Mittwoch, 23. April 2014

William Shakespeare


Es ist über Shakespeare schon so viel gesagt, daß es scheinen möchte, als wäre nichts mehr zu sagen übrig, und doch ist dies die Eigenschaft des Geistes, daß er den Geist ewig anregt, schreibt Goethe unter dem ➱Titel Shakespeare und kein Ende! Der Dichter aus Stratford upon Avon hat heute seinen 450. Geburtstag, auf jeden Fall wurde er am 26. April 1564 getauft. Wir wissen nicht so viel über ihn (mit dem Maler ➱William Shakespeare Burton wird ihn aber keiner verwechseln), aber das mit dem Datum der Taufe wissen wir. Und dass er am Ende seines Lebens seiner Gattin Anne Hathaway im Testament das zweitbeste Bett vermachte.

Shakespeares Dichtungen sind ein großer belebter Jahrmarkt, und diesen Reichtum hat er seinem Vaterlande zu danken. Überall ist England, das meerumflossene, von Nebel und Wolken umzogene, nach allen Weltgegenden tätige. Der Dichter lebt zur würdigen und wichtigen Zeit und stellt ihre Bildung, ja Verbildung mit großer Heiterkeit uns dar, ja er würde nicht so sehr auf uns wirken, wenn er sich nicht seiner lebendigen Zeit gleichgestellt hätte. Nur in England, This precious stone set in the silver sea, konnte Shakespeare schreiben, glaubt Goethe. Und nur in der Zeit, die wir heute manchmal auch die Shakespearezeit nennen: Freilich hatte er den Vorteil, daß er zur rechten Erntezeit kam, daß er in einem lebensreichen protestantischen Lande wirken durfte, wo der bigotte Wahn eine Zeitlang schwieg, so daß einem wahren Naturfrommen wie Shakespeare die Freiheit blieb, sein reines Innere, ohne Bezug auf irgendeine bestimmte Religion, religios zu entwickeln

Goethe, der schon mit einundzwanzig Jahren in seiner Rede Zum Schäkespears Tag ausrufen konnte, Natur! Natur! Nichts so Natur als Shakespaeres Menschen! hat mit Shakespeare gemein, dass man eine Zeit nach ihm benannt hat, die Goethezeit (und wenn Sie Shakespeares Namen im Goethezeitportal im Suchfeld eingeben, bekommen Sie sehr viele Ergebnisse). Eine Schillerzeit gibt es nicht, aber eine Goethezeit. Klingt toll. Und wir haben auch gleich einen Klassiker dazu: Geist der Goethezeit: Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte von Hermann August Korff. Nur blöd, dass der ein Nazi war und den dritten Band (über die Frühromantik) Den Helden unseres Freiheitskampfes widmete. Damit meint er nicht die napoleonische Zeit sondern die Wehrmacht. Und das Vorwort datierte er mit Leipzig, am Tage der Einnahme von Paris, 14. Juni 1940. In der dritten Auflage von 1956, die bei mir im Regal steht, finden sich diese Worte wohlweislich nicht mehr.

Shakespeare und kein Ende. Womit anfangen? Wenn man etwas über den Hintergrund der Shakespearezeit wissen will, dann wäre meine Kauf- und Leseempfehlung unbedingt Das elisabethanische Zeitalter von Ulrich Suerbaum. Ein Reclam Band, der das gebündelte Wissen der Forschung bietet - und das unschlagbar preiswert. Und dann könnte man noch Shakespeare - Wie er euch gefällt mit dem Untertitel Die Geschichte einer Plünderung durch vier Jahrhunderte von ➱Gary Taylor lesen. Ein ➱Buch, das jedem Leser zeigt, dass William Shakespeares Werk mit den Abstrusitäten des heutigen Regietheaters sehr wenig zu tun hat.

Um einen Zugang zu dem beinahe unüberschaubaren Werk Shakespeares zu finden, würde ich empfehlen, mit der Lektüre der Sonette anzufangen. Auch da bietet Reclam einen Band mit allen 154 Sonetten, Englisch-Deutsch. Und das alles für sechs Euro sechzig. Das Interessante ist bei diesem Band, das man nicht einen Übersetzer bevorzugt hat, sondern eine Vielzahl deutscher Übersetzungen präsentiert. Man wollte bei der Auswahl jene Übersetzung nehmen, die den jeweiligen englischen Text am besten verständlich machen. Wenn man als Leser keine Übersetzungen braucht, dann könnte man die Sonette natürlich in einer Faksimile Ausgabe lesen, das finde ich persönlich sehr charmant. Und für den Shakespearefreund, der schon alles hat, habe ich hier noch einen ganz schrägen Tip: ... lesen, wie krass schön du bist konkret. Sie haben richtig gelesen, das ist der Buchtitel. Der Untertitel sagt schon etwas mehr: William Shakespeare, Sonett 18 vermittelt durch deutsche Übersetzer. Erschienen bei der Edition Signathur. Lesen Sie hier mehr dazu.

Und da das Buch das Sonett Nummer 18 zum Thema hat, fangen wir mit dem doch gleich einmal an:

Shall I compare thee to a summer's day?
Thou art more lovely and more temperate:
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer's lease hath all too short a date;
Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimm'd;
And every fair from fair sometime declines,
By chance or nature's changing course untrimm'd;
But thy eternal summer shall not fade,
Nor lose possession of that fair thou ow'st;
Nor shall Death brag thou wander'st in his shade,
When in eternal lines to time thou grow'st:
So long as men can breathe or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

Shakespeares Sonett Nummer 18 ist wohl das Sonett, das am häufigsten in Anthologien abgedruckt worden ist. Es ist schon für alles gebraucht worden: die darling buds of May sind zu einem Romantitel geworden (Prousts Übersetzer Scott-Montcrieff nahm sich Sonett 30 für den Titel Remembrance of Things Past), und Lehrer haben schon ihre Schüler aufgefordert, es für einen ➱Rap zu gebrauchen. Von Cartoons wie diesem wollen wir lieber nicht reden. Da hören wir uns doch lieber ➱Michael York an. Klicken Sie ➱hier.

Das berühmte Sonett hat immer wieder zu Parodien und Pastiches  herausgefordert, das Internet (in dem es aber auch so schöne Dinge gibt wie ➱Al Pacinos Looking for Richard) ist voll davon. So etwas liest sich dann zum Beispiel so:

Shall I compare you to a pizza pie?
you are more cheesy and more temper-hot,
as overcooking turns the dough too dry,
so summer days cause dough to bubble-spot,

Ein berühmt gewordenes Pastiche von Shall I Compare Thee to a Summer's Day stammt von Howard Moss, dem langjährigen Poetry Editor des New Yorker:

Who says you're like one of the dog days?
You're nicer. And better.
Even in May, the weather can be gray,
And a summer sub-let doesn't last forever.
Sometimes the sun's too hot;
Sometimes it is not.
Who can stay young forever?
People break their necks or just drop dead!
But you? Never!
If there's just one condensed reader left
Who can figure out the abridged alphabet,
After you're dead and gone, 
In this poem you'll live on!

Das ist etwas, was man neuerdings als shrinklit bezeichnet; etwas, wofür ein amerikanischer Dichter namens Maurice Sagoff berühmt geworden ist. Seine Fassung des altenglischen Beowulfliedes liest sich dann so:

Monster Grendel's tastes are plainish.
Breakfast? Just a couple Danish.
King of Danes is frantic, very.
Wait! Here comes the Malmö ferry
Bring Beowulf, his neighbor,
Mighty swinger with a saber!
Hrothgar's warriors hail the Swede,
Knocking back a lot of mead;
Then, when night engulfs the Hall
And the Monster makes his call,
Beowulf, with body-slam
Wrenches off his arm, Shazam!
Monster's mother finds him slain,
Grabs and eats another Dane!
Down her lair our hero jumps,
Gives old Grendel's dam her lumps.
Later on, as king of Geats
He performed prodigious feats
Till he met a foe too tough
(Non-Beodegradable stuff)
And that scaly-armored dragon
Scooped him up and fixed his wagon.
Sorrow-stricken, half the nation
Flocked to Beowulf's cremation;
Round his pyre, with drums a-muffle
Did a Nordic soft-shoe shuffle.

Dahin werden wir kommen, eines Tages wird es die ganze Weltliteratur nur noch als Maggi Würfel geben. Das erste Mal trat der Dichter in diesem Blog  in dem Post ➱Blankvers auf. Seitdem ist er wieder und wieder erwähnt worden. Als ich noch studierte, musste man ein Shakespeare Mittelseminar bei der Baronin ➱Gisela von Stoltzenberg besuchen, das mit einer vierstündigen Klausur endete. Wenn man die nicht bestand, kam man nicht ins Hauptstudium. Heute hat Shakespeare im Studium nur noch einen geringen Stellenwert. Studenten der Literaturwissenschaften lesen ungern, words, words, words. Warum die Werke von Shakespeare lesen, wenn es Bücher wie How to Become Ridiculously Well-Read in One Evening: A Collection of Literary Encapsulations von E.O. Parrott gibt? Hamlet in fünfzehn Minuten? Kein Problem, ➱Tom Stoppard hat es vorgemacht. Klicken Sie ➱hier.

Und so sei es genug an diesen wenigen Worten, wodurch Shakespeares Verdienst keineswegs erschöpft ist. Seine Freunde und Verehrer werden noch manches hinzuzusetzen haben. Das war natürlich noch einmal Goethe, Plattitüden hat er drauf. Und ja, wir haben noch etwas hinzuzusetzen an diesem Tag. Nämlich einen Limerick, den mir ein Leser (natürlich ein pensionierter Englischlehrer) schickte und den ich hier vor einem Jahr schon vorstellte. Aber er ist immer noch gut. Er ist ein klein wenig schmutzig, aber das ist Shakespeare auch. Der Fachterminus ist hier bawdy. Der berühmte Eric Partridge, dem wir viele Slang Dictionaries verdanken, hat das in seinem Buch Shakespeare's Bawdy ausgeführt.

Auf dem Buchdeckel steht: "Shakespeare's Bawdy" must rank as one of the great Eric Partridge's most outstanding accomplishments. In it Partridge, regarded by Anthony Burgess as 'a human lexicographer, like Samuel Johnson', was able to combine his detailed knowledge of Shakespeare with his unrivalled knowledge of Elizabethan slang and innuendo. It is, as he describes it, 'a literary and psychological essay and a comprehensive glossary', which opened the window upon a long-avoided aspect of Shakespeare's plays. "Shakespeare's Bawdy" is a work of delight and insight that has an appeal that transcends time and class. Acclaimed by Stanley Wells, editor of The Oxford Shakespeare, as 'a classic of Shakespeare scholarship', it takes its place alongside other classics with a well-deserved, if slightly cheeky, impunity. For sheer reading pleasure, "Shakespeare's Bawdy" is a wonderful addition to any bookshelf. Alles davon ist wahr. Aber nun das Gedicht des Tages, das Shakesparents, Shaken heißt:

Shakespère to Shakesmère, "Our Willie,
He shaketh his spear willy-nilly,
And with Anne hath a way
That her girth will display
He bangeth and screweth her silly."

Und wenn Sie endlich eine Antwort auf die Frage Why Shakespeare? haben wollen, dann schauen Sie sich diesen ➱Film von Lawrence Bridges an.

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