Montag, 16. April 2012

Laura


Laura […] erschien meinen Augen zum ersten Mal in meiner ersten Jünglingszeit, im Jahre des Herrn 1327, am sechsten Tag des Monats April, in der Kirche der heiligen Klara zu Avignon […]. Und in derselben Stadt, im gleichen Monat April, auch am sechsten Tag, zur gleichen Stunde, jedoch im Jahr 1348, ist dem Licht dieser Welt jenes Licht entzogen worden...Es soll der Karfreitag gewesen sein, aber es war wohl eher der Ostermontag, als Francisco Petrarca diese Begegnung mit einer Frau hatte, die ihn dazu anregte, hunderte von Sonetten zu schreiben.

Welche quer durch Europa von hunderten von Dichtern imitiert wurden. Über den Einfluss von Petrarca auf den englischen Dichter Wyatt gab es ➱hier schon einmal etwas zu lesen. Kunstvolle Liebeslyrik, schmachtende Verse an eine unnahbare schöne Frau. Von einer Pest des Petrarkismus spricht Ernst Robert Curtius in Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Und das hört ja nicht auf, auch wenn Shakespeare schon darüber spottet. Bei einem Kirchgang hat Petrarca diese unbeschreiblich schöne Frau getroffen, die er Laura nennt. Die Kirche ist sowieso der einzige Ort, wo man damals Frauen sehen kann, ansonsten werden die ja weggesperrt.

Aber dieses Treffen mit Frauen in oder nach der Kirche kann auch gefährlich sein, wie wir aus der englischen Ballade Little Matty Groves wissen:

A holiday, a holiday, and the first one of the year.
Lord Darnell's wife came into church, the gospel for to hear.
And when the meeting it was done, she cast her eyes about,
And there she saw little Matty Groves, walking in the crowd.
“Come home with me, little Matty Groves, come home with me tonight.
Come home with me, little Matty Groves, and sleep with me till light.”

Sie kriegt ihn zwar gleich ins Bett, im Gegensatz zu Petrarca, der kriegt seine Laura nie, der muss immer weiter dichten. Aber die Sache geht für Little Matty Groves und Lady Darnell nicht gut aus.

Wenn Sie sich jetzt fragen, was dies hier soll, dann bin ich natürlich nicht um eine Antwort verlegen. Das ist natürlich Lonnie Donegan - die moderne Version eines Minnesängers - im Jahre 1957, als er Putting on the Style sang. Nostalgie. Damals waren noch skiffle groups die große Sache, Ken Colyer und ➱Chris Barber (mit denen Lonnie Donegan auch zusammen spielte), beherrschten die Szene. Ich habe sie natürlich alle auf der Bühne gesehen, unsere eigenen Versuche, eine skiffle group zu gründen, endeten etwas kläglich. Man braucht dazu doch etwas mehr als ein Waschbrett und ein paar Fingerhüte.

Putting on the Style fängt in der Kirche an, Sweet sixteen goes to church Just to see the boys. Das ist nicht anders als bei Petrarca, die Lauras dieser Welt haben sich nur ein wenig verändert.

Sweet sixteen goes to church
Just to see the boys
Laughs and screams and giggles
At every little noise
Turns her face a little
And turns her head awhile
But everybody knows she's
Only putting on the style

She's putting on the agony
Putting on the style
That's what all the young folks
Are doing all the while
And as I look around me
I sometimes have to smile
Seeing all the young folks
Putting on the style

Wenn Sie den ganzen Text dieses Höhepunkts der europäischen Liebeslyrik lesen wollen, dann klicken Sie ➱hier. Und natürlich sollten Sie nicht versäumen, Lonnie Donegan zu ➱hören.

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