Mittwoch, 13. Juli 2011

Fanny Burney


Fanny Burney ist bei Facebook und acht Leuten gefällt das. Dafür, dass sie heute vor 259 Jahren geboren wurde und vor 171 Jahren starb, ist sie ganz schön lebendig. Wahrscheinlich hat sie deshalb so wenig Freunde bei Facebook, weil die alle schon tot sind. Vielleicht hätte sie gestern Abend mal alle 600 Millionen Facebook Freunde zur Geburtstagsfeier im Vorgarten des Facebook Gründers einladen sollen. Ich glaube ja nicht daran, dass es wirklich 600 Millionen Facebook Benutzer gibt, mir begegnen da immer wieder zu viele Tote, Zombies oder Leute, die unter falschem Namen unterwegs sind. Ist die Angela Merkel bei Facebook echt? Sie hat immerhin 95.523 Freunde. Es gefällt auch einem gewissen Christian Wulff, dass diese Angela Merkel bei Facbook ist, der hat aber nur 12.458 Freunde. You can't win them all.

Als Fanny Burney noch lebte, gab es noch kein Facebook, die Gesellschaft lebte noch von der face to face communication. Und sie hatte auch mehr als acht Freunde. Im Gegensatz zu vielen, die heute ihr Leben nur aus elektrisch betriebenen Konservendosen wie TV und Computer beziehen, hatte sie ein interessantes Leben.

What an adventure had I this Morning! one that has occasioned me the severest personal terror I ever experienced in my life ... I suddenly perceived, through some Trees, two or three figures ... I thought I saw the Person of his Majesty. Alarmed past all possible expression, I waited not to know more, but turning back, ran off with all my might — But what was my terror to hear myself being pursued! — to hear the voice of the King himself, loudly & hoarsely calling after me,  "Miss Burney! Miss Burney!" Wir sind im Park von Kew Gardens, es ist Montag, der 2. Februar 1789. Frances Burney, Hofdame ihrer Majestät der Königin, flieht vor dem König, der hinter ihr her läuft. Man hat ihr am Morgen gesagt, dass sie im Park spazieren gehen könne, weil der König in Richmond sei. Und nun hat sie Schiß vor dem armen geisteskranken König, der hinter ihr her durch den Park rennt. Der Arzt des Königs befiehlt ihr stehen zu bleiben. "I cannot! I cannot!" I answered, still flying on, when he [Dr Willis] called out; "You must, ma'am: it hurts the King to run." Wenn der König sie eingeholt hat, ist seine erste Frage Why did you run away?

Das ist eine sehr vernünftige Frage, und der König erscheint in der folgenden langen Unterhaltung sehr vernünftig, wenn auch ein wenig agitiert. Er kennt auch die Probleme, die Fanny mit der alles dominierenden Hofdame Madame Juliane von Schwellenberg hat. Die ist aus Mecklenburg damals mit der jungen Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (nach der die Strelitzien heißen) nach England gekommen, und die machthungrige Dame, die der Volksmund Schwelly nennt, ist das Gespött von ganz England. Es hat Lichtenberg allerdings nicht davon abgehalten, ihr 1775 bei seinem Englandaufenthalt einen Besuch abzustatten. Bei der Lektüre des Tagebuchs, das Fanny Burney in ihrer Zeit am englischen Hof von 1786 bis 1791 führt (und das erst nach ihrem Tode veröffentlicht wurde), gewinnt man manchmal den Eindruck, dass der kranke König vernünftiger ist als all das Pack, das sich bei Hofe herumtreibt. Die Tagebücher sind natürlich für Historiker eine Fundgrube, Christopher Hibbert zitiert sie in George III: A Personal History ständig.

Sie sind nicht nur für Historiker interessant, sie sind auch ein großes Lesevergnügen. Die Tagebücher und Briefe sind heute in Buchform nicht so leicht zu finden, es gab mal eine Everyman Ausgabe. Aber eine Autorin des 18. Jahrhunderts, die mit der Zeit geht, ist natürlich nicht nur bei Facebook. Fanny Burney hat auch einen Blog und ist bei Twitter zu finden.

Der König erkundigt sich in dem denkwürdigen Gespräch auch nach Fannys Vater, dem gelehrten Musiker Dr Charles Burney. Sie hat den Posten als Hofdame wohl bekommen, weil Dr Burney enttäuscht war, dass William Parsons die Position eines Master of the Royal Music bekommen hatte und nicht er. Also bekommt seine Tochter das Angebot als Hofdame. Zweihundert Pfund Sterling im Jahr, zwei Diener, Kost und Logis frei. Allerdings muss sie ihre Mahlzeiten immer am gleichen Tisch mit Schwelly einnehmen (nach fünf Jahren ist sie mit den Nerven fertig). Aber das Angebot ist nicht schlecht für die hochsensible, extrem kurzsichtige junge Frau, die mit Mitte dreißig immer noch nicht verheiratet ist. Verheiratet zu sein ist in dieser Zeit wichtig, das wissen wir von Jane Austen. Heißt es doch im ersten Satz von Pride and Prejudice so schön: It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. Und darum wird es ja auch den ganzen Roman lang gehen.

Jane Austen hat übrigens die Romane von Fanny Burney bewundert. Hatte ich vergessen zu erwähnen, dass die junge Frau schon zwei Romane geschrieben hat, als sie ihre Stelle bei Hof antritt? Wenn Sie hier mal ein wenig in ➱Cecilia schmökern, werden Sie sehen: so weit weg von Jane Austens Pride and Prejudice ist das gar nicht. Zumal Jane Austen auch den Titel Pride and Prejudice aus dem letzten Kapitel des dritten Bandes geklaut hat. Fanny Burney hat die Tür zur Literatur für weibliche Autoren ganz weit aufgemacht, sie hat die novel of manners erfunden, die ja häufig eine comedy of manners ist. Und? Wird das genügend gewürdigt?

Nicht von ➱William Hazlitt. Der gilt als einer der scharfsinnigsten englischen Essayisten. Hatte nie Glück mit den Frauen. Wirft Fanny Burney vor, dass sie eine weibliche Perspektive hat! She is a quick, lively, and accurate observer of persons and things, but she always looks at them with the consciousness of her sex, and in that point of view in which it is the particular business and interest of women to observe them. Und dann kommt irgendwann noch: These are difficulties created out of nothing. Von dem Satz we perceive no decay of talent, but a perversion of it wollen wir lieber nicht reden.

Ach, Billy boy, das ist nun völlig daneben. Seien wir Fanny Burney und Jane Austen doch dankbar, dass sie solch accurate observers der Gesellschaft sind, dafür lesen wir sie heute immer noch gerne. Deine hochgestochenen Plattitüden, die bei den Zeitgenossen als geistreich durchgingen, wird niemand so gerne lesen. Hast ja auch nur zwei Freunde bei Facebook.

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