Samstag, 25. Februar 2012

Elkie Brooks


Andrew Lloyd Webber hatte ihr angeboten, Don't Cry for Me, Argentina zu singen. Sie hat es ausgeschlagen. Julie Covington hat es dann gesungen, wurde ein internationaler Hit. Die originale Doppel-LP Studioaufnahme von Evita mit Julie Covington habe ich immer noch. Damals sangen Frauen, die wirklich singen konnten, solche Songs. Heute singt das Madonna. Als Maggie Thatcher ihren unsinnigen Falklandkrieg begann, gab es bei der BBC eine interne Anweisung, dass Don't Cry for Me, Argentina nicht über den Sender ausgestrahlt werden durfte. Six Months in a Leaky Boat von der Popgruppe Split Enz aus Neuseeland wurde auch gestrichen. Wahrscheinlich noch viel mehr, die englische Popmusik war eindeutig gegen Mrs Thatcher. Und einen Film wie The Ploughman's Lunch wird sie sich wahrscheinlich gar nicht erst angeguckt haben. Über den könnte ich jetzt etwas länger schreiben. Aber das bringt mich vom Thema ab, weil dies ein Geburtstagsgruß an Elkie Brooks werden soll.

Sie kennen Elkie Brooks nicht? Ich habe sie einmal gesehen, das ist zwar schon vierzig Jahre her, aber ich habe das nicht vergessen. Ich habe auch mindestens eine CD von ihr, die da oben, die Round Midnight heißt, habe ich sogar sofort gefunden. Ansonsten ist das mit dem CD-Finden bei mir so eine Sache. Manchmal glaube ich, dass sich die CDs heimlich vermehren, wenn man nicht hinguckt. Elkie Brooks trat damals in Bremen auf. Es ist heute vielleicht nicht mehr so bekannt, dass damals alles, was in England und Amerika in den Charts war, von Bremen aus vermittelt wurde (und ➱Waylon Jennings war auch da). Wenn Ihnen die Namen Uschi Nerke (oben) und Michael Leckebusch noch etwas sagen, dann wissen Sie, wovon ich rede.

Wenn Sie ➱hier mal eben hineinschauen: das ist die wirkliche Revolution. Im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen (na ja, was anderes gab es ja auch nicht) wird zum ersten Mal eine Popmusiksendung angekündigt: Guten Tag, liebe Beat-Freunde! Nun ist es endlich soweit. In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für Euch gemacht ist. Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beatmusik nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis: Es ist eine Live-Sendung mit jungen Leuten für junge Leute!

Und kaum ist der Ansager (haben Sie Wilhelm Wieben erkannt?) weg, dröhnen auch schon die ➱Yankees mit Halbstark aus der Kiste. Da hatte der Mike Leckebusch (hier auf dem Photo mit Uschi Nerke) ja etwas angerichtet. Aber sein Chef Hans Abich ließ ihn nicht fallen. Es gab wütende Proteste aus den Reihen der Fernsehzuschauer, der Untergang des Abendlandes stand wieder mal bevor. Aber das Fernsehen brauchte eine Sendung wie den ➱Beat-Club (und die Nachfolgesendung ➱Musikladen), um ein klein wenig zeitgemäß zu sein. Wer Popmusik hören wollte, hörte damals BFBS und die Piratensender.

Man hatte nicht viel Geld. Heute verdienen ja Intendanten im Monat soviel, dass man den Sender Radio Bremen in den 60er Jahren davon ein halbes Jahr hätte finanzieren können. Und sie brauchen sich für das Geld nicht mal das schrottige Programm anzuhören oder anzusehen, das ihr Sender produziert. Bei Radio Bremen hatte man kein Geld, aber man hatte Einfälle. Und so nähte sich Uschi Nerke (die zuvor als Karina mal Schlager geträllert hatte) ihre scharfen Klamotten häufig selbst. Die Vorgaben von Mike Leckebusch waren klar: Kurz, sexy, kein Flimmermuster, nichts Blaues - und ganz irre muss es sein! Uschi hätte ja auch in Lolo's Saloon am Wall oder bei Drop in at Evelyn in der Langenstrasse einkaufen können. Evelyn Frisinger, die auch Originalklamotten aus London führte, war die inoffizielle Ausstatterin des Bremer Beat-Clubs.

Ich weiß nicht, ob ➱Mary Quant das je erfahren hat, aber mit dem Erfolg des Minirocks in Deutschland wäre es ohne Uschi Nerke und Evelyn Frisinger vielleicht nichts geworden. Uschis kurze Röcke beschäftigen irgendwann die katholische Kirche. Und natürlich die Bild Zeitung, die sich eine Schlagzeile wie Trägt Uschi zu kurz? nicht nehmen ließ. Aber Uschis Röcke wurden kürzer, bis sie irgendwann nur noch ein breiter Gürtel waren. Und eines Tages moderierte sie die Sendung nackt aus einer Badewanne. Wenn ich mich recht erinnere, ist damals - trotz des Aufschreis der Fernsehzuschauer, der katholischen Kirche und der Bild Zeitung - das Abendland nicht untergegangen. Uschi Nerke ist Architektin geworden und moderiert inzwischen CDU Feste.

Nein, ich habe jetzt voll von sechziger Jahre Nostalgie Elkie Brooks natürlich nicht vergessen. Hier ist sie bei einem ➱Auftritt in Bremen. Sie konnte wirklich singen. Das kann sie noch heute, wenn Sie ➱hier einmal hineinhören. Und natürlich hat sie auch eine Website. Sie steht jetzt beinahe ein halbes Jahrhundert am Mikrophon, da kann man nur sagen: Sing On, Elkie! Und wer sich die Welt des Beat-Club zurückholen will: es gibt The Story of Beat-Club: 1970-1972 auf 8 DVDs immer noch zu kaufen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen