Dienstag, 30. September 2014

Truman Capote


Da ist er, der junge Dichter und Erzähler. Sorgfältig inszeniert von Henri Cartier Bresson. Truman Capote wäre heute neunzig geworden, aber er ist schon seit dreißig Jahren tot. Im Vorwort zu Music for Chameleons schrieb er 1980:  My life – as an artist, at least – can be charted as precisely as a fever: the highs and lows, the very definite cycles. I started writing when I was eight – out of the blue, uninspired by an example. I’d never known anyone who wrote; indeed I knew few people who read. But the fact was, the only four things that interested me were: reading books, going to the movies, tap dancing, and drawing pictures. Then one day I started writing, not knowing that I had chained myself for life to a noble and merciless master. When God hands you a gift, he also hands you a whip; and the whip is intended solely for self-flagellation.

Er galt einmal als die große Hoffnung der amerikanischen Literatur, man verglich ihn mit ➱William Faulkner. Woran erinnert man sich heute? Nicht für das, wo er einmal wirklich gut war, wie Miriam,  Other Voices, Other Rooms oder A Christmas Memory. Nein, wir erinnern uns an Holly Golightly und Breakfast at Tiffany's. Als ich jung war, fand ich Capote toll, das hat schnell nachgelassen. Aber den Film mit Audrey Hepburn, den mag ich noch immer. Lesen Sie ➱hier mehr dazu.

Sonntag, 28. September 2014

Et Dieu… créa la femme


Ich habe den Song noch in den Ohren:

Brigitte Bardot, Bardot
Brigitte Bardot, bravo!
Aucune fille au monde
N’est aussi sympa que toi
Brigitte Bardot, Bardot
Brigitte Bardot, bravo!
Pour toi, toutes les secondes
Chaque homme a le cœur qui bat


Sang 1961 ein gewisser Dario Moreno (Sie können ihn ➱hier hören). Brigitte Bardot ist in diesem Blog keine Unbekannte. Ich habe das Suchfeld bemüht und war überrascht, wie oft sie hier auftaucht. Einmal hätte ich beinahe über sie geschrieben, aber dann schrieb ich doch über ➱Angie Dickinson. Wo ich auch erwähnte, dass mein Freund Keith ein Auto besitzt, das einmal Brigitte Bardot gehört hat. Ich habe einmal darin gesessen. Näher bin ich ihr nicht gekommen. Aber heute, wo sie achtzig wird, da soll ein Post über die französische Darstellerin hier nicht fehlen.

Den Film kennen Sie vielleicht nicht, es ist nicht der typische Bardot Film. Der Film, der BB und Dirk Bogarde vereinte, hieß Doctor at Sea. Es war eine dieser liebenswert harmlosen Komödien, die die Engländer mit leichter Hand produzierten. Dirk Bogarde (der ➱hier einen langen Post hat) hat in der Hälfte dieser Filme mitgespielt, er hätte wohl gerne etwas anderes gespielt als den Dr Simon Sparrow, aber er hatte diesen Vertrag mit Rank, aus dem er nicht herauskam. Wenn Sie eine Szene aus diesem Film (mit Mondlicht, aber ohne ➱Mandolinen) sehen wollen, klicken Sie ➱dies an. Wenn Sie den ganzen Film sehen wollen, dann klicken Sie ➱hier. Dies Bild ist aus der letzten Szene des Films. Es gibt ein happy ending, sie kriegen sich. Im wirklichen Leben nicht.

Den Schauspieler James Robertson Justice, der wohl die erstaunlichste Lebensgeschichte von allen englischen Filmschauspielern hat (und den wir aus ➱Captain Horatio Hornblower und ➱Moby-Dick kennen), wird Brigitte Bardot in dem Film Le Repos du Guerrier wiedertreffen. Ich musste die Platte mit der Filmmusik hier mal abbilden, ich habe sie nämlich noch immer. Habe ich in Paris gekauft, als ich diese schlimme ➱Exi Phase mit französischen ➱Philosophen, französischen ➱Filmen und französischen ➱Chansons hatte. Die Filmmusik ist von Michel Magne, der auch Lieder für Juliette Gréco geschrieben hat.

Den Komponisten der Filmusik von Doctor at Sea sollte ich auch erwähnen. Es ist ein gewisser Robert Bruce Montgomery. Krimifreunde kennen ihn unter dem Namen Edmund Crispin. Ich weiß nicht so recht, warum ich noch nie über meinen Lieblingsautor geschrieben habe. Irgendwann schreibe ich mal über ihn, bis dahin  müssen Sie sich damit begnügen, das zu lesen, was in den Posts ➱Inspector Lewis und ➱Michael Innes steht.

Für diese Szene hinter dem Duschvorhang hatte man in den Pinewood Studios ein fleischfarbenes Trikot für Mlle Bardot vorgesehen. Sie hat es einmal anprobiert. Und duschte dann nackt. Zur Begeisterung aller Beteiligten im Studio. Only one character has been brought foreward [from Doctor in the House] Dr Simon Sparrow, again played by Dirk Bogarde, whose comedy touch gets more and more assured with every film... And for sheer enchantment there is little Brigitte Bardot the prettiest and sauciest girl the French have sent British Studios since Odile Versois, schrieb das Magazin Picturegoer. Und Brigitte Bardot, die nur ein einziges Wort Englisch konnte (und das war No!), sagte selbstironisch über den Film, dass er ihr conquête d'Angleterre gewesen sei.

Auf diesem Bild tanzt sie zwischen zwei Männern: Curd Jürgens, der seit dem Film Et Dieu… créa la femme (... und immer lockt das Weib) den Beinamen normannischer Kleiderschrank hat und Jean-Louis Trintignant. Der trägt ein hervorragend geschneidertes Tweed Jackett, aber man merkt auch, dass er ziemlich klein ist.

Curd Jürgens ist natürlich viel größer. Er hat auch einen guten Schneider, aber die Bardot wird mit dem kleinen Jean-Louis eine Liebesaffäre haben. Man konnte vor einem halben Jahrhundert den Eindruck haben, dass französische Filme nur deshalb gedreht wurden, um die ➱Schneiderkunst zu demonstrieren, von der die Hauptdarsteller umhüllt wurden. Frauen waren dabei nur ein zusätzliches dekoratives Element. Wir werden nur einen Augenblick von den Beinen von BB abgelenkt, aber unser Blick fällt auf Jean Gabin, der die Szene in Mit den Waffen einer Frau beherrscht. Die nur mit einem Pelz bekleidete Bardot (1958 trug sie so etwas noch) hat hier eher den Charakter eines Möbelstücks.

Sie ist (und dies ist natürlich ein Filmphotoaus Et Dieu… créa la femme) als Sexsymbol vermarktet worden - und sie hat sich als Sexsymbol vermarkten lassen. Das Heyne Filmlexikon urteilte über den Film: Geiler Groschenroman, in dem sich BB gekonnt in Szene setztWenn man sich dieses ➱Interview aus dem Jahre 1956 anschaut, dann sagt man unwillkürlich: Gott, ist die niedlich. Damals ist die Tochter eines reichen Industriellen zweiundzwanzig, wie eine erwachsene Frau wirkt sie nicht.

1956 ist das Jahr, in dem sie mit Roger Vadim als Regisseur Et Dieu… créa la femme dreht, da war sie noch mit Vadim verheiratet. Aber sie verlässt ihn und lebt zwei Jahre mit Trintignant zusammen (was dessen Ehefrau Stéphane Audran nicht so gerne gesehen hat). Den Ruf von ... und immer lockt das Weib wird sie jetzt nicht mehr los. Im gleichen Jahr dreht sie einen Film, der Das Gänseblümchen wird entblättert heißt.

Die französische Marianne (1968 von ➱Bardot) verkörpert, knöpft sich jetzt - symbolisch gesprochen - das Mieder auf. Das musste kommen. hatte doch schon ➱Delacroix die Freiheit mit nacktem Busen gemalt (eine Pose, die ➱Caroline de Bendern bekleidet wiederholte). Jetzt muss im französischen Film aux seins nus sein, man wollte das nicht den ➱Schweden und ➱Ingmar Bergmans Das Schweigen überlassen. Und was BB kann, dass kann MM (Bild) schon lange. Michèle Mercier wird in den sechziger Jahren als Angélique berühmt werden. Und dann hätten wir da noch die Blondinen ➱Mylène Demongeot und Mireille Darc (die ➱hier einen Post hat). Mireille Darc hat es geschafft, dass die Presse ihr Privatleben respektierte. Was Brigitte Bardot nicht hingekriegt hat. Oder auch gar nicht wollte.

Vielleicht war der Film Vie privée von Louis Malle ein Stück Autobiographie, auf jeden Fall war es zum ersten Mal nach La Vérité (1960) ein guter Film mit einem guten Regisseur. Der Film kommt schon in dem Post vor, der ➱Gregor von Rezzori heißt, deshalb lasse ich den jetzt mal weg. Mit Louis Malle (und wieder mit Rezzori wird sie auch Viva Maria! drehen. An der Seite von Jeanne Moreau, die keinen Schmollmund, aber eine ganz andere Karriere hat. Weil sie eine richtige Schauspielerin und kein bloßes Sexsymbol war (sie kommt ➱hier in Fahrstuhl zum Schafott vor).

Brigitte Bardot hat dann noch einen Film mit Godard gedreht. Habe ich damals gesehen, weil man Godard sehen musste, die Nouvelle Vague war angesagt. Aber ich habe Godard nie wirklich gemocht (À bout de souffle und Alphaville ausgenommen), was man auch daran sieht, dass ich eine Vielzahl von Posts über das französische Kino geschrieben habe, ohne ihn jemals ausführlich zu behandeln. Ich fand den Film banal, der einzige Lichtblick war Jack Palance (hier am Lenkrad des roten Alfa Romeo). Für Godard Fans gibt es ➱hier eine Analyse des Films.

Der spanische Drehbuchautor und Regisseur Jose Luis Guarner hat über den Film gesagt: Conscious of Brigitte Bardot’s limitations, he [Godard] has avoided adapting the character of Camille to the personal legend of B.B. and has tried the opposite course, starting from the fact that it is B.B. who plays Camille… During the course of Le Mépris, we never forget that we are seeing B.B. and not Camille, but we soon grow accustomed to it: we accept her acting just as we accept that Palance “is” Prokosch and Lang “is” Lang”.

Und um die limitations der Bardot wettzumachen, hat Godard noch eine ➱Szene gedreht, die nicht im Drehbuch stand. Wo BB das tun konnte, was sie am besten konnte: sich nackt auf dem Bett räkeln. Es war nicht seine Idee, es war die Idee der amerikanischen Geldgeber. Wenn jemand sagt Non, non, ça ne va pas, je veux voir le cul de Bardot, dann muss das gedreht werden. Der Text zu den Bildern ist aber wahrscheinlich sehr ironisch, vielleicht sind die Fragen der Bardot gar nicht an Michel Piccoli gerichtet, sondern richten sich an die amerikanischen Geldgeber: Tu les trouves jolies mes fesses? Et mes seins, tu les aimes ? Qu’est-ce que tu préfères : mes seins ou la pointe de mes seins? »« Alors, tu les as bien réclamées, tu les aimes mes fesses? Hein? Dis? On les voit assez, ça va?

Der Blondschopf da rechts in dem Alfa gehört ihr. Das ist das Ende von Le Mépris Brigitte Bardot stirbt (wie schon in Vie privée) den Filmtod. Vielleicht hätte sie jetzt aufhören sollen. Aber sie musste ja weiter Filme drehen. Zumeist belangloses Zeug. Wie zum Beispiel ➱Petroleum Miezen. ➱A Coeur Joi (Zwei Wochen im September) fand ich nett (aber harmlos), da war James Robertson Justice wieder dabei. 

Er spielte (diesmal im Kilt) sozusagen sich selbst. Denn wenn er hier einen Ornithologen spielt, dann versteht er etwas davon. Das Multitalent James Robertson Justice, der einen Doktortitel von der Universität Bonn besaß, war Gründungsmitglied des Wildfowl Trust und hatte Prince Charles in der Kunst der Falkenjagd unterrichtet (die er selbst in den fünfziger Jahren von Phillip Glasier erlernt hatte).

Brigitte Bardot hat in ihren Memoiren über James Robertson Justice gesagt, dass er ein wahrer Gentleman sei. Sie fand Gregor von Rezzori trés sympa, aber er fand sie ein wenig doof (lesen Sie ➱hier unbedingt Bonjour, Gricha! Gregor von Rezzori über seine Dreharbeiten mit BB). Viel mehr als der Schmollmund und der Po war da wohl nicht. Aber Schönheit ist vergänglich, das sagen uns schon die ➱Barockdichter. Die Bardot mochte diese älteren Männer wie Curd Jürgens, James Robertson Justice und Gregor von Rezzori. Vielleicht waren sie ein Ersatz für den Vater, der sie nur verprügelt hat und ihre jüngere Schwester mehr liebte als sie.

Wirklich gute Rollen, also diese Rollen, die Jeanne Moreau und Catherine Deneuve bekommen, erhält die Blondine nicht mehr. Sie hat Jahre nachdem Truffauts La Sirène du Mississipi in die Kinos behauptet, dass ➱François Truffaut ihr die Rolle versprochen hätte, die Catherine Deneuve bekommen hatte. Je suis ravie que ce soit un tel bide, parce que c'est bien fait. On me l'a piqué d'une manière tellement ignoble. J'étais folle de rage, hat sie auch noch gesagt. Truffaut hat ihr die Rolle nie versprochen, Sie können in dem Post ➱Waltz into Darkness (der auch gleichzeitig eine Einführung in die französische Herrenmode ist) alles dazu lesen.

Mit achtunddreißig hört sie mit der Schauspielerei auf. ➱Marilyn Monroe ist keine achtunddreißig geworden, die war schon vorher tot. Selbstmordversuche hat es genügend in ihrem Leben gegeben. Männer auch. Sie kam aus der französischen Bourgeoisie, jener Gesellschaftsschicht, die ➱Claude Chabrol so gnadenlos seziert hat. Jetzt ist sie wieder in die Bourgeoisie zurückgekehrt. Sie ist mit einem Rechtsradikalen verheiratet, aber sie sagt, dass er nicht zur Front National gehört: Mon mari, il a le droit de penser ce qu'il veut. Il a le droit de faire ce qu'il veut. Je ne vais pas commencer à régenter ses opinions. Moi, j'ai les miennes qui sont pas du tout les mêmes que lui. Je suis de droite, ça on le sait. Je ne suis pas du Front national. Alors après on me traite de fasciste, de nazi, de chemise brune. Wenn Sie das sagt, dann wird das stimmen.

Freitag, 26. September 2014

George Spencer Watson


Lassen Sie uns noch einen Augenblick beim Thema Kitsch bleiben, ich hatte das gestern versprochen. Allerdings eine andere Sorte Kitsch als Henry Scheffer, also so etwas wie diese Geburt der Venus von George Spencer Watson. Von dem gab es ja letztens schon das Bild Four Loves I found, a Woman, a Child, a Horse and a Hound in dem Post über Anthony Powell zu sehen. Und das erstaunliche Bild war für mich der Anlass, dem Maler etwas nachzugehen. Dabei stieß ich als erstes auf dieses Bild, elf Jahre nach dem Familienbild gemalt.

Eine Geburt der Venus, die hier etwas anders aussieht als bei Sandro Botticelli. Mit dessen Bild hat ja sogar Ursula Andress in dem ersten James Bond Film mehr Ähnlichkeit, auch wenn die Muscheln etwas kleiner geworden sind. Ein Jahr nach dem Tod des Künstlers kaufte die Tate Gallery diese bekleidete Lady in Black für die damals erstaunliche Summe von 350 guineas. Das Bild Birth of Venus brachte bei dieser Versteigerung nur zehn guineas. Wie wir aus der Geschichte der Aktmalerei wissen, ist die Geburt der Venus ein Thema, das den Malern selten überzeugend gelingt. Ich weiß nicht, ob Alexandre Cabanels Bild La Naissance de Vénus weniger scheußlich ist als das von Watson.

Wir können natürlich in einer direkten Linie von Botticelli bis Ursula Andress über Frauen sagen, die wenig oder gar nicht bekleidet dem Wasser entsteigen, dass das ein Thema ist, das man eigentlich immer verkaufen kann. Der Playboy wusste schon, weshalb er Kim Basinger bei dem ersten Shooting im Wasser plazierte. Und wenn wir das Bild von Watson etwas seltsam finden, vielleicht haben die Florentiner des Jahres 1485 das Bild der schaumgeborenen Venus von Botticelli auch etwas seltsam gefunden.

Und so etwas stirbt ja nicht aus. Sie können sicherlich in dieser Fortuna des kanadischen Malers André Durand die Prinzessin Diana wieder erkennen. Da liegen Jahrzehnte dazwischen, aber irgendwie ist es das gleiche. Ich bin nicht der erste, der die Ähnlichkeit zwischen den beiden Bildern gesehen hat. Aber genau wie in der Wissenschaft, wo der schöne Spruch gilt: Wissenschaft das ist und bleibt, was einer ab vom andern schreibt, gilt hier: Kunst kommt von Kunst. Oder wie sagte T.S. Eliot so schön: Immature poets imitate; mature poets steal. Postmoderne Maler tun ja nichts anderes als klauen.

Bleiben wir einen Augenblick noch bei den entblößten Frauen. Nicht weil das bei den Lesern so gut ankommt (die Leserzahlen bei dem Post Aktmalerei nehmen erstaunliche Formen an), sondern weil dieses Bild etwas ganz anderes ist als die nackte Venus. Mit dieser Dame sind wir sicherlich im Bereich der seriösen Aktmalerei. Wenn es so etwas gibt. Also das, worüber Kenneth Clark in seinem Buch The Nude schrieb:  No nude, however abstract, should fail to arouse in the spectator some vestige of erotic feeling, even if it be only the faintest shadow — and if it does not do so it is bad art and false morals. Das Bild, das als Geschenk von der Gattin des Malers seit 1941 in der Russell-Cotes Art Gallery in Bournemouth hängt, ist natürlich auch eine schöne Studie in der Verteilung des Sonnenlichts.

Dieses Picnic at Portofino aus dem Jahre 1911 ist ein Bild, das mir gefällt. Man könnte glauben, dass es sehr großformatig ist, weil es wie ein Szenenbild einer Theaterbühne wirkt, aber es ist nur 60 mal 80 Zentimeter groß. Während die Sunlight Nude ein Gefühl von einer Tiefe des Raumes gibt, ist die Venus ganz oben doch sehr flächig: Man stellt ein paar nackte junge Frauen an die Bühnenrampe und schiebt die Kulissen in den Hintergrund. Auch bei Picnic at Portofino, das vor Jahren für den Preis von ➱18.750 Pfund verkauft wurde, funktioniert diese in mehreren Ebenen hintereinander geschichtete Flächigkeit.

Die auch die Personen auf den einzelnen Ebenen von einander trennt, Entfremdung und Kälte schleichen sich ins Bild (ähnlich wie in Heinrich Vogelers ➱Bild Das Konzert). Watson war der Überzeugung, dass man erst ein guter Zeichner sein müsse, bevor man ein Maler sein kann. Und das sieht man auf all seinen Bildern, seine Kunst lebt von der Linie. Wenn wir Picnic at Portofino für einen Augenblick mit diesem dreißig Jahre früher gemalten Bild von John Singer Sargent vergleichen, stellt Watsons Malerei nicht unbedingt einen Fortschritt dar. Wenn es in der Malerei überhaupt einen Fortschritt gibt.

Nun könnte man sagen, dass man für die Portraitmalerei (und das ist die Art der Malerei, die George Spencer Watson am wichtigsten ist) nicht unbedingt eine große Tiefe braucht. Dies ist eine realistische Kunst, die eine kalte Farbphotographie ersetzt. Die Cynthia auf diesem Bild von 1932 ist sicherlich schön und elegant. Aber lebt sie? Wenn wir sie für einen Augenblick mit der Frau im Ruderboot vergleichen, die Ernest Board 1915 gemalt hat (klicken Sie doch mal eben hier), dann liegen Welten zwischen den Bildern. Gut, eine Chaiselongue (diese hier sieht übrigens beinahe so aus wie meine Biedermeier Chaiselongue im Wohnzimmer) ist nun mal kein Ruderboot, aber Sie wissen, worauf ich hinaus will. Cynthia ist im letzten Jahr für 11.250 £ verkauft worden. Es gibt aber - und das wird jetzt bei der plakativen Kunst von George Spencer Watson sicher nicht verwundern - genügend Angebote von Kunstdrucken.

George Spencer Watson hat einen Grund für die plakative Flächenhaftigkeit seiner Bilder: die Wiederbelebung der italienischen Renaissance (also eine Art Renaissance hoch zwei) spielt in seiner Kunst eine große Rolle. Tut sie für Harold Harvey, der dem Kreis der Newlyn School (zu dem auch Alfred Munnings gehörte) zugerechnet wird, überhaupt nicht. Und doch hat sein Bild Blackberrying aus dem Jahre 1917 Ähnlichkeiten mit Watsons Bildern. Und blackberry hat hier natürlich nichts damit zu tun, woran Sie gerade denken, blackberrying heißt Brombeeren sammeln.

Und dann hätte ich noch das Bild Holiday von Harry Morley aus dem Jahre 1935 anzubieten, das auch in einer seltsamen Art (ist das schon eine Karikatur der bürgerlichen Gesellschaft?) realistisch ist. Die englische Malerei zwischen den Weltkriegen verblüfft mich immer wieder, vor allem die Bilder jener Maler, die es nicht in übergreifende Darstellungen oder das Dictionary of British Art geschafft haben.

Dies Bild ist hier, um Sie etwas zu verwirren. Stilistisch ist es manchen bisher gezeigten Bildern ähnlich, aber es wurde schon im Jahre 1852 gemalt. Von einem Maler, der als verurteilter Mörder im Irrenhaus saß, und der hier seinen Doktor Sir Alexander Morison malt (lesen Sie hier mehr dazu, es ist wirklich interessant).

Damit Sie sehen, worauf ich hinaus will, bilde ich mal eben dieses Bild hier ab, Carl Blechens Waldweg bei Spandau aus dem Jahre 1835. Hier gibt es keine hintereinander gestaffelten Bildebenen, wir wandern mit unseren Augen auf dem Waldweg in das Bild hinein. Anstelle der Flächigkeit haben wir hier eine räumliche Tiefe, die uns hineinsaugt in den deutschen Wald, dieses archetypische Symbol der deutschen Romantik (lesen Sie dazu mehr in dem Post Moritz von Schwind). Carl Blechen ist einmal Theatermaler gewesen, er kennt natürlich alle Tricks der Illusionserzeugung durch Perspektive und Farbabstufung.

Von der Romantik wieder zurück zu englischen Malerei des 20. Jahrhunderts. Nicht alle Maler gehen den Weg, den George Spencer Watson für sich gefunden hat. Dieses Bild aus dem Jahre 1911 stammt von Ambrose McEvoy, einem Schüler von James Abott McNeill Whistler. Der später auch einmal mit Walter Sickert zusammengearbeitet hat. Sickert hat hier schon einen Post (wie natürlich James McNeill Whistler auch), er ist übrigens derjenige, den diese völlig durchgeknallte Patricia Cornwell für Jack the Ripper hält. Auch dieses Bild nimmt uns mit in den Raum, in eine warme atmosphärische Stimmung, die durch ihre Malweise ganz im Gegensatz zu dem Bild Picnic at Portofino steht. Natürlich sind noch größere Raumillusionen denkbar, die trompe-l’œil Malerei hat das bewiesen. Angeblich soll ja George Washington in Charles Willson Peales Studio Guten Abend, meine Herren gesagt haben, als er das Bild von Peales Söhnen sah (Sie könnten sich jetzt noch den von William Harnett gemalten Colt in dem Post Samuel Colt anschauen).

George Spencer Watson hat seine Familie immer wieder gemalt (in diesem ➱Blog können Sie noch mehr Bilder sehen). Seine Frau Hilda war ja schon auf dem Bild Picnic at Portofino zu sehen. Sie ist Tänzerin gewesen, hat aber auch einmal bei Carl Gustav Jung studiert (der übrigens einmal Anteilseigner der IWC war). Sie war eine Schülerin von Edward Henry Gordon Craig, dem Sohn der berühmten Ellen Terry. Was wäre George Bernard Shaw ohne die gewesen? Hilda Watson wird sich eines Tages in einer Scheune ihres Landhauses Dunshay ein kleines Theater einrichten.

In dieser künstlerischen Umgebung kann es nicht ausbleiben, dass George Spencer Watsons Tochter Mary, die als Neunjährige auf dem Bild Four Loves I found, a Woman, a Child, a Horse and a Hound auf dem Pferd saß und oben auf dem Bild The Saddler's Daughter zu sehen ist, auch Künstlerin geworden ist. Sie war schon mit sechzehn Jahren einmal in der Woche in der Bournemouth School of Art, zwei Jahre später war sie an der Slade School of Fine Art. Sie ist eine berühmte ➱Bildhauerin geworden. Als sie 2006 im Alter von dreiundneunzig Jahren starb, gab es das England, in dem sie aufgewachsen war, schon lange nicht mehr.

Das Familienbild an der Küste von Dorset, die Watson so liebte, ist übrigens vor wenigen Jahren für den stolzen Preis von ➱151.250 £ verkauft worden. Es war, wie auch The Saddler's Daughter und Picnic at Portofino, im Besitz von Mary Spencer Watson gewesen. 1923 hatte das Bild dem Vater den langersehnten Status eines Associate of the Royal Academy gesichert. Eine Sprecherin von Christie's sagte vor der Auktion: This is a really wonderful opportunity as his work rarely appears on the market and his talent deserves to be better known. Das sonst so zuverlässige Dictionary of British Art von David Bindman kennt den Maler nicht.

Dunshay Manor auf der Isle of Purbeck hat eine lange Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Im Jahre 1560 verkauft Henry FitzAlan Maltravers, der Sohn des neunzehnten Earl of Arundel, das Haus an einen reichen Farmer. Er braucht das Geld, er kann seine Schulden bei seinen Schneidern und der Geldverleihern nicht mehr bezahlen. Vor George Spencer Watson war schon einmal eine Malerin hier gewesen: Lucy Kemp-Welch (der die Engländer dieses patriotische ➱Plakat verdanken). Watson hatte Dunshay 1923 gekauft und sich gleich ein Studio in einem Nebengebäude eingerichtet.

Bis dahin hatte er ein Studio in Kensington (20 Holland Park Road) gehabt, was sicher die vornehmste Adresse für einen Portraitmaler war. Normalerweise wohnten Maler in Chelsea, auf jeden Fall haben das John Singer Sargent und James McNeill Whistler getan. Aber für George Spencer Watson musste es eben Kensington sein. Der stille, zurückhaltende Watson, der nichts von der flamboyance Whistlers an sich hat, geniesst das Landleben. Das kann man auf Four Loves I found, a Woman, a Child, a Horse and a Hound und ähnlichen Bildern sehen. Eigentlich hat er die Portraitmalerei, an der er gut verdiente, nie gemocht. Obgleich er sehr schnell arbeitet und selten mehr als eine Sitzung braucht, schätzt er die Intimität zwischen Maler und Modell nicht sonderlich. Dieses Bild von Frau und Kind wirkt viel freier und lebendiger als viele seiner Portraits (oder sein Selbstportrait unten).

Ich möchte mich dem Satz von der Sprecherin des Auktionshauses, his talent deserves to be better known, gerne anschließen. Es gibt eine Vielzahl englischer Maler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die so gut wie unbekannt sind. David Bindman hat in seinem Dictionary of British Art auch keinen Lexikonartikel für Sir Alfred Munnings, der schon in dem Post über Anthony Powell erwähnt wurde. Aber dafür bietet die BBC mehr als siebenhundert Bilder von Munnings auf ihrer ➱Seite an. Von ➱George Spencer Watson haben sie immerhin vierundzwanzig Bilder.

In den nächsten Tagen werde ich noch einen anderen wenig bekannten englischen Maler aus den zwanziger Jahren vorstellen. Das wird ein Post, in dem Rosamunde Pilcher, Virginia Woolf, Heringe, die Bremen-Vegesacker Fischerei Gesellschaft, John Wayne und Kapitänshunde vorkommen. Unmöglich sagen Sie? Nicht in diesem Blog.

Donnerstag, 25. September 2014

Henry Scheffer


Das Bild haben Sie schon einmal gesehen. Es war in dem Post über den Hamburger Millionär ➱Sir John Henry von Schroder, der seine Kunstsammlung seiner Heimatstadt schenkte. Was auch Gustav Christian Schwabe getan hat, der natürlich ➱hier auch einen Post hat. Der Post wird viel gelesen, was wohl daran liegt, dass er bei Google und Bing auf einem der ersten Plätze der Suchergebnisse liegt.

Was der Ary Scheffer kann, der das Bild mit der Szene aus Dantes Divina Commedia gemalt hat, das kann sein Bruder Henry Scheffer, der am 25. September 1798 geboren wurde, allemal. Es ist eine Malerei, die den Zeitgeschmack trifft. Nicht den Geschmack aller, glücklicherweise. Charles Baudelaire - der als einer der wenigen frühzeitig das Talent von ➱Eugène Boudin erkannt hatte - konnte die Bilder von Henry Scheffer nicht ausstehen. Das Bild hier zeigt Charlotte Corday, die gerade abgeführt wird. Es hängt in Liverpool, ist aber gar nicht das Original. Ist besser als das Original. Théophile Gautier hat 1845 über das Bild gesagt: M. Henri Scheffer, que le nom que nous venons de prononcer nous rappelle, nous montre Mme Roland et M. Delamarche allant au supplice. - Cette peinture a beaucoup de rapports avec la Charlotte Corday, et semble en être comme une espèce de pendant. - Nous reprochons à M. Henri Scheffer, pour ce tableau comme pour le portrait du roi, des morceaux cernés de noir et des tons de porcelaine que la nature n’offre pas. - Cela soit dit sans faire tort à la distinction et au sentiment, qui sont les qualités de M. Scheffer.

Ein Jahr später urteilte Charles Baudelaire über die im Salon ausgestellte Malerei: Du reste, cette peinture est si malheureuse, si triste, si indécise et si sale, que beaucoup de gens ont pris les tableaux de M. Ary Scheffer pour ceux de M. Henry Scheffer, un autre Girondin de l’art. Pour moi, ils me font l’effet de tableaux de M. Delaroche, lavés par les grandes pluies. Une méthode simple pour connaître la portée d’un artiste est d’examiner son public. M. E. Delacroix a pour lui les peintres et les poètes; M. Decamps, les peintres ; M. Horace Vernet, les garnisons, et M. Ary Scheffer, les femmes esthétiques qui se vengent de leurs fleurs blanches en faisant de la musique religieuse…Wie recht diese Kritiker doch hatten.

Für ➱Sir Joshua Reynolds stand die Historienmalerei ganz oben in der Rangfolge der Malerei. Er war aber klug genug, keine Historienbilder zu malen. ➱Gainsborough hat das glücklicherweise auch nicht getan. Die gloriose Historienmalerei ist bei den Franzosen gut aufgehoben, die haben ja schon die Glorie in ihrer Nationalhymne: Le jour de gloire est arrivé! Doch dann muss das anders aussehen als bei Henry Scheffer. Mindestens so wie auf diesem Bild von ➱Delacroix. Dagegen sehen die Historienbilder von Henry Scheffer aus wie ein kläglicher Abklatsch.

Dieses Bild zeigt die Heilige Johanna, wie sie am 8. Mai des Jahres 1429 in Orleans einreitet. Die Historienmaler des 19. Jahrhunderts wissen genau, wie das damals immer gewesen ist, wie es ausgesehen hat. Geschichte müssen wir malen, Geschichte ist die Religion unserer Zeit, Geschichte allein ist zeitgemäß, hat der Maler Wilhelm Kaulbach geschrieben, und daran scheint das ganze 19. Jahrhundert zu glauben (wenn Sie eine Übersicht darüber haben wollen, dann klicken Sie ➱diese Materialien an). Meine Jugend bestand nur aus solchen Bildern, ich habe das in dem Post ➱Moritz von Schwind schon gestanden. Aber auch von solchen Bildern kann man etwas lernen. In meinem Blog ➱nixwiekunst, in dem die Posts aus SILVAE zum Thema Kunst gesammelt sind, stehen 302 Posts. Ich möchte jetzt nicht zählen, in wie vielen schlimmer Kitsch vorkommt. In dem Punkt habe ich ein großes Herz. Aber es gibt Grenzen. Morgen beginne ich auch mit einem schlimmen Kitschbild, aber das wird interessanter als Henry Scheffer.

Dienstag, 23. September 2014

Wolfgang Heimbach


Heute vor 390 Jahren ist Willem Pietersz. Buytewech gestorben, er gilt als der Vater der niederländischen Genremalerei. Er ist allerdings ein Maler, der mich eigentlich nicht wirklich interessiert. Aber als ich den Namen Buytewech las, fiel mir als erstes der Maler Wolfgang Heimbach ein, der auch Genrebilder gemalt hat (und der sich hier ganz klein in die Ecke eines Bildes gemalt hat). Man nennt ihn auch den Stummen aus Ovelgönne, weil er taubstumm war. Entdeckt und gefördert hatte ihn sein Landesherr, der Oldenburger Graf Anton Günther, der ihn zum Studium in die Niederlande schickte.

Als Heimbach aus den Niederlanden zurückkam, ist er auch kurze Zeit für das bremische Bürgertum tätig gewesen. Die Bremer Kunsthalle besitzt aus dieser Zeit eins seiner ersten signierten Bilder mit dem Titel Vornehme Gesellschaft (oder auch Vornehme Hochzeitsgesellschaft). Es ist sehr kleines Bild. Es ist ein Kabinettstückchen, nur 30 mal 40 Zentimeter groß. Begonnen in Ovelgönne und vollendet in Bremen, wie man der Signatur entnehmen kann. Es ist übrigens wie Elsheimers Flucht nach Ägypten auf Kupfer gemalt. Es wäre mir beinahe nie aufgefallen, wenn mir mein Freund Peter nicht einmal gesagt hätte: Laß uns als erstes mal den kleinen Heimbach anschauen.

Ich habe in der Bremer Kunsthalle (die hier einen langen Post hat) nie eine Führung mitgemacht, ich habe mir die Welt der Malerei mit meinen eigenen Augen erobert. Und zusammen mit Freunden wie Peter (der professioneller Kunsthistoriker geworden ist) oder Uwe (der Kunstprofessor wurde). Nur einmal verdanke ich einem der Wärter etwas, diese witzige Geschichte habe ich hier schon erzählt. Mit dem Peter bin ich einmal in Köln im Wallraf Richartz Museum von den Wärtern festgenommen und zum Direktor gebracht worden, weil wir uns die Bilder zu genau angesehen haben. Na ja, die Alarmanlagen haben wir auch genau studiert.

Wir erzählen dem Direktor, dass wir kunstinteressierte Primaner auf einer Studienfahrt seien, die eine Facharbeit über Museen schrieben. Das mit der Studienfahrt (Köln, Mainz, Trier) stimmt, das mit der Facharbeit auch. Allerdings schreibe ich über Christoph Thomas Schefflers Fresken in Balthasar Neumanns St. Paulin in Trier. Ihr seid nur hier, um meine Wärter zu ärgern, sagt der Direktor. Geben wir zu. Wir sagen ihm aber auch, dass es uns geärgert hat, dass wir uns die Sammlung nicht angucken konnten, ohne drei Wärter auf der Pelle zu haben. Dass wir deshalb die Sache mit dem Studium der Alarmanlagen abgezogen haben. Das findet Gert von der Osten nun wieder komisch, wir werden (per Personalaufzug) wieder zurück in die an diesem Vormittag menschenleere Sammlung geleitet. Und von keinem Wärter mehr behelligt.

Der Stumme aus Overgönne war vor fünfzig Jahren ein Geheimtip. Er ist heute leider noch nicht viel besser erforscht (der Wikipedia Artikel ist auch etwas mickrig). Wenn ich es recht sehe, dann gibt es neben Gertrud Göttsches 79-seitiger Monographie aus dem Jahre 1935 nur das Buch Die Genrebilder von Wolfgang Heimbach, das Christiane Morsbach 1999 veröffentlichte (das war ursprünglich einmal eine Magisterarbeit an der Universität Mainz).

Man weiß nicht einmal genau, ob es sich bei der Bremer Vornehmen Gesellschaft wirklich um die Darstellung einer Hochzeitsgesellschaft handelt, wie gemeinhin angenommen wird. Dafür sprächen allerdings das Bett (in dem Alkoven rechts) und die Hunde als Symbol ehelicher Treue. Im Katalog der ersten bremischen Kunstausstellung im Jahre 1829 wird das Bild mit dem Titel Hochzeit eines Bremer Ratsherrn mit einer Ovelgönnerin geführt (dafür sprächen das Bremer und das Oldenburger Wappen auf dem Kamin). Das Bild ist zuerst in der Sammlung des Bremer Kaufmanns Gerhard Christian Garlichs gewesen, der sein Vermögen mit den neuesten engl. Long-Shawls und französ. Bourre de Soie-Tücher in allen gangbaren Farben gemacht hatte.

Da ich bei Farben bin, muss ich mal eben dies Bild Heimbachs abbilden (das im Schloss Rosenborg hängt), die Huldigung der dänischen Ständeversammlung an ihren König Frederik im Jahre 1660. Mit dem wahrscheinlich längsten roten Teppich in der Kunstgeschichte (der in einen rot überzogenen Thron mündet). Ganz unten links ist der Maler selbst zu sehen, so wie wir ihn ganz oben schon auf dem Detail gesehen haben. Das Westfälische Landesmuseum in Münster nennt seit 1995 das wohl einzige wirkliche Selbstportrait des Malers sein eigen. Wenn mir die Farben schon eine Abschweifung wert sind, so sollte es die Mode auch sein. Wohl eine der größten Privatsammlungen von Heimbach Bildern, besitzt jemand, der mit Mode sein Geld verdient. Der auch einer der größten Kunden der Firma Regent ist. Es ist der Münsteraner Textilhändler Thomas Rusche, dessen Firma Sør heißt, die kennen Sie alle. Das beweist wieder einmal, dass bei den Verdienstspannen der Klamottenindustrie immer ein wenig übrig bleibt.

Obgleich Garlichs seit Bestehen des Kunstvereins dessen förderndes Mitglied war, hat er sich nicht dazu verstehen können, seine Sammlung der Kunsthalle zu schenken. Sie wurde 1832 verauktioniert, blieb aber zum großen Teil bei Bremer Sammlern. Seit dem Jahre 1908 ist das Bild nun im Besitz der Kunsthalle, aber mehr Bilder von Heimbach besitzt die Bremer Kunsthalle leider nicht. Allerdings hat das Focke Museum noch ein schönes Portrait von Christina Graevaeus aus dem Jahre 1636. Davon gibt es im Internet natürlich kein Bild, aber die junge Dame auf dem Bild trägt diese damals modische Mühlsteinkrause, so wie die Dame auf diesem Bild von Jan van Ravesteyn.

Diesen jungen Herrn (vor der Kulisse von Kopenhagen) besitzt die National Gallery in London. Man kann im Vergleich mit Jan van Ravesteyn schon einen gewissen Qualitätsunterschied sehen. Die Kraft Heimbachs, sein Gebrechen zu meistern, hat ihm wahrscheinlich an den Höfen Europas mehr Achtung und Sympathie erworben als seine bescheidenen Werke es vermochten, steht auf einer Karteikarte, die ich vor fünfzig Jahren geschrieben habe. Postkarten von der Vornehmen Gesellschaft und Frau Christine Graväus, gen. Steding stecken neben der Karteikarte im Karteikartenkasten (ja, so etwas gab es mal, war das Rüstzeug jedes Kunstgeschichtsstudenten). Woher habe ich bloß diesen Text? Irgendwo abgeschrieben? Frühe Genialität?

Seinen Landesherrn, den Grafen Anton Günther (hier auf der rechten Seite von einem Doppelportrait, das ihn mit der Gräfin Sophia Katharina zeigt) hat Heimbach auch in die (Hochzeits-) Gesellschaft hineingemalt. Er ist im Hintergrund in der Bildmitte vor dem Kamin zu sehen (einen ähnlichen Kamin kann man übrigens auf einem Bild von Bartholomeus von Bassen sehen). Der Graf hat es im Dreißigjährigen Krieg diplomatisch geschickt verstanden, das Oldenburger Land aus den Kriegswirren herauszuhalten, indem er Allianzen mit Schweden und Dänemark einging. Was Wolfgang Heimbach auch nach Dänemark brachte. Am Hofe Frederiks III von Dänemark ist er von 1653 bis 1662 tätig gewesen.

Dort hat er auch Waldemar Christian, den Sohn des dänischen Königs Christian IV gemalt. Christian IV ist irgendwie mein Lieblingskönig, wahrscheinlich weil ich als Jugendlicher eine Woche in Kopenhagen war und beinahe täglich im Schloss Rosenborg war (lesen Sie hier mehr). Pferde sind nicht unbedingt das Forte von Wolfgang Heimbach, ein Pferde-Krüger ist er auf keinen Fall. Auch kein Rembrandt oder Jürgen Ovens. Er kann wirklich nicht so gut malen wie viele seiner Zeitgenossen. Aber man hat ihn an den Höfen und auf den Adelssitzen gemocht. Vielleicht war ein taubstummer Maler auch praktisch, er kann keinerlei Staatsgeheimnisse ausplaudern, die er beim Malen erfährt.

Und so malt er den König Frederik (der auch Koadjutor von Bremen war), wie ihm der Engel vor der Schlacht von Nyborg offensichtlich gerade verkündet, dass er die Schweden schlagen und die Souveränität Dänemarks bewahren wird. Heimbach arbeitet auch für den Erzherzog Leopold Wilhelm und für Ferdinando II de’ Medici. Und für den Reichsfürsten Ottavio Piccolomini, dessen Namen wir aus Schillers Wallenstein kennen. Denn da kommt sein Sohn Max vor, den es allerdings nie gegeben hat. Aber Schiller irrt sich in seinen historischen Stücken ja häufiger, weshalb wir ihm auch die unsterblichen Zeilen I freilich! Und Er ist wohl gar, Mußjö, Der lange Peter aus Itzehö? verdanken.

Der Stumme aus Ovelgönne kommt weit herum in Europa. Er ist beinahe zehn Jahre lang in Italien gewesen, wo er für Ferdinando II de’ Medici und das Adelshaus Doria-Pamphilj gearbeitet hat. In deren Sammlung ist dieses junge Mädchen mit Lampe zu finden. Das Bild habe ich in dem Blog von Frank Zumbach gefunden, der Blog eines Edgar Allan Poe Spezialisten, den ich unbedingt empfehlen kann. Solche Bilder wie dieses waren eine Spezialität von Heimbach. Nicht dass er die Chiaroscuro Malerei (die noch ein Jahrhundert später Joseph Wright of Derby das Mittel des Helldunkels mit großem Erfolg einsetzen wird) erfunden hätte, gegen Caravaggio und Georges de la Tour ist er kein Vergleich.

Es gibt in der Sammlung Doria-Pamphilj zu dem Mädchen mit der Kerze noch ein Komplementärbild, das einen jungen Mann mit einer Lichtquelle zeigt. Diese Bilder von Heimbach scheinen bei seinen Auftraggebern sehr beliebt gewesen zu sein. Und es ist nicht immer nur eine einzige Lichtquelle zu sehen. Bei diesem auf 1640 datierten Bild Nächtliches Bankett, das sich in Wien befindet, gibt es eine Vielzahl von Lichtquellen, die das Bild erleuchten.

Heimbachs letzter Arbeitgeber ist der Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen von Münster gewesen, den er stolz zu Pferde gemalt hat. Im Hintergrund ist die Stadt Groningen zu sehen. Die hat Galen als Verbündeter von Louis XIV vergeblich einzunehmen versucht. Aber die Holländer überschwemmen mal wieder ihre Felder und Wiesen und denken überhaupt an nicht Kapitulation. Diese beiden Bilder sind nicht aus reiner Bosheit von mir hierher gestellt, sie zierten einmal eine Seite der Welt, die damals titelte"Bomben-Bernd" – ein Vorbild für Tebartz-van Elst: Limburgs Bischof wurde stark durch das Bistum Münster geprägt. Dort regierte einst Christoph Bernhard von Galen, ein machtgieriger, größenwahnsinniger und verschwendungssüchtiger Kirchenfürst. Ja, diese Analogie bietet sich schon an. Den Namen Bomben-Bernd (oder Bommen Bernd) hat Galen bekommen, weil er Groningen mit Mörsern beschießen ließ. Man feiert in Groningen noch an jedem 28. August den Gronings Ontzet, den Tag, an dem Bommen Bernd aufgegeben hat.

Graf Galen hoch zu Roß bringt mich noch einmal auf den Grafen Anton Günter zurück. Dieses Bild ist nicht von Wolfgang Heimbach, es prangt an der Außenwand des Hotels Graf Anton Günther in Oldenburg. Das Lokal spielt eine nicht unwichtige Rolle in dem Theaterstück Grünkohl für Holland von Otto Jägersberg. Einem Schriftsteller, den sogar Arno Schmidt schätzte. Das Theaterstück wird in diesem Blog schon in einem Post zitiert, der den Titel Kohl und Pinkel hat (und den ich unbedingt empfehlen kann). Der Apfelschimmel des Grafen Anton Günter heißt Kranich, das weiß in Oldenburg jedes Kind. Also, früher war das so, als die Welt noch daraus bestand, dass man sich Geschichten erzählte. Kranich hat auch eine Geschichte, Sie können sie hier lesen.

Und diese badenden Mägdelein, die die Kunstsammlungen Augsburg 1982 erworben haben, wären jetzt nicht unbedingt nötig gewesen. Sie sind nur hier, weil ich damit eine schöne Überleitung zu einem der nächsten Posts habe, der George Spencer Watson heißen wird. Ein interessanter englischer Maler, der schon in dem Post über Anthony Powell erwähnt wurde.

Wenn ich über Buytewech geschrieben hätte, wäre das heute nicht so interessant wie dies hier geworden.