Sonntag, 16. November 2014

Husarenstreich


Vor vier Wochen hätte dieser Post einen aktuellen Bezug gehabt. Ich hatte ihn angefangen, dann war er liegengeblieben. Ich hatte gerade ➱Inspector Gently fertig und schrieb an dem schicksalschweren Post ➱Morgen? Und den Post ➱Lederjacken wollte ich auch endlich einstellen. So blieb der Husarenstreich des Futak András erst einmal liegen. Bis ich bei meinen ➱Aufräumarbeiten darüber stolperte. Was tun? Bis zum 16. Oktober 2015 warten? Ach was, hinein ins Netz. Sie warten ja auf Ihre Sonntagslektüre. Da kann eine kleine Geschichtsstunde nicht schaden.

Mit dem Wort Husarenstreich bezeichnet man ein geglücktes waghalsiges, tollkühnes Unternehmen. Der berühmteste Husarenstreich glückte am 16. Oktober des Jahres 1757, als es dem österreichischen General Andreas Hadik von Futak gelang, für einen Tag Berlin einzunehmen. Damals ist die Stadt ja noch nicht sehr groß, vielleicht 100.000 Einwohner. Dazu noch einmal 25.000 Militärpersonen, die hier stationiert sind. Es ist noch nicht das Berlin, über das Werner Hegemann voller Wut und Ingrimm seinen Klassiker der Architekturgeschichte Das steinerne Berlin: Geschichte der größten Mietskasernenstadt der Welt schreiben wird.

Andreas Hadik von Futak hat übrigens an dem Tag Geburtstag, da will er sich ein besonderes Geschenk machen. Er will auch nicht lange bleiben, die Truppen von Friedrich sind schon hinter ihm her. Aber er will Geld, viel Geld. Und Berlin zahlt. Wenn heute ein österreichischer oder ungarischer General Berlin einnehmen würde, würden ihm die Berliner wahrscheinlich den Flughafen Berlin Brandenburg als Geschenk anbieten. Maria Theresia hat ihren ungarischen Feldmarschallleutnant zum Grafen gemacht und ihm das Großkreuz des Maria Theresien Ordens verliehen. Friedrich hat ihm den Husarenstreich nie verziehen.

Der englische Gesandte Sir Andrew Mitchell in Berlin (hier von Allan Ramsay, dem Freund des Philosophen ➱David Hume, portraitiert) ist ein genauer Beobachter des Siebenjährigen Krieges gewesen. Wer dieser Andreas Hatik von Futak ist, das weiß er auch. So schreibt er am 28. September 1756 aus Dresden an Robert Darcy, den vierten Earl of Holderness: Mein lieber Freund, endlich habe ich Zeit gefunden dir zu schreiben. Die Vorkommnisse, seit der preußische König beschlossen hat gegen seine Feinde ins Feld zu ziehen, sind mannigfaltig. Überstürzt musste ich Potsdam mit dem königlichem Stab verlassen. Wir reisten innerhalb weniger Tage an die sächsische Grenze und überschritten diese bei Zeiten. Der Widerstand der sächsischen Truppen war gering, doch nun haben sie sich in einem starken Lager bei Pirna verschanzt. Ihre Zahl wird auf die 15.000 Mann geschätzt. Die königlich preußische Armee ist vor das Lager gerückt. Den Sachsen verbleibt nun nur noch die Hoffnung auf eine schnelle Reaktion Seitens der Österreicher. Doch diese scheinen sich bis jetzt Zeit zu lassen. Lediglich bei Lobositz haben die Husaren von Zieten eine Abteilung Panduren und ungarische Husaren unter dem Kommando Andreas von Futak angetroffen. Wir werden sehen wie sich die jetzige Situation entwickelt. Dein Freund Andrew.

Vielleicht hätte Friedrich sein Berlin besser schützen sollen. Denn ein Angriff auf die Truppen entblößte Stadt erschien Beobachtern schon als absehbar. Sir Andrew Mitchell rechnete damit, dass die Franzosen und Österreicher [...] bis Weihnachten nicht bloß im Besitz von Berlin, sondern auch des größten Teils der preußischen Erblande sein [werden]. Gut, Friedrich schlägt 1757 als Feldherr die Schlachten von Prag, Roßbach und Leuthen, aber er ist nicht in Berlin.

Wenn Friedrich seiner Waffen Blitz 
Kühn in die Ferne trug; 
Schützt er doch seinen Königsitz 
Vor Haddick nicht genug.

dichtet ein gewisser Ignatz Cornova in Die Helden Oesterrreichs, besungen in Kriegsliedern. Und Johann Baptist von Alxinger schreibt in Auf Hadiks Tod

Berlin erzitternd gab 
ihm aufgehäuftes Gold und kaufte sich vom Blitze 
Des unvermeidlichen Verderbens frey, 
Eh Friederich erfuhr, dass seinem Sitze 
Des Siegers Flamme dräu.

Die Husaren haben nicht unbedingt den besten Ruf, nach der Schlacht bei Mollwitz heißt es in einem Tagebefehl Friedrichs: Weiber, Husaren und Packknechte, die beim Plündern ertappt werden, sollen sofort gehenkt werden. Aber dann freundet sich der König doch mit der leichten Kavallerie an. Die Dichter haben sie immer gemocht. Sie haben rote Husaren besungen (➱Carl Busse), schwarze (➱Klabund) und blaue Husaren. Obgleich das mit den blauen Husaren bei Heinrich Heine schon ein wenig ironisch klingt:

Es blasen die blauen Husaren,
Und reiten zum Tor hinaus;
Da komm ich, Geliebte, und bringe
Dir einen Rosenstrauß.

Das war eine wilde Wirtschaft!
Kriegsvolk und Landesplag!
Sogar in deinem Herzchen
Viel Einquartierung lag.


Theodor Fontane, der ein großes Herz für die Haudegen zu Pferde hatte, hat den General Zieten (mit dem Militärhistoriker unseren Hadik András gerne vergleichen) bedichtet:

Joachim Hans von Zieten, 
Husaren-General,
Dem Feind die Stirne bieten,
Er that’s wohl hundert Mal;
Sie haben’s All’ erfahren,
Wie er die Pelze wusch,
Mit seinen Leibhusaren
Der Zieten aus dem Busch.

Eines der ältesten Husarenlieder kennen wir wahrscheinlich alle, es ist das Lied vom treuen Husaren. Der zuerst wohl ein roter Husar und kein treuer Husar war. Achim von Arnim und Clemens Brentano haben ihn in Des Knaben Wunderhorn verewigt. Und in Ludwig Erks Deutschem Liederhort ist er natürlich auch drin. Das ist ein Buch, das ich gut kenne, das Exemplar meines Opas liegt immer in der Nähe des Klaviers, ich habe es auch schon in dem Post ➱Lützow erwähnt. Das hier ist natürlich Gérard Philipe in Fanfan der Husar. Der Film spielt zwar in der gleichen Zeit, in der unser General Hadik aktiv ist, aber richtige Husaren kommen darin gar nicht vor.

Im Original heißt der Film (den man ➱hier sehen kann) Fanfan la Tulipe. Es ist übrigens kein Film, der den Krieg verherrlicht. Am Anfang des Louis XV Western (wie ➱Pauline Kael den Film nannte) hören wir die Stimme eines Historikers, der uns versichert (während auf der Leinwand fleißig im Kanonendonner gestorben wird), dass der Krieg ein Spielzeug für Könige ist, und dass Schlachten nur deshalb geschlagen werden, damit man später in der Schule schöne Zitate aufsagen kann. Wie zum Beispiel: Generäle, die im Krieg sterben, haben ihren Beruf verfehlt. Das Zitat stammt auch aus dem Film.

Von dem treuen Husaren gibt es ja unendlich viele Fassungen, es gibt sogar eine von Willy Millowitsch. Weil unser treuer Husar inzwischen zu einem Karnevalsschlager geworden ist (die Bläck Fööss haben das auch gesungen). Aber eine Version muss doch hervorgehoben werden, und das ist die von ➱Louis Armstrong. Angeblich hat er das Lied zum ersten Mal in einer Jukebox in Schröders Hotel in Schwarzenbek gehört und es dann gleich verjazzt. Und bei seinen Auftritten in Deutschland zur Begeisterung des Publikums gerne gespielt. Die Geschichte mit Schwarzenbek findet sich in dem Buch Eines treuen Husaren Bratkartoffelverhältnisse von Jürgen Peters, sie findet sich aber auch bei Jay in dem Post ➱Schwarzenbek. Das ist ein Post, den Sie unbedingt lesen sollten.

Und wenn Sie alles über den Berliner Husarenstreich wissen wollen, dann klicken Sie ➱dies an.

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