Samstag, 15. März 2014

John Quincy Adams


Das ist natürlich nicht John Quincy Adams, das ist der englische Schauspieler Anthony Hopkins, der John Quincy Adams in dem Film Amistad spielt. Und die schwarzen Sklaven des Schiffes vor dem amerikanischen Supreme Court in dem berühmten Fall United States v. The Amistad Africans verteidigt. John Quincy Adams ist wie sein Vater John Adams (der hat ➱hier schon einen Post) Präsident der Vereinigten Staaten gewesen. Und er hielt sich einen Alligator im Badezimmer, den ihm der Marquis de Lafayette geschenkt hat. Ich musste dieses kleine nutzlose Detail mal eben einfügen. Mein Blog lebt von diesen Dingen.

Es ist eine berühmte Familie. 1930 hat der Historiker James Truslow Adams die Familiengeschichte aufgeschrieben: The Adams Family. Hat natürlich nichts, aber auch gar nichts, mit der gleichzeitig in Amerika berühmt werdenden Addams Family zu tun. Die ist eine Erfindung des wunderbaren Zeichners Charles Addams. Der sollte hier im Blog irgendwann auch mal einen Post bekommen. Der letzte berühmte Adams ist der Historiker und Kulturphilosoph Henry Adams, dessen Buch The Education of Henry Adams früher einmal Pflichtlektüre für Amerikanisten war. Was die heute lesen, weiß ich nicht. Wahrscheinlich die Addams Family.

Aber da ist noch ein mehr oder weniger berühmter Adams, nämlich jener John Quincy Adams, der am 15. März 1933 in Wien starb. Zwei Jahrzehnte zuvor hatte er hier im Wiener Künstlerhaus neben dem Kaiser Franz Joseph gestanden. Der Vater dieses John Quincy Adams war ein gefeierter Heldentenor, der an der Wiener Oper sang. Opernsänger bedeuten damals etwas in Wien, so schreibt Stefan Zweig in Die Welt von GesternDer Ministerpräsident, der reichste Magnat konnte in Wien durch die Straßen gehen, ohne daß jemand sich umwandte; aber ein Hofschauspieler, eine Opernsängerin erkannte jede Verkäuferin und jeder Fiaker; stolz erzählten wir Knaben es uns einander, wenn wir einen von ihnen (deren Bilder, deren Autographen jeder sammelte) im Vorübergehen gesehen, und dieser fast religiöse Personenkult ging so weit, daß er sich sogar auf seine Umwelt übertrug.

Sein Vater war noch Amerikaner, John Quincy Adams, der kein Opernsänger, sondern ein Maler werden wird, ist Österreicher. Adams malt die feine Welt von gestern, wie hier Luise Eisner, die spätere Fürstin Odescalchi. Das ist die Welt, die ein anderer Österreicher in dieser Zeit, der auch gerne Maler geworden wäre, niemals sehen wird. Und die Welt jenes verhinderten Malers braucht John Quincy Adams nicht mehr zu sehen, weil er dann schon tot ist.

Adams hat an der Wiener Akademie studiert, danach ist er nach München gegangen, wo er unter anderem Schüler von dem Deutschamerikaner Carl Marr war (Carl Marr wird in dem Post ➱Frank Duveneck schon einmal erwähnt). Nach München kommt Paris, zuerst die Académie Julian (wo Edward Hoppers Lehrer ➱Robert Henri auch gewesen ist), aber dann lernte er ➱Whistler kennen. Und wollte malen wie der. Aber hätte Whistler Katinka Andrássy, die junge Gattin des Grafen Michael Károlyi, so zweidimensional plakativ gemalt?

Bei diesem Bild von 1901 könnte man schon eher einen Einfluss von Whistler annehmen. Ich bin mir mit dem Einfluss von Whistler nicht so sicher. Im Wikipedia Artikel von Adams steht zwar: Prägend wurde aber der Einfluss von James McNeill Whistler in London auf seine Malerei, doch ist das wirklich wahr? Stanley Weintraubs Whistler Biographie erwähnt Adams nicht. Lediglich Margarethe Poch-Kalous betont in ihrem Aufsatz John Quincy Adams – ein vergessener Wiener Maler in Alte und moderne Kunst (1975) diesen Einfluss.

Die Gräfin Katinka Andrássy, die man eines Tages im Londoner Exil The Red Countess nennen wird, ist sicherlich eine schöne Frau gewesen. Manche Zeitgenossen hielten sie für die schönste Frau Europas. Hier ist sie von Andre Kertesz photographiert (der sie mehrfach photographiert hat), da sind wir schon in einem anderen Jahrzehnt. Das k.u.k. Reich ist zerbrochen, ihr Gatte ist nicht mehr Präsident von Ungarn. Das Kennzeichen des Aristokraten ist vor allem anderen der Gleichmut, wie es so schön in Joseph Roths Kapuzinergruft heißt. Sie hat lange gelebt (und sah auch auf allen Photos, die im Alter von ihr gemacht wurden, noch gut aus), vielleicht hat sie sogar 1985 noch den Film gesehen, der über sie gedreht worden war.

Da wird sie von der ungarischen Schauspielerin Juli Básti (Bild) gespielt. Für einen Film ist das Leben der Stieftochter des Grafen Tivadar Andrássy reich genug. Aus der k.u.k. Monarchie in die Zirkel von Vita Sackville-West und Violet Trefusis, dann nach dem Zweiten Weltkrieg wieder kurz in den Károly Palast in Budapest (ich lasse, hier mal ein Bild weg, da ich nicht weiß, welcher der drei Paläste der Károlys in Budapest das war). Die Kommunisten hatten den ersten ungarischen Präsidenten nicht vergessen, der 1918 in der Landreform die ungarischen Magnaten enteignet hatte. Also stellt man dem Ehepaar die Paläste der Károlys und Andrássys wieder zur Verfügung, angeblich sollen sogar die alten Bediensteten zurückgekommen sein.

Es wäre ja nicht nur genügend Stoff für einen Film, die Geschichte von Michael Károlyi und Katinka Andrássy würde sicher auch für einen dicken Roman reichen. Joseph Roth wäre der richtige Autor für diesen Roman gewesen. Manchmal hat man bei der Betrachtung von Biographien aus dem k.u.k Österreich-Ungarn das Gefühl, das alle Aristokraten sich so inszenieren, als seien sie die Hauptfiguren eines Joseph Roth Romans. Österreich-Ungarn, das war jenes Stück Land, das der liebe Gott Kaiser Franz Joseph anvertraut hatte, heißt es in Radetzkymarsch.

Wenn Sie jetzt das Gefühl haben, dass ich eine gewisse Sympathie für diese Welt und ihre Maler habe, kann ich das nicht leugnen. Ich hatte einmal eine schwere Joseph Roth Phase (die ➱Schnitzler Phase gar nicht zu erwähnen), und ich liebe Joseph Roth immer noch. Er ist einer von denen, die eine Gesellschaft im Sterben beschreiben - was häufig zu den großartigsten Romanen der Weltliteratur führt. Meine Beispiele (ohne Joseph Roth) für diese kleine Theorie des Untergangs in der Literatur wären ➱Joseph Conrad, der die sterbende Welt der Segelschiffe beschreibt, ➱Marcel Proust, der uns die untergehende Pariser Gesellschaft vor Augen führt. Und natürlich ➱William Faulkner, der uns die zum Untergang bestimmte Welt der Südstaaten Großgrundbesitzer zeigt.

Das Bild oben ist nicht von John Quincy Adams, es ist Lady Helen Vincent, die Viscountess D'Abernon, gemalt von John Singer Sargent. Und da ist malerisch doch schon ein Unterschied zu der Kunst von John Quincy Adams. Dies Photo zeigt den Maler der Wiener Gesellschaft in seinem Atelier, wir können an der Innenarchitektur sehen, dass die Moderne schon ihren Einzug in sein Studio gehalten hat. Obwohl er einen Teil seiner Jugend in Amerika verbracht hatte, liebte dieser Österreicher mit dem amerikanischen Namen sein Österreich. Österreich ist kein Staat, keine Heimat, keine Nation. Es ist eine Religion, sagt der Graf Chojnicki in der Kapuzinergruft. Das könnte auch von Adams, diesem Österreicher der ersten Generation sein. Während des Ersten Weltkrieges gehört Adams der Kunstgruppe des k.u.k. Kriegspressequartiers an, er malt Generäle wie Eduard Freiherr von Böhm-Ermolli oder Ignaz von Korda, malt patriotische Plakate und malt auf allen Kriegsschauplätzen der österreichischen Armee.

Die Sommer verbrachte der Maler im Salzkammergut, wo er auch eine Segelyacht an einem See liegen hatte (ich weiß jetzt nicht, ob er seinem Bostoner Namensvetter, der ein berühmter Yachtsegler war, nacheifern will). Er malte auch - für einen Salonmaler eigentlich untypisch - Alpenlandschaften. Dafür habe ich leider kein Beispiel, da nehmen wir mal eben diese Photographie und nehmen an, dass auf dem Bild von dieser Nixe am Fluss auch die Alpen mit drauf sein werden. Und da ich schon bei kaum bekleideten jungen Frauen in Wassernähe bin, sollte ich vielleicht sagen: Sie könnten jetzt mal eben den Post ➱Meerjungfrauen+Waldnixen lesen.

Ich weiß nicht, ob der Maler John Quincy Adams wirklich so werden wollte wie Whistler. Vielleicht wollte er eher so werden wie die Maler ➱John Singer Sargent, ➱Anders Zorn oder ➱William Merritt Chase (um einmal seine berühmteren Konkurrenten zu nennen). Die Klientele aus der Welt der Schönen und Reichen hat er wie sie - oder wie einst Franz Xaver Winterhalter (der hat ➱hier einen Post) - auf jeden Fall gehabt. Dafür klebt man ihm heute das Etikett Salonmaler auf, an Whistler, Sargent oder Zorn bleibt das nicht kleben. Adams malt nicht nur die feine Gesellschaft von Wien und Budapest. 1908 malt er den Fürsten Johann II von Liechtenstein und er portraitiert den Kaiser Franz Joseph, als der fünfundachtzig wird. Adams' Tochter Harrriet wird einen Grafen Walderdorff heiraten, mit dem zusammen sie 1939 das Hotel Goldener Hirsch in Salzburg kauft.

Ab 1948 leitet sie das ➱Hotel selbst und macht es zu der ersten Adresse von Österreich. 1954 kam noch das Schloss Fuschl (in dem einst Ribbentrop residierte) dazu, in dem sie ein ein Restaurant einrichtete. Sie hat ihr Leben mit dem Hotel Goldener Hirsch aufgeschrieben, erfreulicherweise ganz ohne name-dropping. Kein Geringerer als Herbert von Karajan hat dann das Vorwort zu dem charmanten Buch geschrieben.

Mit diesem Bild verlassen wir Wien, bleiben aber in der Welt der Reichen. Dies ist das Haus von William Stuart Spaulding in Beverly (Massachusetts). Der Harvard Absolvent aus Boston hatte zusammen mit seinem Bruder John ein Zuckerimperium geerbt. Er ist nicht nur Geschäftsmann, er ist auch Kunstsammler. Und dank seiner Zuwendungen kann das Museum of Fine Arts in Boston Degas, Cezanne, Van Gogh und Matisse kaufen. Und amerikanische Maler wie ➱Edward Hopper und ➱Winslow Homer.

Und von wem lässt sich der Millionär malen? Natürlich von niemand anderem als John Quincy Adams. Der malt ihn in dem schicken Blazer des Boston Tennis and Racquet Club. Vielleicht neben dem Bild von Louise Eisner eins der besten Bilder von Adams. Es ist vor Jahren auf der Auktion von Sothebys für 9.000 Euro verkauft worden. Da kam die ganze Kunstsammlung des Sohns von William Stuart Spaulding (der eine Erbin aus dem Maggi Imperium geheiratet hatte), unter dem ➱Hammer. Der schöne Satz von Bismarck stimmt beinahe immer: Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt vollends.

Von dem gefeierten Salonmaler mit dem Namen eines amerikanischen Präsidenten ist außer dem imposanten Grabmal auf dem Wiener Zentralfriedhof nicht viel geblieben. Seine Gemälde stoßen auf Auktionen auf keine große Begeisterung, für drei- bis viertausend Euro kann man einen John Quincy Adams bekommen. Was man wohl nicht mehr bekommt, ist der Katalog Wiener Gesellschaft im Portrait: Der Maler John Quincy Adams der Wiener Akademie der Künste aus dem Jahre 1986. Es genügt ja, dass ich ihn habe. Wie man an die 930-seitige Wiener Diplomarbeit von Alexandra Peyrer-Heimstätt Der Wiener Maler John Quincy Adams herankommt, das weiß ich allerdings auch nicht.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen