Freitag, 10. Mai 2013

Steppjacken


Ich wusste gar nicht, dass die beim Spiegel neuerdings auch Humor haben. Aber dann schickte mir ein Freund einen ➱Link zu einem Artikel, der Comeback der Steppjacke: Zieht euch warm an, Hipster hieß. Der Artikel ist von Daniel Haas geschrieben, der als Werbetexter angefangen hat, bevor er zu Spiegel Online kam (inzwischen ist er bei der FAZ), das erklärt vielleicht, dass er etwas vom wirklichen Leben versteht. Und nicht nur vom Leben in den Redaktionsstuben. Ich zitiere mal eben den Anfang seines schönen Artikels:

Hat der Hipster nicht schon genug kaputtgemacht? Er hat dem Fernfahrer die Basecap entwendet und dem Buchhalter die Kastenbrille. Jetzt schnappt er sich die Steppjacke - und ein elitäres Abgrenzungsmittel ist plötzlich nur noch Allerweltmode. Nun reicht's aber!
     Die Steppjacke ist wieder da. Richtig weg war sie nie, Typen wie ich haben sie getragen, Leute, die im Berliner Prenzlauer Berg ein Zeichen setzen wollten. Slacker, Hipster, Neopunks? Nicht mit mir, Freunde! Ich trage alles, was nach Upperclass, Yale-Abschluss und Ferien in den Hamptons aussieht. Ich habe so viele Karo-Hemden im Schrank, dass ich beim Anziehen morgens epileptische Anfälle kriege. Die Krokodilshaut an den Fingern? Kommt vom Button-down zuknöpfen. Budapester? Klar hab ich welche, und zwar als Hausschuhe. Alles andere wäre Laisser-faire.
     Die Steppjacke gehörte für mich zum Basisoutfit. Am besten das Modell "Liddesdale" von Barbour, in schönem Marineblau. Wenn alle wirken, als hätte man sie gerade aus dem Second-Hand-Shop gezerrt, musst du aussehen wie ein Konfirmand auf dem Weg zur Kirche. Passend zum Cordkragen kann man eine gleichfarbige Hose anziehen. Der Effekt ist ungefähr der, den man erzielt, wenn man ein Rilke-Gedicht aufsagt und im Hintergrund läuft Musik von Mozart.
     Der Hipster hat nun alles kaputtgemacht. Der Hipster kolonialisierte Moden bislang nur nach unten. Er hat dem Trucker stilistisch die Basecap entwendet, dem Buchhalter die Kastenbrille und allen Leuten, die nicht wissen, wie man eine Waschmaschine richtig bedient, das T-Shirt mit ausgeleiertem Kragen. Wenn du heute ein ehrlicher Fernfahrer bist und stolz eine dieser bescheuerten Kappen trägst, die so hoch sind, dass man auf ihnen Werbung schalten könnte, dann siehst du aus wie ein Hipster. Pass auf, sonst wirst du schneller zu einer Vernissage eingeladen, als du "Noch'n Astra, bidde" sagen kannst.

Ich kann mir das Revival der Steppjacke nicht so ganz erklären. Kommen jetzt auch noch die stinkenden Barbour Jacken wieder? Cashmere Twinsets und Perlenkettchen für junge Damen? Also diese sartoriale Melange, die in Deutschland mal unter dem Begriff Popper lief. Was ja hauptsächlich BWL- und Jurastudenten waren. Als es in England die ➱Sloane Ranger gab, gehörten Husky (ja, so heißen die Dinger im Englischen) und Barbour Jacke wie selbstverständlich zur Uniform der Wellington brigade. Was keine militärische Einheit des Herzogs von ➱Wellington war, die hießen nur so wegen der Gummistiefel. Es gibt sie in England immer noch, das sind diese Leute, die mit ihren Husky Jacken am Lenkrad eines Chelsea tractor sitzen. Ein Chelsea tractor ist ein sport utility vehicle. Das sind diese Dinger, die im Deutschen SUV heißen, gemeinhin SUFF ausgesprochen.

Wenn die Jacken auch aus England kommen, erfunden hat sie im Jahre 1965 ein Amerikaner namens Steve Guylas, der nach seiner Zeit in der US Air Force mit seiner Frau Edna nach England gezogen war. Seine Firma Husky of Tostock Ltd saß in Suffolk, aber die scheint es nicht mehr zu geben. Heute firmieren Italiener unter ➱Husky. Die legendäre Firma Belstaff gehört inzwischen ja auch schon den Italienern.

Dafür stellt die italienische Firma, die heute Belstaff vermarktet, leider nicht mehr die schönen Capalbio Jacken her. Was in dem ➱Slow Wear Blog folgende Kommentare zeitigte: Die Welt-Masse-Kunden wollen es augenscheinlich nicht anders: Stil, Qualität und Tradition gepaart mit einem Schuß Moderne sind für die meisten Fremdwörter. Die Belstaff-Show geht weiter – die Capalbio-Tradition wird begraben. Suche nach den “Schuldigen” – sicher auch die Distributeure, denen schnelles Geldverdienen das wichtigste ist. Oder: Tja, so wird es eben immer laufen…Gott sei Dank habe ich Belstaff bisher gemieden. Ich möchte nicht die gleiche Jacke tragen wie der halbe FC Bayern. Dies hier ist eine schöne Capalbio Cordjacke, die ich deshalb abbilde, weil ich sie seit Jahren trage.

In die ideologische Diskussion über den sartorialen Stellenwert der blauen (grünen) Steppjacke will ich mich nicht einmischen. Menschen, die Pferde halten, mochten diesen Jackentyp immer.  Vielleicht tragen die jetzt alle Jacken von der Firma Lavenham, weil die so etwas auch für das Pferd herstellen. Beim Fahrradfahren sind die Jacken auch praktisch, falls man kein Pferd besitzen sollte.

Wenn man in Pöseldorf oder auf dem Jungfernstieg damit herumläuft, wirkt man eigentlich nur komisch. Die Engländer haben nun einmal die feine Trennung zwischen Stadt und Land. Und wenn wir Richard Sennetts The Fall of Public Man (dt. Verfall und Ende des öffentlichen Lebens: Die Tyrannei der Intimität) lesen, wird uns klar, dass es einmal viel mehr an Unterscheidungen gegeben hat. Diese Herren tragen keine Husky Jacken, wenn irgendjemand etwas mit dem Wort country zu tun hat, dann sind natürlich sie es. Und an dieser Stelle möchte ich alle den Firmen, die in ihren bunten Prospekten mit einem landlord style werben, einmal sagen: Guckt mal ins Lexikon! Denn der landlord ist nicht ein Lord auf dem Land, sondern schlicht ein Vermieter. Intriguingly, like all smart clothes, the Husky has made its way into popular use. Just as Burberry check and Hackett shirts – once Sloane preserves – eventually ended up at football matches, so the Husky can now be seen at nightclubs and pubs across the country, schrieb vor Jahren ein Journalist im Telegraph. Klingt so ähnlich wie Der Hipster hat nun alles kaputtgemacht. Der Hipster kolonialisierte Moden bislang nur nach unten.

Der Aufschrei kommt zu spät. Wenn die Sloane Ranger den englischen Landadel (und die Royals) imitierten, mochte das ja noch durchgehen. Als die Popper und Yuppies und Pöseldorfer Schnösel das Teil trugen, war es doch schon tot. Als Christian Kracht die Barbour Jacke in seinem Roman Faserland erwähnte, war die auch tot. Was kann der Hipster dem englischen Look da heute noch anhaben? Muss man den Hipster dafür immer noch bekämpfen, wie Daniel Haas das in seinem ➱Artikel bei  Es nervt – Schluss mit dem Hipsterspuk! tut?

Ich besitze übrigens keine blaue oder grüne Barbour oder Ralph Lauren Husky Jacke. Ich habe aber eine uralte dunkelbraune italienische Mabrun Steppjacke. Die trage ich nachts, wenn ich noch mal um den Block spaziere oder einen Brief zum Briefkasten bringe. Sonst nie.

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