen Hoover und den Säufer McCarthy aufgetreten, sie hat über diese Zeit in Scoundrel Time und Pentimento geschrieben. Hammett ist für seine Überzeugungen ins Gefängnis gegangen. 

J. Edgar Hoover hat ein Staatsbegräbnis bekommen, der Sarg wurde auf dem Katafalk, der Lincolns Sarg getragen hatte, zum Kongressfriedhof gebracht. Nach den Feierlichkeiten vertreibt ein Friedhofsgärtner einige Jugendliche. Lasst die Blumen da liegen, ruft er. Dies ist das Grab eines berühmten Mannes. Ihr werdet noch in der Schule von ihm hören. Ja, wir haben von ihm gehört, und je mehr wir von ihm hören, desto schlimmer wird es. Dies ist der Mann, der Martin Luther King gehasst hat. Und der selbst schwarze Vorfahren hatte. Dies ist der Mann, über den der Jurist und Bürgerrechtler Frank J. Donner 1980 sagte: Hoover forged a blueprint for American fascism. Dies ist der Mann, der öffentlich eine puritanische Sexualmoral predigt und privat in Frauenkleidern auf seinem Schreibtisch tanzt. Sein Lebensgefährte Clyde Tolson liegt nur wenige Gräber von ihm entfernt auf dem Kongressfriedhof. Hammetts Kollege Raymond Chandler wollte neben seiner Frau Cissy im Cypress View Mausoleum begraben werden, aber da sich kein Testament finden ließ, liegt er jetzt auf dem Mount Hope Friedhof in San Diego. Auf einer in den Rasen eingelassenen Steinplatte steht: In Loving Memory. Raymond Chandler. Author. Hätte er sich ein militärisches Begräbnis gewünscht, wäre der Sergeant Chandler nicht wie der Sergeant Hammett nach Arlington gekommen, sondern auf einen englischen Soldatenfriedhof. Schließlich hat er als Soldat der Gordon Highlanders einmal den Kilt dieses Regiments getragen. In Loving Memory: So behalten ihn seine Leser im Gedächtnis. Die Leser von Samuel Dashiell Hammett werden sich seiner auch immer in loving memory erinnern. Auf dem Grabstein von J. Edgar Hoover stehen diese Worte nicht.


Raymond Chandler hat in seinem Essay ➱The Simple Art of Murder (der zuerst im Dezember 1944 im Atlantic Monthly erschien und dann 1950 zum Titel einer Short Story Sammlung wurde) über seinen Kollegen Hammett gesagt:

The only reality the English detection writers knew was the conversational accent of Surbiton and Bognor Regis. If they wrote about dukes and Venetian vases, they knew no more about them out of their own experience than the well-heeled Hollywood character knows about the French Modernists that hang in his Bel-Air château or the semi-antique Chippendale-cum-cobbler’s bench that he uses for a coffee table. Hammett took murder out of the Venetian vase and dropped it into the alley; it doesn’t have to stay there forever, but it was a good idea to begin by getting as far as possible from Emily Post’s idea of how a well-bred debutante gnaws a chicken wing. He wrote at first (and almost to the end) for people with a sharp, aggressive attitude to life. They were not afraid of the seamy side of things; they lived there. Violence did not dismay them; it was right down their street.

Hammett gave murder back to the kind of people that commit it for reasons, not just to provide a corpse; and with the means at hand, not with hand-wrought duelling pistols, curare, and tropical fish. He put these people down on paper as they are, and he made them talk and think in the language they customarily used for these purposes. He had style, but his audience didn’t know it, because it was in a language not supposed to be capable of such refinements.

Hammett selbst hat von seiner hard-boiled fiction nicht so viel gehalten, sie brachte ihm Geld, das war's. Obgleich es interessant ist, all die anderen ➱Autoren zu lesen, die seit Carroll John Daly für das legendäre Black Mask Magazin schrieben, sticht Hammett doch heraus. Mein Lesetip für seine Kurzgeschichten ist The Big Knockover, herausgegeben von Lillian Hellman, hier findet sich auch das Romanfragment Tulip. Von seinen Romanen würde ich Red HarvestThe Maltese Falcon und The Glass Key empfehlen. Es gibt die Romane seit 1999 sogar schon in der Reihe der ➱Library of America (herausgegeben von Steven Marcus, 997 Seiten). Dort sind auch die ➱Crime Stories & Other Writings erschienen. Als Raymond Chandler 1995 mit zwei Bänden (➱Stories and Early Novels und ➱Later Novels and Other Writings), die über zweitausend Seiten ausmachten, in die Reihe aufgenommen wurde, zickte ➱Joyce Carol Oates im New York Review of Books noch rum. Sie war der Meinung, er gehöre nicht in den Olymp der amerikanischen Literatur. Aber das hat die Herausgeber der Library of America nicht gekümmert, sie räumten den hard-boiled writers noch mehr Platz ein und brachten die Bände ➱Crime Novels: American Noir of the 1930s and 40s und ➱Crime Novels: American Noir of the 1950s heraus.

Es gibt drei Biographien zu Hammett, die beinahe gleichzeitig erschienen: Richard Layman, Shadow Man: The Life of Dashiell Hammett (1981), William F. Nolan, Hammett: A Life at the Edge (1983) und Diane Johnson, Dashiell Hammett: A Life, 1983. Ich würde die von Diane Johnson bevorzugen, die von Lillian Hellman Zugriff auf alles Material bekommen hatte (was Layman und Nolan verwehrt blieb). Es ist sozusagen eine von der Lebensgefährtin Hammetts autorisierte Biographie. Sie hat dazu noch den Vorteil, dass sie besser geschrieben ist, Diane Johnson ist Schriftstellerin, die kann das. Und trotz all dieser Biographien, irgendwie bleibt ein Geheimnis um den Mann. He adjusted himself to beams falling, and then no more of them fell, and he adjusted himself to them not falling, heißt es in der berühmten Flitcraft Parabel in The Maltese Falcon (➱hier im Volltext).

Dashiell Hammett lohnt die Neuentdeckung. Er ist wunderbar in kleinen Details In ➱The Glass Key (hier im Volltext) findet sich die wunderbare Stelle: Ned Beaumont nodded. He was looking at the blond man's outstretched crossed ankles. He said: "You oughtn't to wear silk socks with tweeds." Madvig raised a leg straight out to look at the ankle. "No? I like the feel of silk.""Then lay off tweeds.' Seidensocken und Tweed Jacketts, das geht nun gar nicht, wir sind gewarnt. Solchen Leuten kann man nicht trauen.

Vor einem halben Jahrhundert kümmerte sich (außer Hammett Fans) noch niemand um den Schriftsteller, inzwischen wird er vermarktet. Nicht erst, seit Wim Wenders seinen Film Hammett gedreht hat. Ein Mann namens Don Herron ➱Touristentouren auf den Spuren von Dashiell Hammett (so etwas gibt es inzwischen schon weltweit für viele Schriftsteller). Ein Amerikaner namens Sean Carson hat eine Red Harvest Oper für sieben Singstimmen und sechs Instrumente geschrieben, aber die scheint noch nicht ganz fertig zu sein. Einen Dashiell Hammett ➱Cocktail gibt es auch in irgendeiner Bar. Das musste ja kommen. Ein Dashiell Hammett Cookbook gibt es noch nicht. Wird aber noch kommen. Erstaunlicherweise hat man vor zwei Jahren eine Short Story von Hammett gefunden, die noch niemand kannte. Das ist das Verdienst von ➱Andrew Gulli, dem damit etwas gelang, was die Hammett Biographen Layman und Nolan (die sich immer brüsteten, alles von Hammett zu kennen) nicht hingekriegt haben. Und ich habe heute für Sie ein Schnipselchen aus dieser Story, die So I Shot Him heißt.

Rainey screwed himself around in his chair to see us better, or to let us see him better.
I was sitting next to him, a little to the rear. Above the porch rail his profile stood out sharp against the twilight gray of the lake, though there was nothing sharp about the profile itself. It had been smoothly rounded by thirty-five or more years of comfortable living.
"I wouldn't have a dog that was cat-shy," he wound up. "What good is a dog, or a man, that's afraid of things?"
Metcalf, the engineer, agreed with his employer. I had never seen him do anything else in the three days I had known them.
"Quite right," he said. "Useless."
Rainey twisted his face farther around to look at me. His blue eyes – large and clear – had the confident glow they always wore when he talked. You only had to have him look at you once like that to understand why he was a successful promoter.

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