Sonntag, 4. September 2016

Geronimos Cadillac


Am Anfang des Films ➱Stagecoach (zu dem es ➱hier einen Post gibt) bricht die Telegraphenleitung zusammen. Das einzige Wort der Nachricht, die aus Lordsburg kommt, heißt Geronimo. Mehr brauchen wir nicht, der Name verbreitet Schrecken. Heute vor 130 Jahren hat sich Geronimo mit einem Häuflein seiner Krieger dem General Nelson A. Miles ergeben. Man wird ihn nicht töten wie so viele andere Indianer, er wandert in Gefangenschaft. Er wird beinahe achtzig Jahre alt werden. Es werden viele Geschichten über ihn erzählt, die meisten sind nicht wahr. Wie all diese Geschichten aus dem Wilden Westen. Buffalo Bill hatte schon recht, als er den Westen als Show verkaufte. Wenn der Zirkus von Buffalo Bill zu Ende geht, übernimmt Hollywood die Show. Wer erinnert sich noch an Buffy Sainte Marie?

Now that your big eyes have finally opened
Now that you're wondering how must they feel
Meaning them that you've chased across America's movie screens
Now that you're wondering "how can it be real?"
That the ones you've called colourful, noble and proud
In your school propaganda
They starve in their splendor?
You've asked for my comment I simply will render
My country 'tis of thy people you're dying.


Es gibt ein Photo aus dem Jahre 1905, das Geronimo in der Kleidung des weißen Mannes (mit Zylinder) am Lenkrad eines Cadillacs zeigt. A pathetic caricature, nannte Alistair Cooke das Bild in seinem Buch Alistair Cooke's America. Wir wissen inzwischen, dass der Cadillac kein Cadillac ist, sondern ein Locomobile Model C aus dem Jahre 1904. Geronimo konnte nicht Auto fahren, er hat auch nie ein Auto besessen. Er ist hier Teil einer Show auf der 101 Ranch, der damals größten Ranch der USA. Die Ranch liegt im Indianer Territorium, der Staat Oklahoma ist noch nicht gegründet. Soldaten haben den Indianerhäuptling aus dem Militärgefängnis von Fort Sill zu der Show gebracht. Rechts neben Geronimo ist Edward Le Clair Sr. Geronimo hat dessen schöne Weste bewundert. Er bekam sie geschenkt und wurde später mit dieser Weste begraben.

Das Locomobile spielte bei der Show auf der 101 Ranch noch eine Rolle bei einer wilden Büffeljagd. Angeblich ist Geronimo aus dem fahrenden Auto gesprungen und hat den Büffel erlegt, aber diese Geschichte ist leider auch nicht wahr. Auf diesem Photo, das Geronimo's Last Buffalo heißt, erlegt er gerade für den Photographen einen Büffel. Es wäre nicht sein letzter Büffel, es wäre wohl sein erster. Da, wo er aufwuchs, gab es keine Büffel. Wir können mit der Geschichte ganz beliebig umgehen, die Photos beweisen alles. Es ist alles Zirkus und Show. Man kann die Geschichte fälschen, wie man will. Ich habe mal auf einer Tagung zum Thema Film und Geschichte den Anfang von Altmans Buffalo Bill and the Indians (➱hier ganz zu sehen) mit einer patriotischen Rede von Ronald Reagan vertauscht. Keiner der Tagungsteilnehmer hat es bemerkt.

Robert Altman hatte schon den richtigen Ton getroffen, als er ➱Arthur Kopits Theaterstück Indians verfilmte. Auf diesem Photo stehen Geromino und ➱Buffalo Bill nebeneinander, da ist der Apache in Buffalo Bills Western Show aufgetreten. In Kopits Theaterstück ist Geronimo auch ein Teil der Western Show. Er wird von einer Stimme im Off angekündigt als: The Most Ferocious Indian Alive. The Former Scourge of the Southwest. Man bringt ihn in einem Käfig auf die Bühne.

Ein Monster. Das brüllen darf: My body is painted with blood! I am red from white mens blood! ... No one lives who has killed more white men than I! Er ist stolz auf die Vielzahl der weißen Frauen, die er vergewaltigt hat. Aber wenn Buffalo Bill auf die Bühne kommt, dann verstummt er. Und beginnt zu zittern. Indem Arthur Kopit die Figur des Geronimo als killer und rapist überzeichnet, merkt auch der letzte Zuschauer, dass dies alles so nicht sein kann. Wenn heute in den USA jemand als killer und rapist bezeichnet wird, dann ist er Mexikaner. Und dann redet Donald Trump, dessen Wahlkampf eine Zirkusshow à la Buffalo Bill Cody ist.

Hier reitet Buffalo Bill (gespielt von Paul Newman) im Zirkus, er scheint nicht ganz bei der Sache zu sein. Sowohl Altman (aus dessen Film Buffalo Bill and the Indians das Photo stammt) als auch Kopit nehmen den Nationalhelden auseinander: Altman geht wie schon in ‚Nashville‘ mit Zynismus, Intelligenz und Bosheit daran, den ‚amerikanischen Traum‘ so gründlich zu demontieren wie kein Regisseur zuvor: Der legendäre Wildwestheld Buffalo Bill (Paul Newman), Mr. Amerika in Person, entpuppt sich als hohle Showbusiness-Erfindung, seine Vergangenheit als ein Sammelsurium aus dreisten Lügen und feigem Selbstbetrug. Im Gegenzug rehabilitiert Altman die ‚wahren‘ Amerikaner, die Indianer, personifiziert in der ungewöhnlichen Figur des Sioux- Häuptlings Sitting Bull, schrieb die Zeit 1976. Und da ich beim Thema Zirkus bin: General Nelson A. Miles, der einst Geronimo gefangen nahm, erlitt 1925 einen tödlichen Herzinfarkt. Im Zirkus.

Altmans Film erschien acht Jahre nach dem satirischen Theaterstück von Kopit, zehn Jahre nach Buffy Sainte Maries Song ➱My Country 'this of Thy People You're Dying. Und zehn Jahre nach Altmans bitterbösen Film erschien ein Song namens Geronimo's Cadillac von - und das ist jetzt wirklich ein wenig abgefahren - Dieter Bohlen. Ich weiß nicht, ob Sie den kennen, wenn er in diesem Blog auftaucht, werden immer schlimme Dinge über ihn gesagt (vielleicht lesen Sie einmal den schönen Post über den ➱Kieler Steuersünder, der nebenbei auch singt). In Dieter Bohlens Song kommt eigentlich nichts von Geronimo und dem amerikanischen Westen vor, der Song heißt einfach nur so. Sinnfrei.

Das ist bei dem Countrysänger Michael Martin Murphey anders, sein ➱Song hat durchaus etwas mit dem Photo von Geronimos Cadillac zu tun:

They put Geronimo in jail down south
Where he couldn't look a gift horse in the mouth

Sergeant, Sergeant, don't you feel
There's something wrong with your automobile?
Governor, Governor, now aint it strange
They didn't have no cars on the Indian range?
Warden, Warden, listen to me
Be brave and set Geronimo free

Whoa, boys, take me back
I wanna ride in Geronimos Cadillac

Warden, Warden, don't you know
That prisoners have no place to go?
Took Old Geronimo by storm
Ripped off the feathers from his uniform
Jesus tells me, I believe it's true
The red man is in the sunset too
Took all their land and they wont give it back
Sent Geronimo a Cadillac

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