Donnerstag, 27. September 2012

Edgar Degas


“At death,” wrote Larkin, “you break up: the bits that were you / Start speeding away from each other for ever….” Degas died in September 1917, and the bits that belonged to him started speeding away from each other soon after. He had thought of trying to keep them together, in a museum of his own, but that fantasy had not survived the trip in 1903 to the Gustave Moreau museum, which gave him the sinister feeling of being in a family vault. He had thought of giving the best of them to the Louvre—then, he said, he would go and sit in front of them and contemplate what a fine thing he had done for his nation. But that noble urge never bore fruit, and anyway he later came to despise the Louvre, as we shall see.
   

So it happened that in the end everything came under the hammer—works that he had painted in his youth, and had never let go of; works he had produced in old age, and that few had ever seen; paintings, drawings, and prints he had collected—a spiritual hoard. It took three of the greatest firms in the field—Bernheim-Jeune, Durand-Ruel, and Vollard—to catalog this material and organize its dispersal in seven auctions. When the first of those catalogs went out, showing the quality of Degas’s collection, everyone could see that this was an event of exceptional importance.

So beginnt der Essay Degas in the Evening von James Fenton, den ich vor Jahren im New York Review of Book las. Eigentlich ist James Fenton ja Dichter, aber er schreibt auch hervorragend über Kunst. Wenn man für den New York Review of Books schreibt, dann ist man ganz weit oben. Als Fenton den Degas Essay schrieb, war er Professor of Poetry in Oxford. Da braucht man nicht so viel zu tun, man muss nur drei Vorlesungen im Jahr halten. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass Degas mich nie interessiert hatte, nicht die Bohne. Immer diese Hupfdohlen im Rampenlicht, Frauen bei der Toilette in Softporno Manier und Pferderennen. Definitiv nicht mein Ding. Für Manet, der auch so viel Schwarz im Bild verwendet wie Degas kann ich mich begeistern, für Degas nicht.

Nach der Lektüre von Degas in the Evening erst recht nicht. Ausgiebig aus den Tagebüchern von Harry Graf Kessler zitierend, der diesen Abend des 19. Juni 1907 minutiös festgehalten hatte, präsentiert uns Fenton (beziehungsweise Harry Graf Kessler) den Kleinbürger Degas als militanten Judenhasser. Bevor er die Einladung zum Essen bei Ambroise Vollard annahm, hatte Degas geschrieben: Für mich ein Gericht ohne Butter - keine Blumen auf dem Tisch, wenig Licht...sie werden ihre Katze einschließen, das weiß ich, und niemand wird einen Hund mitbringen. Und wenn Frauen geladen sind, bitten Sie sie, auf Duft zu verzichten...Was sollen Parfums, wenn manche Sachen so gut riechen! Zum Beispiel geröstetes Brot. Genau um halb acht werden wir zu Tisch gehen. Das sind die Gäste, die man liebt.

Es ist ein Abendessen, das der Kunsthändler Ambroise Vollard im Keller unter seiner Kunsthandlung gibt. Seine Abendessen für die Künstlerszene sind berühmt, als Hauptgang gibt es immer Huhn, scharf gewürzt mit Negercurrie (Degas lehnt es natürlich empört ab, davon zu essen). Pierre Bonnard hat das Essen am 19. Juni im Bild festgehalten. Vollard sitzt am Ende des Tisches, links vorne ist Harry Graf Kessler, zwischen den beiden Degas. Der bramabasierend seinen Judenhass zum Ausdruck bringt, Vollards Partykeller wird zu einer Art Münchener Bürgerbräu. Um elf Uhr zieht Degas, der sich nach den Maßstäben von Harry Graf Kessler den ganzen Abend sehr unhöflich benimmt, seine Taschenuhr und geht. Die ➱Tagebucheintragung (Seite 299) endet mit dem Satz: Sert fragte mich beim Weggehen, wie ich Degas als Menschen gefunden habe; ich sagte: un naif forcené et maniaque.

Am Ende seines Lebens hatte der beinahe blinde Degas, der sich seit der Dreyfus Affäre von allen jüdischen Freunden und Bekannten getrennt hatte, keine Freunde mehr. At death. you break up: the bits that were you / Start speeding away from each other for ever, mit den Zeilen von Larkin hatte James Fenton seinen Essay begonnen. Es lohnt sich, Philip Larkins Gedicht ➱The Old Fools zu lesen, man kann es sich ➱hier auch von Larkin vorlesen lassen. Edgar Degas ist heute vor fünfundneunzig Jahren gestorben. Ich vergesse ihn mal ganz schnell wieder.

Die Kunstessays, die James Fenton für den New York Review of Books geschrieben hat, sind in seinem Band Leonardo's Nephew: Essays on Arts and Artists gesammelt. Kann man bei Amazon Marketplace noch ganz preiswert finden, lohnt sich unbedingt.

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