Sonntag, 14. Dezember 2014

Ärmelfutter


Ich habe letztens ein altes Tweedjackett zum Schneider gebracht, das Ärmelfutter war hin. Weiß nicht, wie das kommen konnte. Zwar wird das Ärmelfutter immer sehr strapaziert, aber normalerweise gibt es nicht schon nach dreißig Jahren auf. Ich liebe dieses Jackett, also übergab ich es dem netten Schneider Herrn ➱Yesilyurt, der ein Meister seines Fachs ist. Und Herr Yesilyurt, dem auch die führenden Herrenausstatter des Ortes ihre Änderungen anvertrauen, hat mir ein neues gestreiftes Ärmelfutter eingenäht. Streifen musste sein, das Muster konnte ich mir aussuchen. Was mich auf den Gedanken brachte, einmal über Ärmelfutter zu schreiben.

Gut. es gibt wichtigere Dinge, und wir sollten all diese Kleinigkeiten wie Ärmelknöpfe und Ärmelfutter nicht zu ernst nehmen. Man kann sie natürlich sehr ernst nehmen. Claude Lévi-Strauss hat einmal über ein Gespräch mit dem Historiker ➱Lucien Febvre geschrieben: Je me souviens d'une conversation vieille de plus de trente ans avec Lucien Febvre ... [Febvre] souhaitait que les historiens se penchent sur des problèmes comme celui de l' origine et de la distribution du bouton...

Eine Sozialgeschichte der Knöpfe und der Kleidung, das wäre eine schöne Sache, aber bisher ist noch niemand dem Traum Lucien Febvre wirklich nahegekommen. Farid Chenounes A History of Men's Fashion war ja der richtige Anfang, aber leider ist bisher nichts Ähnliches geschrieben worden. Und leider ist Chenounes ➱Modegeschichte auch schon so gut wie vom Markt verschwunden. Futter und Ärmelfutter eines Jacketts sind vielleicht die unwichtigsten Dinge in der Herrenmode (wobei unwichtige Dinge in diesem Blog natürlich gut aufgehoben sind), man sieht sie normalerweise nicht. Man sollte sie auch nicht sehen. Außer man besitzt ein solches Etro Jackett wie das da oben, dann muss man das schon zeigen. Die Reformmode der Herren aus dem Jahre 1937 hier, die müsste man allerdings nicht unbedingt zeigen.

Das Ärmelfutter sollte verborgen bleiben. Wie die lingerie der Damen. Die sieht man allerdings manchmal, aber dem Ärmelfutter kann man im Gegensatz zur lingerie keinerlei erotische Qualitäten zuschreiben. Männer zeigen ihre Unterwäsche nicht, es sei denn, außer sie sind John Major und stecken ihr Oberhemd in die ➱Unterhose. Dann lacht ganz England über sie. Nein, wir sind Viktorianer, wir zeigen keine Unterwäsche und kein Ärmelfutter. Es sei denn, wir heißen Jean Cocteau und tragen unsere Anzüge so wie auf diesem Photo. Dann kann es schon mal passieren, dass man das Ärmelfutter sieht. Aber wer will schon so herumlaufen?

Wir können auf diesem Photo sehen, dass der Ärmel dieses Sakkos ein gestreiftes Futter hat. Dass man den Ärmel auch noch aufknöpfen kann (lesen Sie mehr in dem Post ➱Ärmelknöpfe), können wir natürlich auch sehen. Die Knöpfe sind mit einem Kreuzstich angenäht, daran erkennt man den Schneider (außer bei Regent, die, seit sie mal von Van Laack übernommen wurden, ein Knopfloch mit drei Löchern haben), Das mit dem Kreuzstich scheint allerdings Geschmacksache zu sein, viele Italiener des Luxusgenres verwenden ihn nicht. Also bei Brioni, Caruso oder Kiton zum Beispiel finden wir den Kreuzstich selten. Das Ärmelfutter ist hier gestreift, Bengal stripes nennen die Engländer das. Der Anzug scheint mir von ➱Davies & Son zu kommen, die genau diesen Streifen schon sehr lange verwenden.

Wenn Knöpfe nicht mit einem Kreuzstich angenäht werden, sieht dann (wie an diesem Kiton Jackett) so aus. Die Knöpfe berühren sich hier, man nennt das kissing buttons, das ist neuerdings chic, braucht aber nicht zu sein. Ein Qualitätsmerkmal ist es auch nicht, es zeigt nur, dass die Knöpfe nicht mit der Maschine angenäht wurden. Zwischen dem untersten Knopf und dem Ärmelende ist bei diesem Jackett relativ viel Platz. Die Schneider der Savile Row plazieren den Knopf viel weiter am Ärmelende. Doch die Herrenkonfektion möchte da heute mehr Platz haben, damit man noch Änderungen vornehmen kann. An einem bespoke Jackett gibt es keine Änderungen der Ärmellänge, also wandert der Knopf weiter nach unten. Klicken Sie doch einmal dieses ➱Beispiel an.

Hier noch einmal ein Jackettärmel eines maßgeschneiderten Jacketts. Achten Sie bitte einmal auf die Knopflöcher! So sieht ein von Hand genähtes ➱Knopfloch von hinten aus. Keins ist wie das andere. Die Knopflochmaschine kann Knopflöcher nähen, die auf beiden Seiten eine perfekte Seidenraupe haben (klicken Sie mal auf dieses ➱Beispiel). In der Mitte der 1930er Jahre schaffte eine Maschine fünfzehn Knopflöcher in der Zeit, in der ein ➱Schneider ein Knopfloch nähte. So steht es 1937 in Männerkleidung unter den Augen des Fachmannes, herausgegeben von der Fachgruppe Textil Einzelhandel. In der Savile Row braucht man heute (je nach Anzahl der Knöpfe) zwischen vier und acht Stunden für einen Anzug.

Die Relationen, die für die Konfektion von 1937 galten, werden sich verändert haben. Die Maschinen sind schneller geworden, und ein Schneider hat heute nicht mehr die Routine im Nähen eines Knopflochs. In den dreißiger Jahren verdienten Uhrmacher ihr Geld mit dem Drehen einer Unruhwelle, die sehr schnell zu brechen pflegte. Dann kam (von den Uhrmachern bekämpft) die Stoßsicherung und niemand drehte mehr Unruhwellen. Kann heute kaum noch einer. Knopflöcher kann auch kaum noch jemand. Dafür haben heute selbst die feinsten Schneider ihre Lohnsklaven, die nichts anderes machen. Die meistens nicht aus dem Land sind, in dem Jackett oder Anzug genäht werden. Und die meistens nicht den Lohn bekommen, der allgemein gebräuchlich ist.

Tom Wolfe erzählt in The Pump House Gang die wunderbare Geschichte Bob & Spike über Robert Scull, der sich bei einem nicht genannten vornehmen Londoner Schneider ein rotes Sportjackett machen lassen will (auf solche Ideen können ja nur Amerikaner kommen): So he walks into this place, amid all the linenfold paneling and engraved glass with all the "by appointment" crests, HRH King George, The Prince of Wales, etc., and a man about 55 in a nailhead worsted suit with a step-collared vest comes up and Scull announces that Harry Lawton and Murray Leonard recommended him and he wants ... a sport jacket made of the material they make riding pinks out of.
     "I beg your pardon, sir?" says the man, turning his mouth down and putting a cataractic dimness into his eyes as if he hopes to God he didn't hear correctly. 

Wir können uns die Szene jetzt lebhaft vorstellen. Und das pink stellen wir uns so vor wie bei diesem Teil von Davies & Son aus den dreißiger Jahren. A week or so later Scull comes back in for the first fitting, and they bring out the riding pink, with the body of the coat cut and basted up and one arm basted on, the usual first fitting, and they put it on him--and Scull notices a funny thing. Everything has stopped in the shop. There, in the dimness of the woodwork and the bolt racks, the other men are looking up toward him, and in the back, from behind curtains, around door edges, from behind tiers of cloth, are all these eyes, staring.
     Scull motions back toward all the eyes and asks his man, Nostrils, "Hey, what are they doing?"
     Nostrils leans forward and says, very softly and very sincerely, "They're rooting for you, sir."
     Enjoy! Enjoy!
Scull is so pleased with this, he goes back and starts shaking hands with everybody in the place, right down to the Cypriot seamstresses who made buttonholes and can't speak any English.

Tom Wolfe ist ein genauer Beobachter, dem kein Detail entgeht. Und deshalb läßt er die Cypriot seamstresses who made buttonholes and can't speak any English nicht aus. Sie können auf der Amazon.com Seite von Tom Wolfes Buch The Purple Decades: A Reader einen längeren Ausschnitt aus der Geschichte von Bob Scull und seiner Ehefrau Ethel (Spike) lesen, über die Wolfe sagt: Bob and Spike are the folk heroes of every social climber who ever hit New York. Das hier ist ein Sakko von ➱Caraceni mit einem gestreiften Ärmelfutter. Wenn Sie jetzt sagen: so ein Knopfloch hätte meine Oma auch hinbekommen, kann man nur sagen: diese Seite vielleicht. Aber eben nicht die andere Seite, die wir nicht sehen können.

Wenn Sie schon dabei sind, Tom Wolfe zu lesen - und wenn Sie zufälligerweise Ärmelknopf Fetischist wie Tom Wolfe sind - könnten Sie zu dem Thema noch mehr von ihm in The Secret Vice lesen (klicken Sie ➱hier). Tom Wolfes kleine Geschichte über Robert Scull und seinem Ausflug in die Savile Row endet übrigens mit den schönen Sätzen: Afterwards Bob Scull tells me, "It's funny. The English treat their tailors like they were clergymen. Yeah. And their clergymen like they were tailors." Das Photo zeigt einen Blick in die Werkstatt von Henry Poole in den vierziger Jahren, da sitzen die Schneider (alles Männer) noch auf dem Tisch.

Gestreifte Ärmelfutter sind ein Ausweis sartorialer Tradition, hört man neuerdings immer wieder. Wenn irgendein Wort einer Inflation unterworfen ist, dann ist das sartorial. Gestreifte Ärmelfutter aus Satin tauchen in England zu Ende des 19. Jahrhunderts auf, einige Londoner Schneider werden solche Streifen zu ihrem Markenzeichen machen.

Weshalb das Futter gestreift (und nicht einfarbig oder kariert ist) ist, dafür gibt es keine überzeugenden Erklärungen. Zeitlich gesehen taucht das gestreifte Ärmelfutter zeitgleich mit den sogenannten regatta stripes auf, die um 1870 Hemden und ➱Blazer zieren. Die Arrow Anzeige von J.C. Leyendecker (der ➱hier einen Post hat) oben ist zwar ein paar Jahrzehnte zu spät für das Phänomen, illustriert es aber sehr schön. Auf diesem Bild näht ein Schneider von Henry Poole ein Hosenfutter ein, das Ärmelfutter ist das gleiche. Und da wir bei Henry Poole sind, auf ➱dieser Seite können Sie das Innenleben eines Henry Poole Jacketts betrachten.

Wenn einzelne Schneider in der Savile Row und Umgebung (wie zum Beispiel in der Conduit Street oder der Cork Street) im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ein farbiges, gestreiftes Ärmelfutter als eine Art Signatur verwenden, dann muss man natürlich bedenken, dass es noch keine Etiketten gibt. So etwas wie auf dem Bild hier wäre um 1870 undenkbar. Die ersten Etiketten, die Namen und Adresse des Schneiders tragen, sind ganz klein. Und in der Innentasche des Jacketts. Allerdings findet sich in dieser Zeit auch manchmal schon der Name des Schneiders auf dem Aufhänger des Jacketts.

Also dort, wo zum Beispiel bei Caruso Made in Italy steht. Und mit der Erwähnung dieses Markenzeichens bin ich gerade in einem Minenfeld gelandet. Denn Vieles, was als Made in Italy klassifiziert wird, kommt von den Chinesen. Und damit meine ich nicht, dass Onward Kashiyama
reihenweise italienische Firmen aufkauft oder dass der neue Chef von Caruso, Umberto Angeloni, jetzt auch chinesische Etiketten mit dem Namen SheJi-Sorgere in Caruso Sakkos einnäht. Nein, damit ist eine Entwicklung gemeint, die in Schlagzeilen wie Chinese Take Over Italy's Garment Workshops As Demand Soars For 'Made In Italy' Label oder Chinese Remake the ‘Made in Italy’ Fashion Label ihren Ausdruck findet. Dies hier ist ein Ralph Lauren Sakko. Nicht der übliche Schund von Ralph Lifshitz, sondern die feine, teure ➱Purple Line. Natürlich Made in Italy, diesmal mit einem Cantarelli Etikett.

Caruso in Parma verwendet seit Jahrzehnten das gleiche Futter mit einem gelben Streifen (das Diniz und Cruz geschickt imitieren), für ihre Luxusprodukte verwenden sie machmal auch ein Futter mit einem blauen Streifen. Cantarelli, Isaia und Kiton haben einen ähnlichen gelben Streifen wie Caruso. Aber viele Hersteller des Luxussegments (wie Belvest und Brioni) verwenden einfarbige Stoffe. In dem ersten Photo ganz oben auf der Seite ist das staffierte Ärmelfutter flach gegen den Ärmel genäht und gebügelt, auf diesem Photo und bei dem Jackett von Caraceni hat es mehr Platz. Das sind offensichtliche verschiedene Schulen der alta sartoria. Bei meinem Jackett von Heinz Josef Radermacher (natürlich secondhand gekauft) ist das Futter kunstvoll eingefältelt, es hat noch Platz für jede Bewegung.

Voll gefüttert werden Jacketts erst zu Ende des 19. Jahrhundert (Uniformen haben lange kein Ärmelfutter), davor herrscht eine Halbfütterung vor. Die hält sich in Amerika (vor allem in den Südstaaten) noch lange bis ins 20. Jahrhundert. Sie wird in Textillexika auch als amerikanische Fütterung bezeichnet (es gibt auch eine französische Fütterung: dann ist das Futter aus dem Oberstoff). Die Halbfütterung erfordert vom Schneider mehr Arbeit, weil alle Nähte sorgfältig vernäht werden müssen. Curiously, it is actually more expensive to make a suit without a lining than one with a lining. In an unlined jacket, all the inside seams must be perfectly finished, wie Alan Flusser in Clothes and the Man sagt. Ein Futter verdeckt ja vieles.

Alexander McQueen hat als junger Schneiderlehrling bei ➱Anderson & Sheppard unter das Futter eines Jacketts von Prince Charles schweinische ➱Sprüche wie I am a cunt gestickt. Die Halbfütterung für Ärmel und Schulterpartie finden wir heute noch bei italienischen Herstellern bei Jacketts der Sommermode, und die Sakkos von Boglioli aus gewaschenen Stoffen haben meistens auch nur eine französische Fütterung. Und da ich ja beim Futter bin: ich weiß nicht, ob man in der Savile Row inzwischen auf den Gedanken gekommen ist, dass man Hosen auch füttern kann. Früher hielten die das ja für einen Spleen von verweichlichten Europäern jenseits des Ärmelkanals.

Das Futter der Ärmel ist zuerst aus Leinen mit Glanzappretur, später aus alpaca. Wobei man jetzt nicht an das berühmte wuschelige Baby Alpaca des berühmten italienischen Webers Ferla denken soll. Wenn in diesem alpaca Futter überhaupt Wolle drin ist, dann ist es nur ein ganz dünner Faden, der mit Baumwolle oder Seide versponnen wird. Das Wort alpaca kann (so der große Webster) allerdings im 19. Jahrhundert auch lediglich eine Baumwollfütterung meinen. Auch Leinen/Seide Mischungen werden gerne für das Ärmelfutter verwendet. Reine Seide findet sich, das versichern uns Modehistoriker, im 19. Jahrhundert sehr selten für das Futter. Stattdessen kommen langsam Stoffe auf, die ihr Entstehen nicht mehr dem Schaf, der Kaschmir Ziege, dem Apaka Kamel oder der Seidenraupe, sondern vielen kleinen Kunststoffmolekülen verdanken.

Der Engländer Joseph Wilson Swan erfindet nicht nur die Glühlampe, er erfindet auch die Kunstseide. 1894 lassen sich der Chemiker Charles Frederick Cross und seine Mitarbeiter Edward John Bevan und Clayton Beadle einen Stoff patentieren, den sie Viscose nennen. Wenige Jahre später beginnt man in Elberfeld in der Fabrik von Johann Peter Bemberg damit, das Streckspinnverfahren für Kupferseide zu entwickeln. Die natürlich Bemberg heißen wird. Heute noch. Auf dem Etikett mancher italienischer Hersteller findet sich das Wort Cupro anstelle des Bemberg, aber das ist letztlich das gleiche.

Die von Bemberg hergestellte Kupferkunstseide hatte erhebliche Vorteile gegenüber der Viskosekunstseide der Konkurrenz. Vor allem bei der Strumpfherstellung. Sie hat einen Glanz, der der Naturseide glich und war leicht zu färben. Das berühmteste Plakat für Bemberg war nicht das von ➱René Gruau im oberen Absatz, sondern dies aus den zwanziger Jahren. Da versichert uns die junge Marlene Dietrich mit schelmischem Augenaufschlag: Ich trage nur Bemberg-Strümpfe. Und für die Katzenliebhaber hat der Katzenhasser Jay noch ein zweites Plakat von Marlene Dietrich.

Die englische Konkurrenz schlief natürlich nicht, die Firma Courtaulds wird die Erfindung von Charles Frederick Cross zur Produktionsreife bringen und 1905 die ersten Viscose Stoffe auf den Markt bringen. Es wird jetzt auf dem Kunstseidenmarkt viel erfunden, werfen Sie doch mal einen Blick auf diese ➱Übersicht. In Deutschland werden auch Max Fremery und Johann Urban eine Kunstseide erfinden, diese Kupferseide wurde zunächst als Glühfäden in ihrer Glühlampenfabrikation verwendet (dafür war Joseph Wilson Swans Erfindung auch gedacht gewesen).

Fremery und Urban hatten den ersten Produktionsbetrieb in Oberbruch gegründet, verlegten den Firmensitz aber schon bald nach Elberfeld. Ihre Vereinigte Glanzstoff Fabriken AG wird eines Tages Teil der Bemberg AG werden, aber zuvor hatte von noch von dem Fürsten Guido Henckel von Donnersmarck (dem reichsten Deutschen des 19. Jahrhunderts) die Kunstseiden- und Acetatwerke bei Stettin und seine Viskosepatente gekauft. Elberfeld, das man im 19. Jahrhundert auch das deutsche Manchester nennt, war seit eh und je eine Hochburg der Textilindustrie.

Jetzt wird Elberfeld mit Bemberg und den Vereinigte Glanzstoff Fabriken (die eines Tages als Nachfolger die Enka GmbH haben) zur Chemiemetropole Deutschlands. Auch die Firma Bayer (hier ein Blick, die auf die industrielle Tristesse an der Wupper), die das Patent auf Heroin hatte, war in Elberfeld gegründet worden. So sauber diese Fabrik von Acetat Kunstseide aussieht, es täuscht natürlich darüber hinweg, dass das all diese Viskosen und Kunstseiden in der Herstellung reines Gift für die Umwelt sind. Und bei Bambus, das vor Jahren als ökologisch einwandfreies Produkt offeriert wurde, ist das nicht anders. Die ganze Werbung war ein einzigartiger Betrug, lesen Sie dazu mehr auf dieser interessanten ➱Seite.

Man sollte das Ärmelfutter ja eigentlich nicht sehen - und man sollte die Knöpfe am Ärmel auch geschlossen lassen. Diese neue Mode von auffälligen Ärmelfuttern und farbig abgesetzen Knopflöchern ist auch ein klein wenig ordinär. Aber wir verbergen ja auch nicht mehr unsere Unterwäsche, unter den krawattenlosen Oberhemden lugen neuerdings selbst bei Politikern T-Shirts hervor, definitely disgusting. Auf einem Kongress beobachtete ich einmal, wie sich bei einem älteren Herren einer sartorial benachteiligten Gruppe (sprich ➱Professoren) der linke Ärmel des Jacketts gelöst hatte und immer weiter den Arm herunter wanderte. Zentimeter um Zentimeter des Oberhemds und des Ärmelfutters (definitiv nicht Kiton oder Caruso) wurde sichtbar. Kaum jemand hörte dem Festredner zu (was man auf Kongressen sowieso selten tut), der halbe Saal beobachtete faszininiert diesen unfreiwilligen Striptease. In der Pause schleppte eine Sekretärin den Herrn aus dem Saal, verfrachtete ihn in das nächstliegende Büro und löste die Kleidungsprobleme. Mit einem Tacker.

Das gleiche passiert ja John Cleese in Clockwise (wie man hier sehen kann), aber das hier im Audimax war kein Kino, das war live. So etwa soll uns natürlich nicht passieren. Was wir auf dem Photo im oberen Absatz sehen, ist übrigens ein Ärmelfutter eines Anzuges von Huntsman (wenn Sie das ganze Innenleben eines Huntsman Anzuges sehen wollen, dann klicken Sie hier), offensichtlich mag man da breite Streifen. Wir lassen uns von der Frage gestreiftes Ärmelfutter oder nicht? und von Begriffen wie Viscose, Taft, Poingette, Rayon und Polyester nicht verwirren. Wir sagen einfach mit Marlene Dietrich: Ich trage nur Bemberg.


Lesen Sie auch: ➱Maßkonfektion und ➱preloved. Die heute im Text erwähnten Firmen ➱Brioni, ➱Caraceni, ➱Caruso und ➱Regent haben in diesem Blog auch schon Posts.

2 Kommentare:

  1. Amüsant, dass meine alte smalto-Jacke über Jeffery Diduch und Adriano Dirnelli nun in letzter Station über Ihren Link wieder bei mir angekommen ist.
    Schöner Beitrag, wie eigentlich immer.
    dE

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  2. Ich hatte zuerst ein anderes Bild an dieser Stelle, aber dann entdeckte ich dies und dachte mir, das müsste Ihr Jackett sein. Das ist also ein kleines Zitat.

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