Dienstag, 12. Januar 2010

Generäle


Eigentlich mag Abraham Lincoln sie nicht. Er notiert auf einem Truppenbericht, wonach man so und soviel Generäle und so und soviel Pferde verloren habe, dass es schade um die Pferde sei. I can make more generals but horses cost money. Das sind noch mal Prioritäten. Der erste Oberkommandierende, mit dem Lincoln beim Kriegsausbruch zu tun hat, heißt Winfield Scott. Der ist ein Held. Der erste Dreisternegeneral seit Washington. Niemand ist jemals länger in der US Army gewesen als er. Schon vor einem halben Jahrhundert war er dabei, in dem Krieg von 1812, als die Engländer das Weiße Haus niederbrannten. Aber jetzt geht er auf die 80 zu (der Fürst Pückler ist noch mit 81 als Titular-General beim Krieg der Preußen gegen Österreich gewesen) und schläft ständig in Kabinettssitzungen ein. Er ist auch furchtbar fett geworden, aber er ist als Militär nicht dumm. Er glaubt entgegen der allgemeinen Meinung nicht an einen schnellen militärischen Sieg. Er präsentiert Lincoln den Anaconda Plan, eine Einschnürung des Südens. Die Presse macht ihn lächerlich. Einmal die 130 Kilometer von Washington nach Richmond marschieren, und der Krieg ist zu Ende. Zur ersten Schlacht von Bull Run fahren die Leute noch mit der Kutsche von Washington zum Schlachtfeld. Um wenig später in panischer Flucht die Straßen zu versperren, auf denen die Armee des Nordens flieht. Man wird später, ein wenig kleinlaut, auf den Anaconda Plan zurückkommen.

Lincoln hatte Robert E. Lee den Oberbefehl angeboten, aber der Mann aus Virginia hatte höflich abgelehnt. Der Süden macht ihn zum Dreisternegeneral, aber diese Uniform wird Lee kaum tragen. Massa Robert trägt die Uniform eines Colonels der provisorischen Südstaatenarmee. Der Süden hat Dreisternegeneräle, der Norden ist nicht so spendabel, da kriegt man nur zwei Sterne. Lincoln macht George McClellan zum Oberkommandierenden. Der steht gerne vor dem Spiegel und bewundert sich in seiner Uniform. Er kann auch gut organisieren und eine Armee aufbauen, aber vor einer Schlacht, da hat er Angst. Das weiß Robert E. Lee und seine Virginia Armee wird viele Schlachten gewinnen. Irgendwann wird Lincoln McClellan feuern, aber mit den Nachfolgern Burnside und Hooker hat er auch kein Glück. Burnside wird berühmt für seine buschigen Koteletten, die heute noch sideburns heißen. Nach Hooker sind angeblich Huren hookers genannt worden. Das stimmt nicht ganz, aber der trinkfreudige Hooker hat sehr viele hookers in seinem Camp. McClellan kandidiert bei der nächsten Wahl gegen Lincoln, aber auch da wird er verlieren.

Zu Ende des Krieges kommt Lincoln auf Ulysses S. Grant. Der soll auch ein Trinker sein, aber Lincoln sagt nur Tell me what brand of whiskey that Grant drinks. I would like to send a barrel of it to my other generals. Der Kongress spendiert Grant einen dritten Stern. Ein Jahrhundert später wird man Generälen vier und fünf Sterne verleihen. Und der Kongress wird am 15. März 1978 George Washington nachträglich zum General of the Army befördern, somit bleibt er wegen seines über zweihundertjährigen Dienstalters an der Spitze der Rangliste. Grant wird für den Norden den Krieg gewinnen, aber mit welchen Mitteln. Den preußischen Generalstabschef von Moltke erinnerte der Krieg an die Scharmützel von bewaffneten Pöbelhaufen. Es ist der erste totale Krieg, von der militärischen Finesse, mit der die Südstaatengeneräle ihre ersten Schlachten gewannen, ist nichts mehr zu spüren. Für Mrs. Lincoln ist Grant nur ein Schlachter, der bedenkenlos das Leben seiner Soldaten opfert.

Am 9. April 1865 wird Robert E. Lee in Paradeuniform gegenüber Ulysses S. Grant kapitulieren. Grant trägt die Uniform eines einfachen Soldaten, da wird man als General nicht so schnell erschossen. Es ist noch Stroh von der Scheune, in der Grant zuvor geschlafen hatte, an der Uniform. I must have contrasted strangely with a man so handsomely dressed, six feet high and of faultless form, wird Grant später schreiben. Man unterzeichnet die Kapitulationsurkunde im Wohnzimmer des Farmers McLean in Appomattox Court House. Wilmer McLean hatte zuvor in Manassas gewohnt, da wo die erste Schlacht des Bürgerkrieges begann. Er kann sagen, dass der Krieg in seinem Vorgarten begann und in seinem Wohnzimmer endete. Die Nordstaatengeneräle, die bei der Kapitulation anwesend sind, kaufen Wilmer McLean seine ganze Wohnzimmereinrichtung ab, um ein Souvenir dieses Tages zu haben. Robert E. Lees Grundbesitz in Virginia wird 1864 enteignet und wird zum Nationalfriedhof Arlington, der Familie Lees wird zwanzig Jahre später eine Entschädigung von 150.000 $ zugesprochen.

Der General Joshua Lawrence Chamberlain wird die offizielle Kapitulationszeremonie leiten. Chamberlain ist ein gebildeter Mann, Professor am Bowdoin College. In ➱Gettysburg war er als Verteidiger eines Hügels, der Little Round Top heißt, berühmt geworden. Nach dem Krieg wird er Präsident von Bowdoin werden und zum Entsetzen der Studenten eine strenges militärisches Reglement einführen. Bei der Kapitulation behandelt er die Südstaatentruppen mit allen militärischen Ehren, was ihm im Norden viel Kritik einbringt. Der Süden hält ihn für den ritterlichsten Nordstaatengeneral. Mit der chivalry haben sie es ja im Süden, wo alle Generäle ritterliche Gentlemen sind. Mark Twain hat etwas gehässig gesagt, dass Sir Walter Scott am amerikanischen Bürgerkrieg schuld sei. Vielleicht hatte er damit gar nicht Unrecht. George Edward Pickett ist am stärksten von der Scott Lektüre beeinflusst, er soll ausgesehen haben wie eine Kreuzung aus einem Sir Walter Scott Helden und einem Mississsippi gambler. Er wird am dritten Tag von Gettysburg Picketts Charge anführen, den zu einem Mythos gewordenen letzten großen Angriff des Südens in offener Schlacht. Wenn ihm Lee nach dem Blutbad befiehlt, sich mit seiner Division auf einen Gegenangriff vorzubereiten, soll er gesagt haben: General Lee, I have no division. Er hat Lee danach immer gehasst.

6 Kommentare:

  1. So, jetzt werde ich mal gehässig. Gut ist, dass ich endlich den Post (die Post?) gefunden habe, in der Ulysses "Sam" Grant auftaucht. Weiter oben, das heist vor Stunden in einem späteren Text als diesem hier, hab ich mich ja geäußert. Auch zu Kutusow. Aber das gehört nicht hier her.
    Hierher gehört, dass man die Infos alle durch Filme gucken erhalten erhalten. SWORDS AND GENERALS zum Beispiel und gleich darauf GETTYSBURG. Etwas kitschiger aber interessant ist John JAKES, der Verfasser von FACKELN IM STURM. In einem der letzten Teile wird *Gen. Gerorge Hazard (der ist fiktiv) zu **Gen. Grant gesendet und richtet diesem des Präsidenten Wunsch auf Befehlsübernahme aus. Danach trinken beide Apfelwein auf Feldstühlen. Welch ein Besäufnis...
    In GETTYSBURG ruft Robert seinen Soldaten nach verlorener Schlacht sinngemäß zu: Mea culpa, mea culpa... Weil die kein Latein können (ich auch nicht) ruft er das in englisch. Kurz nach Picketts "...I have no Division!"
    Auch Col. CHAMBERLAIN ist durch die Little Round Tops aus GETTYSBURG bekannt. Der Film war einfach Klasse. Das der Professor für Rethorik dafür General wurde, steht im Lexikon oder bei wiki ;), im Film wird er das noch nicht.
    Eigentlich fehlt hier ein Exkurs zu Gen. Jackson Stonewall, aber ich will es nicht übertreiben.
    Ach ja: "I can make more generals..." Das nehm ich als die Erkenntnis des heutigen Abends mit und werde mir schleunigst und endlich den neuen LINCOLN bei Maxdome ansehen.
    Viele Grüße aus Brühl von einem sächsischen Mecklenburger.

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  2. Ich finde den Film "Gettysburg" auch sehr gut. Es ist eine Romanverfilmung eines ganz vorzüglichen Roman (mehr dazu im Post Gettysburg am 3.7.2010). Auch Sam Elliott (der in dem Film den General Buford spielt) ist hier schon erwähnt worden (9.8.2011). Von Spielbergs "Lincoln" halte ich nichts, aber jetzt ist es wohl zu spät, Sie vom Kinobesuch abzuhalten.

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    1. Ist das THE KILLER ANGELS von Shaara?

      PS: Was muss ich machen, dass ich Antworten auf meine Kommentare automatisch mitgeteilt bekomme?

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    2. Ja, 'The Killer Angels' ist von Michael Shaara (wird im Post Gettysburg besprochen). Die Frage im P.S. kann ich leider nicht beantworten, ich weiß da auch keine Hilfe.

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  3. In Wirklichkeit habe ich doch noch nicht nach dem Film "gegriffen". Allerdings macht mich Ihre Ablehnung erst recht neugierig.
    Aber zum Buch: Lohnt es sich, den Roman zu lesen? Der Film hat ja wirklich viel erzählt.

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  4. Ich habe Ihren Ratschlag natürlich nicht nicht berücksichtigt und mir vorhin den Spielbergfilm genehmigt. 3,99 € als Video on Demand bei maxdome.de.
    Es ist halt nicht so einfach mit der Befreiung der Sklaven. Interessant war er auf jeden Fall, aber für weniger Geschichtsinteressierte bestimmt ermüdend.

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