Freitag, 30. April 2010

Louisiana Purchase


Oben hat noch jemand in Klammern Original dazu geschrieben, auf diesen Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der französischen Republik, der am heutigen Tag vor 207 Jahren in Paris unterschrieben wurde. Der größte Grundstücksdeal in der Geschichte, nicht nur der amerikanischen. Immobilienmakler kriegen einen Herzinfarkt, wenn sie ausrechnen, wie billig ein Quadratkilometer Amerika damals war (sieben Dollar). Für den heutigen Wert von 250 Millionen Dollar bekommt Thomas Jefferson über zwei Millionen Quadratkilometer von Amerika. Eigentlich wollte er ja nur New Orleans kaufen, aber plötzlich ist dieser Deal auf dem Tisch. Da kann Jefferson nicht nein sagen, auch wenn er den Kongress nicht gefragt hat. Der erfährt das erst am 4. Juli, dem Nationalfeiertag. Für Napoleon bedeutet das Ganze, dass er jetzt viel Geld hat und die Österreicher, Preußen und Russen schlagen kann. Und dass der neue Teil von Amerika jetzt eine Pufferzone gegen die Engländer ist, denn ganz im Westen, da haben die Engländer Gebietsansprüche, Oregon gehört ihnen noch.

Der Rest gehört Spanien. Nicht mehr lange, die neue Nation, die neuerdings an so etwas wie Manifest Destiny glaubt, wird sich immer weiter nach Westen ausbreiten. Der englische König George III hatte im 18. Jahrhundert gesagt: nicht über die Appalachen, die Indianer brauchen auch ihren Raum. Er ist der einzige englische König, der sich nominell um die Indianer sorgt. Aber schon vor dem French and Indian War sind die ersten Siedler über die Blue Ridge Mountains und die Alleghenies hinweg. Und wenn ihnen Daniel Boone dann den Weg durch das Cumberland Gap zeigt, sind sie kaum mehr aufzuhalten. Doch was da westlich vom Mississippi ist, das kennen nur die französischen voyageurs. Das muss man erforschen. Und so schickt Jefferson zwei Armeeoffiziere, Meriwether Lewis und William Clark, auf eine Expedition, die sie bis zum Pazifik führt. Ihre Tagebücher und alles, was sie aufgezeichnet haben, sind noch heute eine spannende Lektüre. Aufzeichnungen aus einem Amerika, das es so wenig später nicht mehr geben wird. Captain Meriwether Lewis, der zuvor der Privatsekretär von Jefferson war, wird der erste Gouverneur des neuen Louisiana Territoriums. Aber da hat er schon angefangen zu saufen. War es die jahrelange Einsamkeit in dem virgin land? Ist es, weil ihn alle Frauen abblitzen lassen? Depressiv war er schon immer, William Clark mit seiner ständigen guten Laune ist das Gegenbild zu seinem morosen Kompagnon. Lewis kommt immer mehr herunter, kümmert sich nicht mehr um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Expedition. Nach Washington zurückgerufen, stirbt er unter ungeklärten Umständen (Selbstmord? Mord?) in einem Gasthof in der Wildnis von Tennessee. Seine Tagebücher der ersten elf Monate der Expedition sind nie aufgetaucht.

Meriwether Lewis, der Sohn der Nachbarn von Jefferson, wurde für Jefferson eine Art Ziehsohn. Der melancholische Romantiker war eigentlich der falsche Mann für die Aufgabe, obgleich Jefferson die größten Hoffnungen in ihn setzte. William Clarke, der nicht aus den First Families of Virginia stammt, der nicht so gebildet ist wie Lewis und nicht so schön schreiben kann, ist in seiner lapidaren Art  für das Tagebuch der neuen Welt vielleicht viel besser geeignet. Schreibt ein einfaches Englisch, räsoniert nicht über sublime and beautiful. Wird auch nicht irrtümlich von den eigenen Leuten für einen Elch gehalten und angeschossen wie Lewis.

Der National Poetry Month in den USA geht heute zu Ende. Mein kleines Experiment, den Leser jeden Tag mit einem Gedicht zu traktieren, auch. Das heutige Gedicht heißt Louisiana Purchase und stammt von dem amerikanischen Dichter Charlie Smith:

Who knows but that Meriwether Lewis's
lost diaries might turn up yet
packed in a can in some cramped ex-midden
dug up a thousand years from now,
that elegant, exfoliate style
continue on up the Missouri, into sadness
and disrepute, the suicide in a hotel in Tennessee
no more important now than the bundle
of grasses my friend made out in the woods
yesterday and gave me after a meeting
in which she confessed she's afraid of everything
that's coming. The past I don't mind, she said
and laughed as if that was something.

Die achtbändige Ausgabe der Journals of Lewis and Clark werden wohl nur Fachgelehrte lesen, aber es gibt eine schöne Auswahl (immerhin noch 500 Seiten stark) von Frank Bergon. 1904 organisiert man in St. Louis eine Weltausstellung, zur Hundertjahrfeier des Louisiana Purchase. Aber das ist nur noch Zirkus und Remmidemmi, von dem ursprünglichen Westen, wie ihn Lewis und Clark kennengelernt und beschrieben haben, ist da nichts mehr übrig.

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