Montag, 19. November 2012

Calvin Klein


Am besten ist ja immer seine Werbung gewesen, das muss man ihm lassen. Hart an der Kante zum kiddie pornYou wanna know what comes between me and my Calvin's? Nothing, piepste ➯Brooke Shields 1980. Das machte die Sechzehnjährige berühmt. Machte auch die Calvin Klein Jeans berühmt. Plötzlich gab es überall in Amerika Designer Jeans, wahrscheinlich hatte Gloria Vanderbilt damit angefangen. Qualitativ waren die Teile ja nicht mit den Jeans von ➯Jacob Cohen zu vergleichen, aber es waren eben Designer Jeans. Gegen so etwas kamen Levis oder Lee nicht an.

In New York wurde Calvin Klein am Anfang seiner Karriere als eine amerikanische Version von Yves Saint-Laurent gehandelt. Es wurden Lobesarien auf seinen clean look angestimmt. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in den letzten Jahrzehnten alle Designer minimalistisch sind und einen clean look haben? Ich liebe ja solche Sätze wie Calvin Klein’s minimalist cutting edge designs have made him a fashion legend. Dazu passte natürlich ein Photo wie dieses, ein fashion photographer kriegt alles hin. Dies ist die Zeit, wo niemand mehr nach der Qualität des Produkts fragt.

Nur der Mix muss stimmen: es muss ein Designer sein, ohne Designer geht jetzt gar nicht mehr. Und dann muss man die richtigen Photographen haben - die ihrerseits zu Stars werden. Und natürlich ein Model, das schnell zum Super-Model wird. Selbst männliche Models wurden plötzlich über Nacht zu Weltstars, wenn sie nur die richtige Unnerbüx anhatten. Und im Hintergrund muss man eine Publicity Maschine haben, die einer willfährigen Presse Leerformeln diktiert. Dies ist die Zeit der spin doctors, in der Werbung wie in der Politik. In diesem ganzen Designerwahn der siebziger und achtziger Jahre fehlte das kleine Mädchen aus dem Märchen Des Kaisers neue Kleider von Hans Christian Andersen, das laut sagt: Aber er hat doch gar nichts an!

Berühmter als alles andere, was Calvin Klein modisch gemacht hat, sind seine Düfte. Man kann in dem amüsanten Buch Obsession: The Lives and Times of Calvin Klein von Steven Gaines dazu einiges lesen, wie ein Calvin Klein Parfüm entsteht. Für mich gehört Obsession zu den unangenehmen Erinnerungen an meine Zeit an der Uni. Immer wenn ich morgens den Aufzug betrat, stank der nach Obsession, offensichtlich war es der Lieblingsduft unserer Studentinnen. Die aber nie so aussahen wie Kate Moss. Träumten sie morgens davon, wenn sie das Zeug über sich schütteten, dass Obsession sie in Kate Moss verwandeln würde? Oder glaubten sie an Werbeversprechen wie dieses:

Der Duft für die Frau, die durch ihre erotische Ausstrahlung und ihre provozierende Sinnlichkeit bleibenden Eindruck hinterlässt. Orientalisch-exotisch präsentiert sich dieser Duft in seinem Auftakt durch ein Bouquet aus Mandarine, Vanille und Bergamotte. Ein Akkord aus Jasmin, Orangenblüten und exotischen Gewürzen arrangiert sich auf elegante Weise hinzu. Die erdige, warme Basis bilden Ambra, Eichenmoos, Weihrauch und Moschus - unvergleichlich sinnlich und betörend. Der Flakon übersetzt diesen einzigartigen Duft in Form und Farbe. Das Bleikristalloval schmiegt sich leicht in die Hand der Frau. Aufregend durch seine Mischung aus Mystik und Weiblichkeit.


Irgendwann gab es auch Obsession for Men, natürlich auch mit Kate Moss beworben. Aber wie Sie wissen, wenn Sie hier vor zwei Jahren den Post ➯Aftershave gelesen haben (was tausende von Leser getan haben), dieser Blogger hat Obsession for Men nie verwendet. Ich bin gerade mal wieder - eine siebziger Jahre Nostalgie schien mich gepackt zu haben - zu Aramis zurückgekehrt.

Damals in den Seventies hatte die Werbung noch andere appellative Strukturen. Da gab es noch richtige Männer. Und die Frauen waren keine magersüchtigen Teenager, sondern richtige Damen. Wo ist diese Welt (wenn es sie je gegeben hat) geblieben? Verschwunden wie die temps perdu von ➯Marcel Proust? Obgleich dessen Welt in der Werbung manchmal wieder heraufbeschworen wird, da las ich doch bei der Beschreibung eines englischen whole cut Schuhs die folgenden SätzeA plain brown 'whole cut' that bestows the owner with a veneer of Proustian Ennui. Painfully classic in a manner redolent of cork lined rooms and madelaines. Ja, den Sirenen der Werbung fällt immer wieder ein neues Lied ein, mit dem sie uns zu locken suchen. Und wenn Sie alles über Frauen in der Werbung wissen wollen, dann hätte ich da noch einen Tipp für Sie: Jörg Nimmergut Werben mit Sex (Heyne 1978). Als das Buch 1966 erscheinen sollte, kam es wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften nach § 184 StGB auf den Index. Dabei ist es ein seriöses Buch. Aber 1966 hätte es auch noch keine überlebensgroßen Werbeplakate mit halbnackten Teenagern gegeben.

Calvin Klein, der die Grenze zwischen Werbung und Pornographie neu definiert hat, der für den Look des Heroin Chic mitverantwortlich ist, wird heute siebzig Jahre alt. Mit Drogen hat er angeblich nichts mehr zu tun. Seine Firma hat er vor Jahren verkauft, aber CK Unterhosen trägt er angeblich immer noch. Die sind für seine Tochter schon zu einem traumatischen Ereignis geworden: Every time I go to bed with some guy, I'm looking at my dad's name.

Calvin Klein kommt wie Ralph Lifschitz aus der Bronx, ➯from ghetto to glamour. Im Gegensatz zu Ralph Lifschitz hat er aber seinen Namen nicht geändert - beide haben für sich und ihre Bewunderer eine Phantasiewelt geschaffen. Der eine beherrschte die Welt der Jeans und der Unterwäsche (auf jeden Fall in der Werbung, in der Wirklichkeit ist die Qualität seiner U-Hosen ziemlich schrottig). Der andere vermarktete weltweit im großen Stil den Ivy League Look (obwohl er nie eine Eliteuniversität besucht hatte). Jenen Look, der bisher in den Verkaufsräumen von J. Crew, J. Press und Brooks Brothers gut aufgehoben war. Mit dem bösartigen How does a working-class Jew from Mosholu Parkway dare pass off the tribal costumes of the Ivy League as if he owned them? referiert Stephen Bayley in Taste: The Secret Meaning of Things süffisant die Kritiker von Ralph Lauren. Als das Wort lifestyle in den fünfziger Jahren zum ersten Mal auftauchte, gab ihm Arthur Miller keine große Lebenserwartung. Er musste später zugeben, dass er sich da getäuscht hatte.Heute ist alles nur noch Lifestyle, das Design überschattet das Sein. Geben wir dem Geburtstagskind doch das letzte Wort: I've always had a clear design philosophy and point of view about being modern, sophisticated, sexy, clean and minimal. They all apply to my design esthetic.

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