Samstag, 23. März 2013

Lili Marleen


Ich habe gerade in einem Antiquariat die köstliche kleine Trouvaille Segelanweisung für eine Freundin von Hans Leip erstanden. Werde ich nächste Woche verschenken, die Beschenkte ist Seglerin und mit einem Bremer verheiratet, der mal Admiral's Cup Segler war. Die wird das zu würdigen wissen. Ich musste es nur noch schnell einmal lesen, bevor ich es verschenke. Es ist ein witziges kleines Buch, das man auch Nichtseglern schenken kann. Unter dem Stichwort Ahoi! kann man lesen: Segelkameraden begrüßen einander nicht mit: Ahoi! Die Ansager in Kabaretten vielleicht und die Lautsprecher in Seegroßtonfilmen begrüßen die Provinzen des Publikums mit Ahoi. Es ist ein Landrattenwort geworden, wie auch Landratte ein Landrattenwort ist. Selbst Lale Andersen sagt kaum noch Ahoi.

Das musste ja mal gesagt werden. Hans Leip kennt natürlich Lale Andersen, denn durch ihn ist sie berühmt geworden. Weil sie sein Lied Lili Marleen gesungen hat. Vor einem halben Jahrhundert wusste ich sogar, wo sie wohnte. Gut, das wusste damals jeder, der mal auf Langeoog war. Nach Langeoog hatte sie sich zurückgezogen, als sie unter den Nazis Auftrittsverbot hatte. Das war sozusagen ihr Exil. Die Ostfriesischen Inseln waren nach dem Krieg beinahe fest in Bremer Hand, der Bremer Herrenausstatter Hans Kalich hatte sogar auf Juist eine Dependance. Für das Bremer Bürgertum was es fein, nach Juist, Langeoog oder Spiekeroog zu fahren. Sylt galt als ordinär, weil da die Hamburger waren. Immer wenn ich auf Langeoog war, bin ich an ihrem Haus vorbeigegangen, in der Hoffnung, sie einmal zu sehen. Manchmal war Licht in ihren Fenstern, aber sie war nie zu sehen.

Nach ihrem Tod wurde in dem Haus eine Teestube eingerichtet. 2011 sollte es verkauft werden, sollte über zwei Millionen Euro kosten. Fand sich aber niemand so schnell. Wenn sie auf Sylt gewohnt hätte, wäre das Haus in fünf Minuten verkauft worden, das macht den Unterschied zwischen Langeoog und Sylt. Die Sängerin Lale Andersen (die als Liese-Lotte Bunnenberg geboren wurde) kam am 23. März 1908 (oder 1905?) in Bremerhaven-Lehe zur Welt. Über Bremerhaven hat der Star der Trivialkunst (so der Spiegel) sogar gesungen, ein Lied, das ihr ihr Mann geschrieben hatte. Das ist aber ganz furchtbar:

Bremerhaven Lieselottchen ist ein Zauberwort für mich
Denn im schönen Bremerhaven sagtest du ich liebe dich
Denkst du auch noch an die Stunden
Als wir träumten dort vom Glück
Wenn der Sommer kommt kehr ich jedes Jahr Lieselott zu dir zurück
Bremerhaven, Bremerhaven ist der schönste Ort auf dieser Welt für mich
Bremerhaven, Bremerhaven dort sagte ich zum ersten Mal ich liebe dich


Die kühle Blonde aus dem Norden, die sich selbst als Rollkragenschönheit bezeichnete, hatte auch einmal Tucholsky und Ringelnatz gesungen. Aber sie wird immer die Lili Marlen vor der Kaserne, vor dem großen Tor bleiben (mehr dazu ➱hier). Bis zu ihrem Tode muss sie das Lied singen, da war der Erste Weltkrieg, in dem das Lied entstanden war, schon ganz weit weg. Wo ich gerade durch die Lektüre von Segelanweisung für eine Freundin an Lale Andersen erinnert wurde (die blonde Frau auf dem Cover der Ausgabe des Hamburger Verlags Die Brigantine sieht auch aus wie Lale Andersen), dachte ich mir, ich schreib mal eben diesen kleinen Post (vielleicht gibt es über Langeoog irgendwann hier noch mehr). Und wir hören heute mal eben ➱hier hinein. Aber noch viel interessanter ist diese, erst vor kurzem gefundene, ➱Aufnahme von 1939, sehr langsam, sehr schwermütig. Da kann man nur John ➱Steinbeck zitieren, der 1943 gesagt hat: And it would be amusing if, after all the fuss and heiling, all the marching and indoctrination, the only contribution to the world by the Nazis was 'Lilli Marlene'.

2 Kommentare:

  1. Ich hatte heute zufällig zu dem auch hier verlinkten Lied gefunden und dachte mir beim Hören, womöglich könnte Herr Jay doch Interessantes rund um dieses Lied zu berichten wissen. Nun, ich habe mich nicht getäuscht :)
    Die noch etwas melancholischere Version finde ich ebenfalls wunderschön.

    P.S. Laut Wiki ist 1905 Lale Andersens Geburtsjahr.

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  2. Wenn die Wikipedia das sagt, wird es vielleicht stimmen. Es gibt aber (und wen wundert das bei Schauspielerinnen?) einige Quellen, die 1908 als Geburtsjahr nennen.

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