Sonntag, 16. Mai 2010

Gulda


Heute vor achtzig Jahren wurde der Pianist Friedrich Gulda geboren, vor zehn Jahren ist er gestorben, da hatte er sich schon von der klassischen Musik abgewandt. Hatte seltsame Kostüme getragen und seltsamen Jazz gemacht, ist auch im Birdland aufgetreten. Mit dem Konzertbetrieb war er fertig. Jazzmusiker können selten klassische Musik spielen, Keith Jarretts Mozart ist ein trauriger Beweis dieses Satzes, und klassische Pianisten sollten die Finger vom Jazz lassen.

Als die Zeitungen etwas voreilig 1999 seinen Tod meldeten, ist er mit einem musikalischen Auferstehungsfest auf die Bühne gekommen, mit Go-Go-Girls. In dem Roman Der Untergeher hat Thomas Bernhard  Glenn Gould (beinahe gleichaltrig mit Gulda) verherrlicht. Für Gulda (und Brendel) hat er nur Schmäh übrig. Schmäh kann Bernhard gut, sein Werk besteht beinahe nur aus Schmäh. Für die Stadt Bremen hatte er auch nur Schmäh übrig, als man ihn mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet hatte. Darüber hat er in Meine Preise geschrieben. Dabei war er finanziell pleite und hätte eher dankbar sein sollen. Aber nicht Thomas Bernhard, dieser opportunistische Kaffeehaus-Schreihals, wie Maxim Biller ihn genannt hat. Friedrich Gulda, der auch ein Meister des Wiener Schmäh war, hat sicher mit dem Schmäh von Thomas Bernhard leben können.

Aber Klavierspielen, das konnte das enfant terrible der Konzertszene schon. Anders als Glenn Gould, aber manchmal perfekt. Beinahe alles, was er in einem Konzert oder in einem Studio gespielt hat, gibt es heute noch zu kaufen. Ewiger Vorrat klassischer Musik auf Langspielplatten hieß 1960 ein Buchtitel bei Rowohlt. Und das ist wirklich eine der Segnungen der Technik, das man heute beinahe alles sorgfältig restauriert (und zum Leidwesen mancher Musikfreunde digitalisiert) noch kaufen kann. Nach Guldas Tod hat man noch Bänder von einer unveröffentlichten Mozart Aufnahme gefunden, die von der Deutschen Grammophon als Friedrich Gulda's Sensational Mozart angekündigt wurden. Aber man verpasst nichts, wenn man die nicht kauft. So sensationell sind die elf Sonaten und die Fantasie (KV 475) nun auch wieder nicht.

So gut sein Beethoven ist, so gut sein Mozart ist (vor allem die Klavierkonzerte bei Philips mit Claudio Abbado), sensationell war und bleibt seine Aufnahme von Bachs Wohltemperierten Klavier (Philips 1972 und 1973). Auch wenn man eher für Glenn Gould (1963 CBS/Sony)  oder Rosalyn Tureck (1952-1953 Deutsche Grammophon 1999) schwärmt. Guldas Bach perlt und swingt, hat manchmal beinahe etwas von Jacques Loussier. Und ist nach beinahe vierzig Jahren immer noch frisch und neu. Die Aufnahme von Philips gibt es bei Amazon ab 5,95 € (Buch I) und 7,77 € (Buch II).

Ich würde sagen, das Elend der Welt abzubilden, ist nicht genug. Der Künstler muß sich bemühen, einen Ausweg zu finden, hat er 1989 in einem Interview in der Zeit gesagt. Dieser Bach lässt uns das Elend der Welt vergessen. Die klägliche Niederlage von Werder Bremen gestern auch.

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