Freitag, 11. Mai 2018

Waidmannsheil


Dieses Bild von Thomas Gainsborough zeigt einen englischen Gentleman bei der Jagd. Wir wissen, wer er ist, er heißt Thomas William Coke (spricht sich Cook aus). Er weigert sich geadelt zu werden: I had rather remain the first of the ducks than the last of the geese. Irgendwann nimmt er doch den Titel eines Earl of Leicester an. Der einfache Mr Coke, den seine Zeitgenossen auch Coke of Norfolk nennen, ist Großgrundbesitzer und hat mit dem geerbten Familiensitz Holkham Hall eins der schönsten palladianischen Schlösser Englands. Die Familie wohnt da ↝heute noch.

Grundbesitzer sind viele Adlige in dieser Zeit. Und viele werden sich auf ihren Besitzungen in der Pose eines Jägers malen lassen. Aber niemand ist wie Mr Coke, der natürlich in Eton und auf einer ↝Grand Tour war. Er ist einer der wichtigsten Landwirtschaftsreformer Englands im 18. Jahrhundert, der noch horribile dictu daran glaubt, dass es zu den Pflichten eines Großgrundbesitzers gehört, das Leben derer zu verbessern, die auf seinen Gütern leben. Dafür tritt er (hier auf einem späteren Bild von Thomas Lawrence) auch im Parlament ein.

Was er auf diesem Bild trägt, ist die Mode des 18. Jahrhunderts für den Landedelmann (zu diesem Thema gibt es ↝hier einen Post). Aber es ist noch mehr. Coke hat sich von Gainsborough in der Kleidung malen lassen, in der er als Abgesandter Norfolks vor den König getreten war: As Knight of the Shire he had not only the right to wear his spurs in the House, but a further right to attend Court " in his boots," i.e. in his country clothes; which latter privilege, however, was seldom, if ever, exercised. But on this occasion Coke availed himself of it, and appeared unceremoniously before the King wearing his ordinary country garb. It was an extremely picturesque: dress top-boots with spurs, light leather breeches, a long-tailed coat and a broad-brimmed hat; but it caused the greatest horror at Court, and neither the matter nor the manner of the address was palatable to George III. Noch schlimmer für den König als der Anzug von Coke war die Tatsache, dass er wortgewaltig für die Sache der Revolutionäre in Amerika eintrat.

Coke war schon einmal in diesem Blog, in einem ↝Post, der seinem Sohn von Thomas William Coke gewidmet war. Der hat nämlich den Bowler erfunden. Ich habe noch ein zweites Bild von einem englischen Gentleman bei der Jagd aus der gleichen Zeit wie Gainsboroughs Bild. Es heißt Reclining Hunter, es wurde von dem amerikanischen Maler Ralph Earl gemalt. Der wurde 11. Mai 1751 geboren, ich dachte, ich schreibe mal über ihn. Musste dann aber feststellen, dass es hier längst einen Post namens ↝Ralph Earl gab. Wo allerdings der Reclining Hunter nicht erwähnt wurde.

Das Philadelphia Museum of Art hat über das Bild, das man auch als Duschvorhang kaufen kann, nur zu sagen: Ralph Earl studied in England for several years during the American Revolution and was one of many American painters of the time who included natural scenes in his compositions. This enigmatic depiction of a reclining hunter suggests the emerging English view of the natural world as a place of repose and contemplation, where the beauties and pleasures of the countryside could be enjoyed. Das ist nun ein wenig ärmlich, man könnte mehr zu dem Bild sagen. Viel mehr.

Der Gentleman, der hier bei der Jagd ein Päuschen einlegt, trägt andere Kleidung als Thomas William Coke. So etwas kann man in der Stadt tragen, vielleicht noch beim Lustwandeln in einem ↝Landschaftsgarten, aber nicht bei der Jagd. Und das, was der Gentleman mit dem leicht verblödeten Gesichtsausdruck (oder ist er schlicht besoffen?) erjagt hat, würde kein Jäger jagen. Wir lassen den Esel im Hintergrund aus, der seine Beute geworden ist, aber diese Vögel, die da auf einen Haufen geworfen sind, die jagt man nicht. Man schießt keine Eulen und keine Schwäne. Wahrscheinlich sind auch die Pilze in seinem Hut Gilftpilze.

Gainsborough hat eine Vielzahl von Herren gemalt, die mit ihren Hunden auf ihrem Grundbesitz unterwegs sind. Ihre Kleidung passt sich der Umgebung an. Sie sind nicht für die Großstadt gekleidet, dafür haben sie ein Stadthaus und haben dort die passende Garderobe im Schrank. Dies hier ist George Venables, der zweite Lord Vernon, im dreiteiligen Anzug, dem justacorps, den die englische Mode seit Charles II kennt. Er war schon in dem Post ↝18th Century: Fashion zu sehen. Die Westen, die jetzt gilets heißen (sie kommen meistens aus Frankreich), sind nicht mehr aus dem selben Stoff wie der Rest des Anzugs, négligé clothing wird es genannt. Ist nichts anderes als dressing down, machen die Engländer auf dem Land immer noch.

Während ↝Mr und Mrs Andrews in dem berühmten Bild in der Landschaft stehen, als wäre es eine Bühne für sie, zeigt dieser Herr eine seltsame Naturverbundenheit, er ist beinahe eine Verdoppelung des Baumes. Mr John Plampin, der Grundbsitz und Schloss in Suffolk geerbt hatte, wollte so auf seinem Besitz gemalt werden. Ein wenig the man of feeling, eins mit der Natur. Gainsborough hat das Bild nach einem Bild von Watteau gemalt.

Lassen Sie uns zu dem Bild von Ralph Earl zurückkommen. Das ist wahrscheinlich die reine Satire, eine Parodie eines in England gepflegten Bildtyps. Ralph Earl ist der bad boy der Amerikaner in England, ein habitueller Lügner, ein Säufer und Bigamist. Er kann nicht so gut malen wie ↝John Singleton Copley oder ↝Gilbert Stuart, Körperproportionen stimmen bei ihm nie, wie man auf diesem Selbstportrait sehen kann. Er ist gut in Kleinigkeiten, die Kleidung der Portraitierten ist immer sehr detailgetreu. Dr Caroline  Koblenzer, die das Bild des Reclining Hunter dem Museum in Philadelphia geschenkt hat, hat eine interessante Interpretation geliefert: dies sei ein selbstironisches Portrait eines Mannes, der wisse, dass er in seinem Leben alles falsch gemacht hat.

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