Donnerstag, 14. März 2013

Michael Caine


Michael Caine wird heute achtzig, es ist kaum zu glauben. Vor sechzig Jahren war er im Koreakrieg. I specialized in cowardice and won several medals, hat er einmal gesagt, er hat nicht viel über den Krieg geredet. Die ihn wirklich erlebt haben, tun das nie. ➱Raymond Chandler hat nicht über seinen Krieg geredet, das Großmaul Hemingway, der nie bei der kämpfenden Truppe war, umso mehr. Michael Caine hat sich auch nicht als Soldat vermarktet, mit Ausnahme von ➱Richard Todd haben das wenige Schauspieler getan. Harry Andrews, Dirk Bogarde, Alec Guinness, Christopher Lee und David Niven haben höchstens in ihren Memoiren etwas über den Krieg gesagt. David Niven am witzigsten, aber der war auch einmal Berufssoldat, da nimmt man den Krieg offensichtlich nicht mehr ernst.

Vor wenigen Jahren hat Michael Caine sich doch zum Koreakrieg geäußert: Whenever I killed someone there was no guilt, no remorse - it didn't feel real. It was during the Korean War and I was just trying to stay alive. It was self-defense. It was always done at night and we never had any idea who we had killed. I didn't even think about it - we had machine guns and we just did it. I never did anything close up or hand-to-hand. It didn't give me nightmares, because the Army brutalizes you. It was like the World War I trenches - half a mile apart - and we were just firing backwards and forwards, so we never knew who any of our victims were as individuals. You never saw the whites of a man's eyes when you killed him.

Das hat er gesagt, als er seinen Film Harry Brown vorstellte. Der angeblich sein letzter Film sein sollte, aber das hatte eh niemand geglaubt, dass er aufhören würde. Als Michael Caine am Ende seiner Dienstzeit aus der Armee entlassen wurde, sang er mit seinen Kumpels zu der Melodie vom River Kwai March:

Hitler has only got one ball,
Göring has two but very small,
Himmler is somewhat sim'lar,
But poor Goebbels has no balls at all.

Er erzählt das in seiner Autobiographie What's it all About?, ein Buch, das (ebenso wie David Nivens The Moon’s a Balloon) die Lektüre lohnt. Bei seiner zweiten Autobiographie, The Elephant to Hollywood (2010), bin ich nicht so enthusiastisch. Es ist wahrscheinlich eine Ironie des Schicksals, dass Maurice Micklewhite, der sich jetzt Michael Caine nennt, in seinem ersten Film wieder nach Korea zurückversetzt wird. Nicht in das wirkliche Korea, der Film A Hill in Korea wurde in Portugal gedreht. Soldaten wird er für Jahre im Film spielen, nicht nur einfache Soldaten, die Cockney sprechen. In dem Film Zulu spielte er einen upper class Offizier, der das Empire in dem Gefecht von Rorke's Drift zu retten versucht. Der Film zeigt, dass die thin red line wird für England immer dünner wird. Wenn ➱Kipling in seinem Gedicht Recessional von our far-flung battle-line und far-called, our navies melt away spricht, dann kann man das 1879 in England schon merken. Im englischen Kino natürlich nicht. In der Wunderwelt des Cinema of Empire (so der Titel eines Kapitels in Jeffrey Richards Buch Visions of Yesterday) kann ein Londoner Cockney zu einem aristokratischen Helden werden. Ich wusste damals nicht so recht, was der Film sollte und wollte (ich weiß es immer noch nicht), ich hatte ihn mir nur angeschaut, weil mir der Observer sagte, dass John Prebble (der Verfasser der ➱Fire and Sword Trilogy) das Drehbuch geschrieben hatte.

Und natürlich, weil ich gerade Michael Caine in The Ipcress File gesehen hatte. Wo er einen Geheimagenten spielte, der ein wenig verschieden von Sean Connerys ➱James Bond war. Aber ebenso wie Sean Connery einen Einfluss auf die ➱Mode hatte. Im Film hatte er den Namen Harry Palmer, in Len Deightons Romanen blieb der Ich-Erzähler namenlos. Über die Len Deighton Verfilmungen könnte ich jetzt tagelang schreiben, aber ich lasse das mal. Lesen Sie doch bitte ➱diesen Post, dann wissen Sie mehr. Aber wichtiger für Michael Caine war ein Film, den er gleichzeitig mit Funeral in Berlin drehte, nämlich die wunderbar bösartige Komödie ➱Alfie.

Die hat in Deutschland niemanden interessiert, weil man ihn hierzulande so schön als Geheimagenten oder Offizier verkaufen konnte: Ein dreckiger Haufen, Luftschlacht um England, Der Adler ist gelandet, ➱Die Brücke von Arnheim. Selten war ein Schauspieler so unterfordert. Die Geheimagentenkarriere war auch mit dem Flop Die schwarze Windmühle zu ihrem Ende gekommen. Das habe ich wohl schon gesagt, als ich über ➱Don Siegel schrieb. Denn ewig funktioniert die Zauberformel des Spionageromans auch nicht (obgleich ich den billig gestrickten Film Das Vierte Protokoll nach dem Roman von Frederick Forsyth eigentlich mag). Die Welt von Rudyard Kipling und des Militärs holte Michael Caine noch einmal ein, als er zusammen mit Sean Connery unter der Regie von John Huston in The Man Who Would Be King spielte. Da sind dann die beiden englischen Geheimagenten der sechziger Jahre in den roten Röcken ihrer Majestät zu sehen. Das ist wie in Kiplings ➱Mandalay, wo es Come you back, you British soldier heißt.

I am often asked which of my films has come closest to my own ideal of performance and I always answer, 'Educating Rita'. To me, 'Educating Rita' is the most perfect performance I could give of a character who was as far away from me as you could possibly get and of all the films I have ever been in, I think it may be the one I am most proud of. In diesem Film kann er endlich sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen, ich finde er ist in Filmen wie ➱Hannah and her Sisters und Noises off besser aufgehoben, als wenn er den tough guy spielen muss.

Diese tough guys hat er natürlich drauf, das hatte er 1971 mit Get Carter bewiesen. Ich nehme mal an, dass mein Post ➱Britt Ekland seinetwegen beinahe zehntausend Mal gelesen wurde. Michael Caine war einer der wenigen englischen Schauspieler, die schnell den Weg nach Hollywood gefunden haben. Obgleich man sich vielleicht wünschte, dass er mehr Filme mit Woody Allen oder solche Filme wie ➱The Romantic Englishwoman mit Joseph Losey gedreht hätte. Und weniger von solch schrottigen Filmen wie Der weiße Hai: Die Abrechnung. Über den er sagte: I have never seen the film, but by all accounts it was terrible. However I have seen the house that it built, and it is terrific.

Aber er mochte Hollywood, es ist sein zweiter Wohnsitz geworden. Und er hat, wie er gerne gesagt hat, auch John Wayne viel verdankt: I remember when I first went to America, right after I made 'Alfie'. I met John Wayne in the lobby of the Beverly Hills Hotel. He’d just got out of a helicopter, he was dressed as Hondo and he came over and introduced himself to me. I said: “I do know who you are, Mr. Wayne.” He said, “You just come over?” “Yeah.” He said, “Let me give you a piece of advice: talk low, talk slow, and don’t say much.”

Er verdankt John Wayne noch einen zweiten wichtigen Ratschlag: Never wear suede shoes, because one day, Michael, you’ll be taking a piss, and the guy next to you will recognize you, and he’ll turn toward you and say, ‘Michael Caine!’ and piss all over your shoes. Ich hätte diese schöne kleine Anekdote schon erzählen können, als ich den Post ➱Wildlederschuhe schrieb, aber ich habe es damals gelassen. Wenn Sie hören wollen, wie Michael Caine diese Geschichte selbst erzählt, dann klicken Sie hier. Wildlederschuhe bringen mich zum Thema Herrenmode. Dies hier ist Michael Caine mit seinem Kumpel Doug Hayward, dem er auch viel verdankt. Im ➱Swinging London ist der der angesagteste Schneider Londons. Er kommt zwar wie Michael Caine aus der working class (und war immer stolz auf seine Cockney Wurzeln), aber die große Welt der Sixties lässt sich bei ihm die Anzüge machen.

Vor allem seine Freunde aus den ersten Tagen wie Michael Caine und Terence Stamp (die sich Anfang der sechziger Jahre noch ein Zimmer teilten, als sie noch nicht berühmt waren), aber auch Berühmtheiten wie Sir John Gieldgud und Rex Harrison. Für Terence Stamp entwirft er die Sachen für den etwas schrillen Film Modesty Blaise - ob ➱Dirk Bogarde sich seine abgefahrenen ➱Klamotten, die er in dem Film trägt, von seinem Schneider ➱Huntsman hat machen lassen, ist nicht bekannt. Aber wenn ➱Steve McQueen einmal in seinem Leben vernünftige Klamotten trägt (natürlich in The Thomas Crown Affair), dann können wir sicher sein, dass die ➱Anzüge von Douglas Hayward geschneidert wurden. Ich weiß nicht, ob sich Faye Dunaway bei der Gelegenheit auch ihre Klamotten von Doug Hayward hat schneidern lassen, aber sie ist (wie ➱Jean Shrimpton und Bianca Jagger) Kundin bei Hayward gewesen.

Angeblich soll er für seinen Freund Michael Caine auch das Vorbild für Alfie gewesen sein. Auf jeden Fall war er für seinen Kunden John Le Carré die Inspiration für Harry Pendel in The Tailor of Panama. Er ist Michael Caine ein lebenslanger Freund gewesen, abgesehen davon, dass er dafür gesorgt hat, dass Michael Caine immer gut angezogen war. Bei der Trauerfeier zum Tod von Hayward hat Sir Michael Caine eine Rede gehalten, wie auch Sir Roger Moore und Sir Michael Parkinson. Darauf spielte die Mail an, als sie ein Jahr später (Douglas Haywards Geschäft war gerade gerettet worden) ➱titelte: Suits you, sirs! Natty knights welcome deal to save legendary tailor from the final cut. Solche sprachspielerische Schlagzeilen bekommen nur die Engländer hin.

Die Gedenkgottesdienste für seine Freunde werden häufiger, das Bild zeigt Michael Caine im letzten Jahr nach der Gedenkfeier für Vidal Sassoon in der St Paul's Cathedral. Am Ende von What's it all All About? schrieb er: There are things that I have done in my life that I should regret. I don't - because I started with the firm conviction that when I came to the end, I wanted to be regretting the things that I had done, not the things that I hadn't. When I was young I took only half of the saying: 'Don't get mad, get even' on board, and I just got mad. Now.at last, I am even. Ich hoffe, er ist auch zwanzig Jahre später noch mit sich selbst im Reinen.


Ich habe Michael Caine ➱hier schon einmal vor zwei Jahren einen Geburtstagsgruß geschrieben. Und die Geschichte mit dem Kauf des ersten Rolls Royce steht natürlich auch schon ➱hier, sonst hätte ich sie heute erzählt.

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