Donnerstag, 9. Februar 2017

Amistad


Amistad ist Spanisch und heißt Freundschaft, Amistad war auch der Name eines Schiffes, das in der amerikanischen Geschichte mit spektakulären Prozessen assoziiert wird. Ich begegnete dem Namen zuerst, als mir mein Freund Hombre, der über schwarz-amerikanische Literatur promovierte, einen Band der neu gegründeten Zeitschrift Amistad schenkte. Ich hätte das Wort schon früher lesen können, hätte ich eine andere Ausgabe von Melvilles ➱Benito Cereno benutzt. Aber damals war einem die Ausgabe egal, man kaufte das Billigste, man hatte nicht viel Geld. Teure kommentierte Ausgaben würden später kommen. Jetzt habe ich die teuren, aber meine alten Texte habe ich alle behalten.

Dank des Eingreifens des Kapitäns Amasa Delano (a person of a singularly undistrustful good-nature, not liable, except on extraordinary and repeated incentives, and hardly then, to indulge in personal alarms, any way involving the imputation of malign evil in man) wird der spanische Sklavenhändler Don Benito gerettet. Aber er ist am Schluß ein gebrochener Mann: "You are saved," cried Captain Delano, more and more astonished and pained; "you are saved: what has cast such a shadow upon you?" "The negro." There was silence, while the moody man sat, slowly and unconsciously gathering his mantle about him, as if it were a pall. 

Wenn Melville hier den Umhang des spanischen Kapitäns zu einem Leichentuch (pall) macht, dann nimmt er die Symbolik wieder auf, die er am Anfang angeschlagen hatte. Da erscheint die San Dominick (wie die Amistad bei ihm heißt) like a white-washed monastery after a thunder-storm. Sie hat etwas von einem Totenschiff an sich. Aber der gute Amasa Delano - übrigens ein Verwandter des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt - begreift (wie wir als Leser) am Anfang gar nicht, was da alles an Symbolik auf ihn zurollt: Everything was mute and calm; everything gray. The sea, though undulated into long roods of swells, seemed fixed, and was sleeked at the surface like waved lead that has cooled and set in the smelter's mould. The sky seemed a gray surtout. Flights of troubled gray fowl, kith and kin with flights of troubled gray vapors among which they were mixed, skimmed low and fitfully over the waters, as swallows over meadows before storms. Shadows present, foreshadowing deeper shadows to come.

Am 9. Februar 1825 - zwei Jahre nach dem Tod des Kapitäns ➱Amaso Delano - hat das US-Repräsentantenhaus etwas überraschend John Quincy Adams zum Präsidenten gewählt. Eigentlich hatte Andrew Jackson mehr Stimmen gehabt, doch keiner von beiden hatte die absolute Mehrheit bei den Wahlmännern erreicht. So wird Adams Präsident, wie schon sein Vater vor ihm. John Quincy Adams ist der einzige amerikanische Präsident, der vom Repräsentantenhaus gewählt wurde. Und der einzige, der im Weißen Haus einen Alligator hält. Den hatte ihm der Marquis de Lafayette geschenkt, im Weißen Haus war damals noch viel Platz, auch für einen Alligator.

Es gibt in diesem Blog schon einen Post, der ➱John Quincy Adams heißt, aber dieser John Quincy Adams ist ein Wiener Maler. Und da ich bei Malern bin: dies hier ist die Gattin von John Quincy Adams, gemalt von niemand anderem als Gilbert Stuart. ➱Louisa Catherine Adams ist die erste First Lady, die nicht in Amerika geboren wurde. Natürlich nicht in in Novo Mesto in Jugoslawien, wie diese Immigrantin, die jetzt First Lady ist. Nein, Louisa kommt aus London, wo ihr Vater (der ein Amerikaner ist) seinen Wohnsitz hat.

John Quincy Adams kann dem Schicksal dankbar sein, dass er seine Louisa gefunden hat, sie hat viel Charme. Er nicht. Das kann man auf diesem Portrait (wiederum ein Bild von Gilbert Stuart) wohl sehen, er wirkt kalt und dröge. Die USA schicken den Harvard Juristen als Botschafter in die Niederlande, nach Portugal und nach Preußen, er hinterlässt nirgendwo den Eindruck eines großen Diplomaten. Wenn er Botschafter in St Petersburg wird, hat er glücklicherweise seine charmante Gattin bei sich.

Der Diplomat John Spear Smith (hier von ➱William West gemalt) der zur amerikanischen Delegation gehört, schreibt über ihn: He has no manners, is gauche, never was intended for a foreign minister and is only fit to turn over musty law authorities. You would blush to see him in any society, and particularly at Court circles, walking about perfectly listless, speaking to no one, and absolutely looking as if he were in a dream…. Dry sense alone does not do at European Courts. Something more is necessary, which something Mr. A. does not possess. 

Lord Chesterfield schreibt ➱Briefe an seinen Sohn, damit der die feine Lebensart beherrscht. John Quincy Adams schreibt ➱Briefe aus St. Petersburg an seinen Sohn, damit der die Bibel verstehen lernt. Adams selbst weiß es, dass ihm die social graces fehlen: I am a man of reserved, cold, austere, and forbidding manners; my political adversaries say, a gloomy misanthropist, and my personal enemies, an unsocial savage. With a knowledge of the actual defect in my character, I have not the pliability to reform it. Aber der Mann, der als erster bei seiner Inauguration lange Hosen und keine Kniebundhosen trägt, ist kein intellektuelles Leichtgewicht. Hier hat ➱John Singleton Copley den jungen Adams gemalt, es ist wohl das hübscheste Bild, das es von ihm gibt.

Washington hat Adams the most valuable public character we have abroad genannt. Adams kann denken, reden und schreiben. Er beherrscht - im Gegensatz zu Donald Trump - eine Vielzahl von Sprachen. Er kann Französisch und Holländisch (er hat in Leiden studiert). Und er kann deutsch, er wird Wielands Oberon in Englische übersetzen. Und er unterzeichnet in Berlin 1799 einen Freundschafts- und Handelsvertrag, dessen erster Artikel lautet: Es soll fester, unverletzlicher und allgemeiner Friede und wahre Freundschaft zwischen seiner Majestät, seinen Erben und Nachfolgern sowie seinen Untertanen einerseits und den Vereinigten Staaten und ihren Bürgern andererseits ohne irgendwelche Ausnahme hinsichtlich der Gebiete und Personen bestehen. Von der wahren Freundschaft zwischen Berlin und Washington können wir heute nur träumen.

Wir lassen die Präsidentschaft von Adams einmal aus und werfen einen Blick auf den Juristen Adams, der 1841 einen großen Auftritt hat. Der Rechtsgeschichte schreibt. Es geht um das Sklavenschiff Amistad, das schon mehrfach in diesem Blog aufgetaucht ist. Und das durch den Film von Steven Spielberg vielen bekannt wurde, auch wenn der Film die historische Wirklichkeit verfälscht. Wie Hollywood das immer macht. Simon Schama hat in ➱Clio at the Multiplex dazu einiges zu sagen. Zwei Gerichte haben für die afrikanischen Sklaven geurteilt, der Präsident Martin van Buren greift jetzt massiv in die Jurisdiktion ein. Nicht, dass er sagte: The opinion of this so-called judge, which essentially takes law-enforcement away from our country, is ridiculous and will be overturned! So etwas bleibt einem Mann wie Donald Trump vorbehalten. Aber Richterschelte ist für einen Präsidenten eine gefährliche Sache. Die Einmischung des Präsidenten in der Sache ➱United States v. The Amistad gefällt dem ehemaligen Präsidenten John Quincy Adams (hier im Film von Anthony Hopkins dargestellt), der als einziger Präsident den Eid auf die Verfassung und nicht auf die Bibel ablegte, nun überhaupt nicht. Er wird in seinem ➱Plädoyer bezüglich der Einmischung des Präsidenten von einer utter injustice sprechen.

Und er wird seine Kollegen daran erinnern, dass er einmal einer der ihren gewesen ist: May it please your Honors: On the 7th of February, 1804, now more than thirty-seven years past, my name was entered, and yet stands recorded, on both the rolls, as one of the Attorneys and Counsellors of this Court. Five years later, in February and March, 1809, I appeared for the last time before this Court, in defence of the cause of justice, and of important rights, in which many of my fellow-citizens had property to a large amount at stake. Very shortly afterwards, I was called to the discharge of other duties--first in distant lands, and in later years, within our own country, but in different departments of her Government.
        Little did I imagine that I should ever again be required to claim the right of appearing in the capacity of an officer of this Court; yet such has been the dictate of my destiny--and I appear again to plead the cause of justice, and now of liberty and life, in behalf of many of my fellow men, before that same Court, which in a former age I had addressed in support of rights of property I stand again, I trust for the last time, before the same Court--"hic caestus, artemque repono." 

Sein an zwei Tagen vorgetragenes Plädoyer überzeugt den Supreme Court. Die Sklaven sind keine Sklaven mehr, sie sind freie Leute und können nach Afrika zurückkehren: a decree that the said negroes be, and are hereby, declared to be free, and that they be dismissed from the custody of the Court, and be discharged from the suit, and go thereof quit without dayDa könnte man ausrufen Il y a des juges à Berlin. Und man kann nur hoffen, dass es in Amerika keine weitere utter injustice gibt. Wenn Sie den Richter James Robart, der dem Edikt des Twitterkönigs ein vorläufiges Ende erteilte, hören wollen, dann klicken Sie ➱hier.

Und für Donald Trump hätte ich noch einen Tip: sofortige Wiedereinführung der gag rule. Weil er gegen die verstieß, wurde Adams ➱1837 im Kongress gerügt. Sieben Jahre lang wird er für die Meinungsfreiheit und die Abschaffung der gag rule kämpfen, dann hebt der Kongress sie auf.


Die im dritten Absatz abgebildete Ausgabe von Benito Cerenoc (Insel Verlag) ist unbedingt zu empfehlen, da Marianne Kesting hier sehr viel Material zusammengetragen hat. Noch mehr zu der Amistad und der Familie Adams finden Sie hier: Sklavenschiff, Dementia Americana, Bounty, John Adams, Biographien, John Quincy AdamsIndependence Day, Inauguration, Liberty Girls, Declaration of Independence, I hear America Singing, Thomas Jefferson, Stephen Decatur, Independence Day, George Washington (sartorial), 1776 and all that, William Billings, Arno Schmidt, Uhren in Amerika, Eli Whitney

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