Donnerstag, 1. August 2013

Richard Wilson


Wilson fills much the same place in the development of a tradition of landscape painting in Britain that Reynolds does in the development of portraiture. Sagt kein Geringerer als Sir Elllis Waterhouse in seinem Buch ➱Painting in Britain: 1530 to 1790. Aber irgendwie scheint sich das noch nicht so richtig herumgesprochen zu haben. Obgleich selbst  John Ruskin, der eine Zeichnung von Wilson besaß, über Wilson sagte: with the name of Richard Wilson, the history of sincere landscape art, founded on a meditative love of Nature, begins in England: and, I may add, for Europe...

Das sind Sätze, die immer wieder zitiert werden. Die aber nicht besonders originell sind. Sie klingen wie ein schwacher Aufguss von John Constable, der gesagt hatte: To Wilson, who was ten years the senior of Reynolds, may justly be given the praise of opening the way to the genuine principles of Landscape in England; he appeared at a time when this art, not only here, but on the Continent, was altogether in the hands of the mannerists … He looked at nature entirely for himself, and remaining free from any tincture of the styles that prevailed among the living artists, both abroad and at home, he was almost wholly excluded from any share of the patronage which was liberally bestowed on his contemporaries.

Der herablassende Satz, he paints in a manly way and occasionally reaches exquisite tones of colour, passt kaum zu einem Satz wie with the name of Richard Wilson the history of sincere landscape art founded on a meditative love of nature begins for England. Und Wilsons Vorbilder ➱Claude und ➱Poussin gehören nun überhaupt nicht zu Ruskins Lieblingen. Um es zurückhaltend zu sagen. Bei dem Bild von den Kreidefelsen von Dover und dem walisischen Caernarvon Castle (oben) kann man den Einfluss von Claude Lorrain nicht so klar erkennen wie auf diesem Capriccio Landscape with the Temple of the Sibyl at Tivoli and the broken bridge at Narni.

Wenn das Bild (das 1999 für den Schnäppchenpreis von 199.000 Pfund bei Christie's verkauft wurde) typisch für den Einfluss von Claude ist, so ist dieses Bild sicher ein schönes Beispiel für den Einfluss von Poussin. Es heißt The Destruction of Niobe’s Children und war die Sensation, als es 1760 in der Royal Academy ausgestellt wurde. Hier kommt ein Engländer, der zeigte, dass er die klassischen Ideallandschaften ebenso virtuos auf die Leinwand bringen konnte wie Claude oder Poussin. Da brauchte man nicht mehr nach Rom zu reisen, jetzt konnte man die klassische Landschaft auch schon in England kaufen. Der Erfolg des Bildes sichert Wilson für die nächsten Jahre eine Nische im Kunstmarkt. Sir George Beaumont, der schon drei Ölbilder von Wilson besaß, wird sich später von Wilson eine zweite Version des Bildes malen lassen.

Sieben Jahre lang war Wilson, der in England als Portraitmaler begonnen hatte, in Italien gewesen. Der Sohn eines Geistlichen, der eine gute Erziehung genossen hatte, begriff in Rom schnell, was die reichen englischen Gentlemen auf ihrer Grand Tour kaufen wollten: Klassik. In Form von antiker (oder neoklassischer) ➱Skulptur und in Form von Gemälden. Die Amerikanerin Elizabeth Wheeler Manwaring hat in ihrer Dissertation 1700-1800 (1925) dieses Phänomen detailliert beschrieben, das Buch ist zu Recht ein Klassiker der Kunstgeschichte geworden. Dies ➱BildDistant View of Maecenas' Villa, Tivoli, hat Sir George Beaumont auch besessen. Er kaufte es wahrscheinlich aus Nostalgie, zehn Jahre zuvor hatte er hier im Latium selbst die Landschaft skizziert.

Landschaftsbilder verkauften sich nur, wenn sie das Szenenbild für mythologische Figuren oder banditti wie bei Salvator Rosa waren. Es ist erstaunlich, wie versatil der Geschmack der englischen Kulturtouristen ist, die schnell bereit sind, das Personeninventar von Mythen und Historie gegen ein paar banditti auszutauschen. Oder deuten sich damit schon erste Vorläufer der Romantik an? Wenn der Geschmack des Patrons danach ist, liefert auch Richard Wilson ein Stil im Bild von Salvator Rosa. Mit Mord auf offener Bühne, Salvator Rosa mit seinem terrific sublime wirft einen langen Schatten bis ins Rokoko.

Dies Bild von Richard Wilson zeigt den Malerkollegen Francesco Zuccarelli, einen derjenigen Maler in Italien, der Wilson dazu gebracht hat, sich der Landschaftsmalerei zuzuwenden. Das ➱Bild ist mit großer Wärme und Sympathie gemalt worden, hat nichts von dem Förmlichen und Steifen an sich, das viele Portraits damals auszeichnet. Angeblich hat Wilson dafür lange die Bilder von Tizian studiert, obwohl es schwerfällt, hier einen Einfluß von Tizian zu finden. Bevor er nach Italien geht, wird er den jungen ➱Prince of Wales malen (den er schon gemalt hatte, als der noch ein ➱Kind war). Es ist wahrscheinlich eins seiner letzten Portraits gewesen.

Nach der Sensation des Bildes The Destruction of Niobe’s Children ist Wilson zuerst in England gut im Geschäft, auch wenn er jetzt für eine andere Klientel arbeitet als für die reichen und meist adligen  englischen Touristen in Rom. Mit denen Wilson gut auskam, man hält ihn (auch mit seiner eleganten Kleidung) eher für einen Gentleman als für einen Maler. Seine Familie gehört zu dem, was wir heute upper middle class nennen würden. Sein Cousin Lord Camden wird Lord Chancelor, und sein schwerreicher Onkel Sir George Wynne finanziert ihm seine Ausbildung. Solche Startbedingungen in der Welt, die jetzt Bilder kauft, hat Gainsborough nie gehabt. Wilson hat auch zahlreiche Schüler, von denen Joseph Farington der bekannteste ist. Nicht weil er ein großer Maler ist, sondern weil seine Tagebücher von 1793 bis zu seinem Tod eine der größten Informationsquellen über die Kunstwelt dieser Zeit sind.

Erstaunlicherweise hat es sehr lange gedauert, bis man das Genie seines Schüler Thomas Jones (Waliser wie Wilson) gewürdigt hat. Erst die Ausstellung Thomas Jones (1742-1803): An Artist Rediscovered vor zehn Jahren hat ihn endgültig aus der Versenkung geholt (obgleich ihn die Münchener Ausstellung Zwei Jahrhunderte englischer Malerei im Jahre 1979 schon als Geheimtip erwähnte). Dieses kleine Mauerstück ist 1782 in Neapel gemalt, wäre es siebzig Jahre später gemalt worden, würde man anerkennend sagen: Vorläufer des Impressionismus. Aber so etwas 1782 (dem Todesjahr von Wilson zu malen), das ist schon erstaunlich. Ich habe Jones (der auch Sir George Beaumont im Malen unterrichtet) schon einmal erwähnt, als ich über ➱Johann Christian Clausen Dahl schrieb. Das haben Tausende  gelesen, aber ich weiß nicht wie viele Leser den Link angeklickt haben - meine Links sind ja eigentlich das Beste an meinen Posts.

Wilson malt jetzt nicht nur seine klassischen italienischen Landschaften, jetzt wird er auch immer mehr englische und walisische Landschaften malen. Wie hier den Cader Idris (und weiter oben den Mount Snowdon). Karge Bergwelten, die auch nicht vom goldenen Licht eines Claude geschönt werden. Das hat einen großen Einfluss auf den jungen ➱William Turner (und auf ➱John Crome von der Norwich School) gehabt. Turner ist in den 1790er Jahren fünfmal nach Wales gereist, um dort zu malen. Eines seiner ➱Skizzenbücher heißt immer noch The Wilson Sketchbook.

Nicht nur auf Turner hat Wilson einen Einfluss, auch Constable wird ihn genau studieren. Das beginnt mit dem Aufenthalt des jungen Constable bei Sir George Beaumont, wo er das Bild Distant View of Maecenas' Villa, Tivoli kennenlernt, das ihm zusammen mit dem Claude von Sir George den Weg zur Landschaftsmalerei weist (lesen Sie ➱hier mehr dazu). Erstaunlicherweise hat Beaumont nie ein Bild von Constable gekauft. Aber Constable wird eines Tages zwei Bilder von Wilson besitzen, wenn er nach dem Tode Faringtons dessen Haus in der Charlotte Street kauft. Vollmöbliert, die beiden Wilsons inklusive, die Constable dreiundzwanzig Jahre zuvor auf Bitten von Farington kopiert hatte.

In der ➱Charlotte Street hatte Richard Wilson auch einmal gewohnt. Da hatte er es nicht weit zur Hamstead Heath, das war ihm wichtig. Der Kunsthistoriker Sir David Piper sagt in seinem Companion Guide to London über die Gegend um den Fitzroy Square: But the presiding spirit, I always feel, is the landscape painter Richard Wilson, caustic, bottle-nosed and melancholic, perennially broke in near-squalor but evolving out of his alcoholic haze those golden, classically-ordered visions of the Campagna and the Welsh and English countryside. Und damit spricht er schon den Niedergang Wilsons an, der in seinem letzten Lebensjahrzehnt von übermäßigem Alkoholgenuss gezeichnet war. Sir George Beaumont hat eine Karikatur von Wilson mit seiner roten Schnapsnase gezeichnet, die ich leider nicht im Internet finden kann (ist aber in dem Buch Collector of Genius: A Life of Sir George Beaumont zu finden). Poor Wilson is utterly incapable; indeed he moves about the streets an awful lesson to every intemperate artist, schreibt sein Malerkollege Ozias Humphrey einem Bekannten. Da lebt Wilson von dem schmalen Gehalt, das ihm die Royal Academy für seine Tätigkeit als librarian ausgesetzt hat. Er bekommt keine Aufträge mehr, er muss hoffen, dass Kunsthändler seine Werke verkaufen. Wenn er noch einen Auftrag bekommt, hat er häufig kein Geld mehr, um Leinwand, Pinsel und Farbe zu kaufen.

Nach einer vielzitierten Anekdote soll Wilsons Niedergang mit diesem Bild, Sion House from Kew Garden, begonnen haben. Der König hatte es in der Ausstellung der Royal Academy gesehen, aber sechzig guineas erscheinen unserem knausrigen George III zu hoch. Er schickt Lord Bute zu Preisverhandlungen bei Wilson vorbei, und Wilson sagt im Scherz Tell His Majesty he may pay for it by instalments. Das kommt bei Königs nicht so gut an an. George schickt das Bild zurück und Wilson verliert alle königlich Patronage. Nicht, dass das in finanzieller Hinsicht etwas bedeutet hätte. George gibt Geld für Taschenuhren und Fernrohre aus, in dem fetten 400-seitigen ➱Katalog George III & Queen Charlotte: Patronage, Collecting and Court Taste wird man den Namen Wilson vergeblich suchen.

Bevor Richard Wilson London verlässt und nach Wales zieht (er hat kurz vor seinem Tod eine kleine Erbschaft gemacht), bekommt er Besuch von einem unbekannten Gentleman, der ihm für eine schöne Summe alle Skizzenbücher abkauft. Es ist eine großzügige Geste, die dem Maler das Geld für die Reise nach Wales sichern soll. Wilson sagt ihm: Young man, I may never meet you again, but depend upon it you will live to see my pictures rise in esteem and price. Ähnliches sagt auch der Satiriker Peter Pindar in der sechsten Ode seiner ➱Lyric Odes to the Royal Academians, die 1783 in London ein größer Erfolg sind:

Peter flattereth Mr. Mason Chamberlin and that most brilliant Landscape Painter, Mr. Loutherbourg. Peter admireth, praiseth, and consoleth, the English Claude, Wilson.

Thy Portraits, Chamberlin, may be 
A likeness, far as I can see ; 
But, faith, I cannot praise a single feature : 
Yet, when it so shall please the Lord 
To make his people out of board. 
Thy pictures will be tolerable nature.
And, Loutherbourg, when Heaven so wills
To make brass skies, and golden hills,
With marble bullocks in glass pastures grazing;
Thy reputation too will rise,
And people, gaping with surprise, Cry, 
"Monsieur Loutherbourg is most amazing!"
But thou must wait for that event,
Perhaps the change is never meant ;
Till then, with me thy pencil will not shine :
Till then, old red-nos'd Wilson's Art
Will hold its empire o'er my heart,
By Britain left in poverty to pine.
But, honest Wilson, never mind;
Immortal praises thou shalt find,
And for a dinner have no cause to fear.
Thou start'st at my prophetic Rhymes :
Don't be impatient for those times ;
Wait till thou hast been dead a hundred year.

So nett diese Zeilen von Dr Wolcot sind, so ganz ist das mit der Berühmtheit nicht eingetreten. Wenn man sich die Auktionsresultate ➱hier anschaut, kann man nicht sagen, dass Wilson in der gleichen Liga ist wie Reynolds und Gainsborough. Wo er eigentlich hingehört. Wenn auch die Liebe zum Rotwein, sein Jähzorn und ein sich verschlechternder Gesundheitszustand seinen Niedergang beschleunigt haben, gibt es aber noch einen anderen Grund dafür, dass er die Gunst des Publikums verliert: seine kühle Klassik kommt ein wenig aus der Mode. Er muss sich anhören That the manner of Mr. Wilson was not suited to the English taste, and that if he hoped for patronage he must change it for the lighter style of Zucarelli. Ein neues, neureiches Publikum ist der strengen Klassik des Grand Style überdrüssig geworden. Aber Wilson ist stur, er hält an seinem Stil fest, so dass David H. Solkin mit einer gewissen Resignation konstatiert: By the time of his death, Wilson had drifted into almost total obscurity, and his works had been consigned to the storerooms of the past.

Richard Wilson, Gründungsmitglied der Royal Academy, wurde heute vor dreihundert Jahren geboren. Es gibt auch Quellen, die sagen, dass er am 1. August 1714 geboren wurde, aber so genau weiß das offensichtlich niemand. Wiki sagt 1714, der maßgebliche Wilson ➱Katalog von David H. Solkin, Richard Wilson: The Landscape of Reaction (Tate Gallery 1982) sagt 1713 und setzt ein Fragezeichen hinter das Datum. Ich lasse das mal so stehen. Vieles bei Richard Wilson bleibt immer noch ein Rätsel.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen