Samstag, 28. Juli 2012

Jacopo Sannazaro


Am 28. Juli 1458 wurde der Dichter Jacopo Sannazaro (hier von Tizian gemalt) in Neapel geboren, er war einer der einflussreichsten Dichter des Renaissance. Den Schäferroman hat er auch noch mit seinem Werk Arcadia (1502) erfunden, da kommt ➱Sir Philip Sidney mit The Countess of Pembroke's Arcadia erst beinahe ein Jahrhundert später. Während es das Los vieler Dichter ist, in Armut zu leben, kann man das von Sannazaro nicht sagen. Er genoss die Gunst des Königs von Neapel, der ihm sogar eine Villa schenkte. Und er hielt den Rekord für die teuerste Gedichtzeile. Die Stadt Venedig zahlte ihm für ein Epigramm sechshundert Zechinen oder Dukaten, was weiß ich, auf jeden Fall Goldstücke. Für sechs Zeilen! Von einem solchen Zeilenhonorar träumt ja jeder, der schreibt. Dabei sind die drei Distichen eigentlich gar nicht so großartig:

De Mirabili Urbe Venetiis

Viderat Hadriacis Venetam Neptunus in undis
Stare urbem, et toto ponere jura mari,
Nunc mihi Tarpejas quantum vis Iupiter arces
Objice, et illa tui moenia Martis, ait.
Si pelago Tybrim praefers, urbem adspice utramque:
Illam homines dices, hanc posuisse deos.

Die sechs Zeilen haben aber immer wieder Schriftsteller gereizt, sie zu übersetzen. So zum Beispiel den Engländer John Evelyn, der sie so übertrug:

Neptune saw Venice on the Adria stand
Firm as a rock, and all the sea command,
"Think'st thou, O Jove!" said he, "Rome's walls excel?
Or that proud cliff, whence false Tarpeia fell?
Grant Tyber best, view both; and you will say,
That men did those, gods these foundations lay."

Und auch unser Martin Opitz konnte es nicht nicht lassen, sich daran zu versuchen:

Von der Stadt Venedig.

Als jüngst Neptun im Schoß des grauen Adria
Venedig steh'n und Land und See beherrschen sah,
Sprach er : Zeus, rühme mir nicht mehr Tarpejens Höhe,
Und deines Mavors Stadt! Gefällt die Tiber dir
Mehr, als das Meer, so sieh die Städt ' an, und gestehe:
Die Menschen haben dort gebaut, die Götter hier.

Da konnte Christian Wernicke, der in Kiel bei dem berühmtesten deutschen Universalgelehrten Daniel Georg Morhof studiert hatte (damals hatte die Christiana Albertina 17 Professoren und 162 Studenten), nicht zurückstehen:

Neptun sah' in der Flutt der Adriatschen See
Die Stadt Venedig stehn, und ihr Gesetze geben.
Jtzt, sagt' er, Jupiter, magst du Tarpejens Höh'
Und deines Mavors Maur, so hoch du wilst, erheben.
Schau beyde Städt'; hältst du der See die Tieber für:
Die Menschen legten dort den Grund, die Götter hier.

Und es hat noch mehr Übersetzer gegeben. Aber keiner hat je das Zeilenhonorar von Jacopo Sannazaro erhalten.

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