Mittwoch, 7. Juli 2010

Adolph Bermpohl



Die Bremischen Biographien des 19. Jahrhunderts kennen seinen Namen nicht, und auch das notorisch unzuverlässige Große Bremen-Lexikon von Herbert Schwarzwälder kennt ihn erst im Ergänzungsband. Für den Lokalhistoriker Diedrich Steilen war der Navigationslehrer Adolph Bermpohl in seiner Geschichte der bremischen Hafenstadt Vegesack selbstverständlich ein wichtiger Mann. Bermpohl ist heute vor 123 Jahren gestorben, aber seinen Namen kennen heute nur noch Schiffsmodellbauer.

In dem Kaff, aus dem ich komme, kannte ihn damals jeder. Weil man damals an der Volksschule noch einen richtigen Unterricht in Heimatkunde bekam, in dem man alles über den Heimatort erfuhr. Ich will jetzt lieber nicht darüber nachdenken, was man heute in dem Schulgebäude lernt. Tja, früher war alles anders. Ich soll nicht immer früher sagen, bekomme ich von Freunden zu hören. Und vor allem nicht früher war alles anders. Das sind aber die gleichen Leute, die mir ein Abo von The Oldie zum Geburtstag schenken. Hier schwimmt der nach Adolph Bermpohl benannte Rettungskreuzer gerade vor der Vegesacker Strandlust auf der Weser.

Adolph Bermpohl wurde 1833 in Gütersloh geboren, und seine Eltern hätten das gerne gesehen, wenn er Pfarrer geworden wäre. Aber 1848 im Revolutionsjahr, da ist er mit fünfzehn von zu Hause weg und meldet sich freiwillig zu der Flotte des Deutschen Bundes, die der Admiral Brommy kommandiert. Als die Flotte aufgelöst wird, macht er eine richtige nautische Ausbildung durch und bringt es bis zum Obersteuermann. 1859 wird der Navigationslehrer Bermpohl Leiter der privaten Seefahrtsschule in Vegesack. Ein Jahr später erlässt er einen flammenden Aufruf zu Beiträgen für Errichtung von Rettungsstationen auf den deutschen Inseln der Nordsee. Da war kurz zuvor eine Brigg bei Borkum gestrandet, deren Passagiere man hätte retten können, wenn eine Ausrüstung dafür da gewesen wäre. Die Inselbewohner sind an der Rettung nicht interessiert, denn dank des sogenannten Strandrechts gehört alles ihnen, was von den zahlreichen Havaristen an Land geschwemmt wird. Die Ostfriesen kommen auch in Bermpohls Aufruf nicht gut weg:

Während die Ufer der meisten zivilisierten Staaten... den mit der Wut der Elemente Kämpfenden durch Rettungsstationen wenigstens die Möglichkeit einer Hilfe vor dem Äußersten bieten, bringen die deutschen Ufer dem Schiffbrüchigen nicht nur keine Hilfe, sondern dieser ist, selbst wenn sein Leben gerettet werden könnte, zu sehen genötigt, wie einzelne entmenschte Inselbewohner seinen Tod wünschen, um in erbärmlicher Habsucht das sogenannte Strandrecht ausüben zu können! Sprich, sie lassen die Schiffbrüchigen am Strand sterben, um die Leichen fleddern zu können. So ähnlich wie in Daphne du Mauriers Roman Jamaica Inn.

Bermpohl wird jetzt von Vegesack aus einen Artikel nach dem anderen in der Vegesacker Wochenschrift schreiben, wird 1863 die Bremische Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger gründen und wird nicht aufhören zu kämpfen, bis am 29. Mai 1865 in Kiel die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit Sitz in Bremen gegründet wird. Deren erster Vorsitzender wird Hermann Henrich Meier (in Bremen nur aitsch aitsch Meier genannt, wir sind da ja sehr englisch), der Gründer des Norddeutschen Lloyds. Der ist natürlich daran interessiert, dass all die Passagiere, die er jetzt nach Amerika befördert auch heil durch die Nordsee kommen und nicht in Norderney oder Borkum am Strand verenden.

Und die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger gibt es heute noch. Sie kostet die Bundesrepublik keinen Pfennig, sie wird durch private Spenden finanziert. Wenn Sie in Ihrer Kneipe dieses kleine Boot sehen, denken Sie daran! Seit 1957 hat die DGzRS hochmoderne Boote. Das erste hieß Theodor Heuss (das Beiboot hieß Tedje, die plattdeutsche Form von Theodor), und zur Taufe kam der Bundespräsident nach Vegesack. Und wir hatten schulfrei, um ➱Papa Heuss sehen zu können.

Es hat - wie man im zweiten Absatz sehen kann - auch eine Adolph Bermpohl (mit einem Beiboot namens Vegesack) gegeben, sie wurde bei Abeking und Rasmussen in Lemwerder gebaut und zur Hundertjahrfeier der DGzRS 1965 in Dienst gestellt. Wurde sogar von einer Verwandten, Irmhild Bermpohl, getauft. Das Schiff hat ein trauriges Schicksal, es kentert am 23. Februar 1967 vor Helgoland bei einer Rettungsaktion in einem Orkan, den Meteorologen den Adolph Bermpohl Orkan nennen. An dem Tag sind mit 14 Beaufort die höchsten Windstärken gemessen worden, die jemals in der Nordsee gemessen wurden. An dem Tag ertrinken achtzig Seeleute in der Nordsee. Auch die vier Rettungsmänner der Adolph Bermpohl, an die später noch die Namen von vier Rettungskreuzern erinnern: Paul Denker, H.J. Kratschke, Otto Schülke und G. Kuchenbecker. Die Adolph Bermpohl ist repariert worden und wurde nach ihrer Außerdienststellung an den finnischen Seenotrettungsdienst verkauft. Dort diente sie unter dem Namen Russarö als Ausbildungsschiff und wurde 2001 verschrottet.

Aber die Adolph Bermpohl lebt tausendfach weiter und mit ihr der Name des Gründers der DGzRS. Die Firma Modellbau Graupner bot einen Modellbausatz an, mit dem man sich seinen eigenen einmeterzwanzig großen Seenotrettungskreuzer bauen konnte. Heute ist die Adolph Bermpohl bei Graupner nicht mehr im Angebot (sie wird aber bei ebay noch angeboten), aber die Theodor Heuss kann man noch kaufen (kostet als Bausatz mehr als tausend Euro!). Wenn sie eine kleine Adolph Bermpohl auf dem Wasser sehen wollen, dann klicken sie ➱hier.

Lesen Sie mehr in: ➱150 Jahre DGzRS, ➱Theodor Heuss, ➱Adolph Bermpohl, ➱Leuchttürme und Mordsee.

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