Sonntag, 27. November 2016

Duell


Guten Tag ich bin mitten im Abitur, besser gesagt die Schriftlichen hab ich hinter mir, d.h. ich habe nun noch eine mdl. Prüfung und wie der Titel vermuten lässt eine Präsentation vor mir.
Hierfür muss ich zum kommenden Mittwoch die Gliederung abgeben wie ich das Thema Strukturieren werde.
Folgende Aufgabenstellung soll ich behandeln:
Untersuchen sie die literarische Adaption der Figur Effi Brist im 20 Jahrhundert am Bsp. von Hochhuths Effis Nacht. Monolog
Ich würde mich über Tips einer sinnvollen Gliederung bzw. zur Präsentation allgemein freuen.
mfg Benni


Steht so im Internet, die Fehler sind im Text original. Ich weiß nicht, ob der Benni sein Reifezeugnis bekommen hat, aber ich kann sagen, dass ich sehr ähnliche E-Mails bekomme. Da stellen sich Schüler und Studenten offensichlich vor, ich würde ihre Schularbeiten machen oder ihre Seminararbeiten schreiben. Ich denke nicht daran. Ich würde auch keinem Benni, Manni oder Kevin einen Tip bezüglich Hochhuths Theaterstück Effis Nacht geben. Das Stück ist interessant, gehört aber nicht zu den besten Leistungen des Autors. Wäre ich Regisseur, würde ich den Rotstift ansetzen. Als ich einmal ein Jahr lang die Theatertruppe eines Gymnasiums leitete, erbte ich mit der Truppe einen hervorragenden Regieassistenten namens Martin. Der mir nach zwei Wochen sagte: Jay, das müsst ihr Typen von der Uni noch lernen. Dies ist keine Philologie, dies ist wirkliches Theater. Nimm diesen photokopierten Text mit nach Hause und streich am Wochenende zwanzig Prozent raus. Es tat mir weh, und es hätte Arthur Kopit wohl auch nicht gefallen, dass ich zwanzig Prozent aus seinem Stück Indians gestrichen habe, aber es hat funktioniert. Martin bekam gleich nach dem Abitur eine Stelle an einem Theater. Aber um zu dem Bennis und Mannis (und wie sie alle heißen) zurückzukommen. Einen Tip können sie gerne von mir bekommen: schreibt die junge Frau doch einfach Effi Briest. Mit e.

Theodor Fontane lässt sie jung sterben: So verging der Sommer, und die Sternschnuppennächte lagen schon zurück. Effi hatte während dieser Nächte bis über Mitternacht hinaus am Fenster gesessen und sich nicht müde sehen können. »Ich war immer eine schwache Christin; aber ob wir doch vielleicht von da oben stammen und, wenn es hier vorbei ist, in unsere himmlische Heimat zurückkehren, zu den Sternen oben oder noch drüber hinaus! Ich weiß es nicht, ich will es auch nicht wissen, ich habe nur die Sehnsucht.« Arme Effi, du hattest zu den Himmelwundern zu lange hinaufgesehen und darüber nachgedacht, und das Ende war, daß die Nachtluft und die Nebel, die vom Teich her aufstiegen, sie wieder aufs Krankenbett warfen, und als Wiesike gerufen wurde und sie gesehen hatte, nahm er Briest beiseite und sagte: »Wird nichts mehr; machen Sie sich auf ein baldiges Ende gefaßt.« Er hatte nur zu wahr gesprochen, und wenige Tage danach, es war noch nicht spät und die zehnte Stunde noch nicht heran, da kam Roswitha nach unten und sagte zu Frau von Briest: »Gnädigste Frau, mit der gnädigen Frau oben ist es schlimm; sie spricht immer so still vor sich hin, und mitunter ist es, als ob sie bete, sie will es aber nicht wahrhaben, und ich weiß nicht, mir ist, als ob es jede Stunde vorbei sein könnte.« Aber die wahre Effi, diese Elisabeth von Plotho, die einen Rittmeister namens Armand Léon von Ardenne heiratet, wird nicht jung sterben. Sie wird beinahe neunundneunzig Jahre alt werden.

Heute vor 130 Jahren haben sich der Rittmeister Armand Léon von Ardenne und der Amtsrichter Emil Hartwich (Bild) auf der Berliner Hasenheide duelliert. Da, wo Grabkreuze zu billigsten Preisen offeriert werden und wo an einer Schweizer Schießhalle steht Schieße gut und schieße schnell, Schieß und triff wie Wilhelm Tell. Das ist nicht einer meiner bösartigen Scherze, das steht in einem anderen Roman des Mannes, der die Geschichte von Elisabeth von Plotho, Emil Hartwich und Armand Léon von Ardenne in einen Roman hineingeschrieben hat, der Effi Briest heißt. Briest mit e. Der Amtsrichter, Leutnant der Reserve, Sportpädagoge und Amateurmaler Emil Hartwich wird wenige Tage später sterben, der Herr von Ardenne wandert für achtzehn Tage ins Gefängnis und wird danach vom Kaiser zum Major befördert.

In Hochhuths Monolog ist Emil Hartwich ein ganz anderer als der Major von Crampas, den wir aus dem Roman kennen und der heute bei Facebook ist (Effi auch): Hätte nicht die Wahrheit den Roman überzeugender gemacht: Daß eben nicht ein erfundener Major und Adliger mein Geliebter war, sondern ein Rebell, der zwar sein Geld als Amtsrichter verdienen mußte, aber doch ein kantiger Einzelgänger war, und ein Künstler.

Lieber als die Fragen von Benni sind mir im Internet kreative junge Leute wie Raisa Goldflowing, die ein Gedicht zu dem Leben von Effi Briest verfasst hat:

Effi von Briest,
Tochter der Luft.
Jugendlich, wild,
Midshipmans Kluft.

Plötzlich ganz anders,
Neue Zukunft in Sicht.
Verlobung, Hochzeit,
Nach Kessin bald Pflicht.

Verwirrend und neu,
Ja gruselig gar.
Neues Sein in Kessin
Ist wohl nun wahr.

Schrecklicher Spuk,
Nicht nur im Kopf.
Ostländisch, Chinese,
Mit schwarzem Schopf.

Dazu Langeweile,
Einsam wohl auch.
Instetten nie da,
Kaum mehr ein Hauch.

Crampas so heißt er,
Der Major selbst.
Zu dem du, ja Effi,
Dich dazugesellst.

Doch was verboten,
Das währt nicht ewig.
Die stetige Angst,
Keinesfalls selig.

Sechs Jahre lang,
Scheinbares Glück.
Bis mit einem Schlag,
Vergangenheit ist zurück.

Alles alte wieder,
Ganz neu aufgewühlt.
Jegliches Glück,
Wie fortgespült.

Nun, anderes Leben,
Wie einsam wohl,
Effi innerlich,
Fast schon hohl.

Immer schlechter,
Von Zeit zu Zeit,
Arme Effi Briest,
Voll Traurigkeit.

Ein Ende findet's,
Alles mit eins,
Zuhaus bei Eltern,
Ende so scheints.

Letztendlich ist's,
Ganz wie die Welt,
Wie Briest so sagt,
Ein zu weites Feld.


Die Geschichte unserer Effi, die an einen Mann verheiratet wird, der einmal um die Hand der Mutter angehalten hat, findet sich in diesem Blog schon in den Posts Internetsucht und Ehebruch.

1 Kommentar:

  1. Oh ja, die Effi. Schulstoff der verhassten, weil wohl unverstandenen Art.

    Das Gedicht gefällt mir.

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