Dienstag, 6. Juli 2010

William Faulkner


Heute vor 48 Jahren ist William Faulkner gestorben, einer der größten Romanautoren, die Amerika gehabt hat. Schwerverständlich. Machen Sie niemals den Fehler und versuchen Sie, The Sound and the Fury zu lesen, wenn Sie noch nichts von Faulkner gelesen haben. Einem Journalisten, der ihm sagte, dass viele Leser seine Romane nicht verstehen würden, hat er gesagt, sie sollten sie ein zweites und ein drittes Mal lesen. Er hat aber auch empfohlen, dass für den Anfang The Unvanquished und Go Down, Moses das Einfachste für den Leser seien. Ich gebe das mal so an Sie weiter (weil es auch richtig ist), man kann auch mit The Bear anfangen (ist in Go Down, Moses enthalten), eine lange Kurzgeschichte, die eigentlich ein kleiner Roman ist.

Er hat seinen Nobelpreis (im Gegensatz zu Hemingway) selbst in Stockholm in Empfang genommen. Elegant im Frack. Da war seine Familie froh, dass sie ihn rechtzeitig für die Feier wieder nüchtern gekriegt haben. Photographien zeigen meist nur seinen eindrucksvollen Charakterkopf, man sieht ihn selten neben anderen Personen. Dann würde man merken, wie klein er ist. Natürlich nur körperlich, als Schriftsteller ist er einer der Größten. Auf diesem Photo von 1962 steht Joseph Blotner neben ihm, der die umfangreichste Faulkner Biographie geschrieben hat. Ich habe Professor Blotner einmal bei einem Vortrag erlebt. Da hatte ihn eine schusselige Sekretärin in eine Erstsemestervorlesung plaziert. Blotner hat das nach wenigen Minuten gemerkt, dass er nicht in einem Kurs für graduate students war, hat sein Manuskript weggelegt, sich bequem auf die Fensterbank des Hörsaals gesetzt und eine zweistündige Einführung in Faulkners Werk gegeben. Ohne Manuskript. Cool.

1957 hatte Blotner zusammen mit seinem Kollegen Frederick Gwynn die Leitung der University of Virginia überredet, Faulkner zu dem ersten writer in residence der Universiät zu machen. Seitdem war er mit Faulkner befreundet. Faulkner war kaum auf dem Campus, da verblüffte er die Universität mit dem Satz, dass er Virginia liebe because Virginians are all snobs and I like snobs.

When questioned during a lecture about his recently expressed opinion of Virginians, Faulkner’s reply was punctuated by frequent laughter from those in attendance. “A snob is someone who is so complete in himself and so satisfied with what he has that he needs nothing from anybody,” Faulkner explained. “That when a stranger comes up, he can accept that stranger on the stranger’s terms, provided only the stranger observe a few amenities of civilization. That’s what Virginians do. They never push at me. They want nothing of me. They will offer me their hospitality and they will accept me. All I have to do is just behave reasonably.”

Er ist gerne dort gewesen, und er hat gerne über seine Romane geredet. Gwynn und Blotner haben später das Wichtigste davon in Faulkner in the University veröffentlicht (und man kann hier ein Video sehen, wo sich ein ehemaliger Student an Faulkner erinnert).

Am Anfang seiner Karriere hatte er Sherwood Anderson (wie viele andere junge Schriftsteller auch, selbst Hemingway hat von Andersons Protektion profitiert) um Rat gefragt, und der hatte ihm gesagt: You have to have somewhere to start from: then you begin to learn. It dont matter where it was, just so you remember it and aint ashamed of it. Because one place to start from is just as important as any other. You’re a country boy; all you know is that little patch up there in Mississippi where you started from. Und das wird Faulkner tun, er wird that little patch up there in Mississippi auf die Landkarte der Weltliteratur schreiben.

Er wird diese Welt Yoknapatawpha nennen (und falls Sie jetzt zufälligerweise Schwierigkeiten haben, diesen indianischen Namen auszusprechen, gibt es hier noch einmal das bezaubernde Aussprachegadget). Er wird diese Welt bevölkern mit Romanfiguren, die Sartoris, McCaslin, Compson, Sutpen und Stevens heißen (die prolligen Snopes nicht zu vergesssen), die immer wieder in allen Romanen vorzukommen scheinen. Er wird über den Untergang der alten Pflanzeraristokratie schreiben, über das Leid der Schwarzen, über Schuld und Sühne.

Die Karte da oben mit der Welt seiner Romane hat er selbst für die Ausgabe von The Portable William Faulkner gezeichnet. Die Zeichnung da links für den Red and Blue Club der Universität von Mississippi (die immer nur liebevoll Ole Miss genannt wird), die ist auch von ihm. Es hätte aus ihm auch ein hervorragender Buchillustrator oder Cartoonist werden können. Erstaunlicherweise interessiert er sich nicht im geringsten für Musik. Seine Geliebte Meta Carpenter schon, die mag Musik, aber sie kann nicht mit ihm darüber reden. Für die Welt des Filmes interessiert sich Faulkner schon, denn er wird viele Jahre in Hollywood verbringen und Drehbücher (unter anderem das für The Big Sleep) schreiben. Da hat er auch Meta Carpenter kennengelernt, die die Sekretärin von Howard Hawks ist. Er wird viel mit  Hawks zusammenarbeiten, die beiden mögen sich. Sie können stundenlang miteinander schweigen. Hawks wollte Hemingway für das Drehbuch des Hemingway Romans To Have and Have Not, aber Hemingway zögerte. Da sagte ihm Hawks I'll get Faulkner to do it, he can write better than you anyway. Das ist so das, was Hemingway nun gar nicht gerne hört. Freunde werden die beiden nie. Dabei hatte Faulkner in einem Seminar an der Ole Miss Hemingway immerhin unter die fünf wichtigsten zeitgenössischen Schriftstellern plaziert. Die Reihenfolge für literarischen Wagemut und gleichzeitiges Scheitern lautete nach Faulkner: Thomas Wolfe, Faulkner, Dos Passos, Hemingway, Steinbeck. Die ersten drei haben mit allem experimentiert, was Sprache und Form des Romans hergeben. Das kann man von Hemingway nicht sagen. He had never used a word the meaning of which couldn't be checked in the dictionary, hat Faulkner über Hemingway gesagt. Wenn man Faulkner liest, sollte man am besten ein dickes fettes Wörterbuch auf der Sessellehne liegen haben.

Faulkner liebt Flugzeuge. Der Mann, der im Ersten Weltkrieg die Royal Air Force Uniform getragen hat (und sich unberechtigterweise die pilot's wings draufgenäht hatte), wird in den dreißiger Jahren seinen Flugschein machen und sich auch ein Flugzeug kaufen. Er wird auch mit Pylon einen kleinen Fliegerroman schreiben. Der eigentlich sehr schön ist, und sehr untypisch für Faulkner, der aber auch sehr, sehr lange Sätze enthält. Gehen über Seiten. Nicht so lang wie in Absalom, Absalom, wo der längste Satz von Faulkner stehen soll, aber auch ziemlich lang. Wenn man stream of consciousness Romane schreibt, dann braucht man den Punkt als Satzzeichen nicht.

Faulkner liebt auch Pferde, er hat immer ein Reitpferd gehabt (er hatte auch 1959 einen schweren Reitunfall), und er hat sehr liebevoll über Pferde geschrieben. Zuerst in einer Art Fragment namens Father Abraham, das die Keimzelle für eine ganze Familiengeschichte wird. Das wäre auch ein gutes Buch, um mit Faulkner zu beginnen, wenn man noch nichts von ihm gelesen hat. Es sind nur 24 Manuskriptseiten, aber irgendwie ist hier schon die ganze Welt von Faulkner präsent. Und wunderbare Beschreibungen von Pferden. Father Abraham ist erst zwanzig Jahre nach Faulkners Tode veröffentlicht worden.

Für diejenigen, die sich als Leser noch nie in das Yoknapatawpha County gewagt haben, möchte ich einige Reisetipps geben. Peter Nicolaisen hat in der Reihe der kleinen Rowohlt Monographien einen sehr guten Band über Faulkner geschrieben. Wenn man noch mehr wissen will, ist Stephen B. Oates' William Faulkner: The  Man and the Artist die beste Biographie und Einführung in das Werk (gibt es noch massenhaft und billig, deutsch und englisch auf dem Amazon Marketplace). Auch das sehr gute Buch von dem Schweizer Heinrich Straumann Faulkner (Athenäum 1968) kann man dort ab 0,99 € kaufen. Die besten Sachen sind spottbillig. Ein klein wenig teurer, aber mit 21,99 € immer noch erschwinglich, ist Edmund L. Volpes A Reader's Guide to William Faulkner, der der zuverlässigste Weggefährte für alle Leser ist, die sich in Faulkners Romanwelt zurechtfinden wollen. Es gibt wirklich nichts Besseres. Und von nun an kann man einfach nur Faulkners Romane lesen, und wenn man etwas nicht versteht, sollte man sich in Faulkners Wortstrom treiben lassen. Und das Buch ein zweites Mal lesen.

A Reader's Guide to William Faulkner: The Novels (Reader's Guides)

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